Ottobrunn:Mehr als ein Gottesdienst

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Reden über Rechtsextremismus: Die Landtagsabgeordneten Markus Rinderspacher, Verena Osgyan und Markus Blume (von links) in der Michaelskirche. (Foto: Claus Schunk)

Die Ottobrunner Michaelskirche macht Rechtsextremismus zum Thema: Nach einer leidenschaftlichen Predigt von Pfarrerin Hirschsteiner sprechen Landtagspolitiker über Fremdenfeindlichkeit und fordern Solidarität mit Flüchtlingen.

Von Christina Jackson, Ottobrunn

Mit einer leidenschaftlichen Predigt eröffnete am Sonntag Pfarrerin Martina Hirschsteiner den Themengottesdienst zum Rechtsextremismus in der Ottobrunner Michaelskirche. Sie rief ihre Zuhörer dazu auf, angesichts von Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung Haltung zu zeigen. Erfreut zeigte sie sich über die zahlreichen jungen Gläubigen, die in die Michaelskirche gekommen waren: "Ihr seid die Hoffnungsträger unserer Zukunft."

Dabei nahm die Predigt an diesem Sonntag nur wenig Zeit in Anspruch. Eine wichtige Rolle spielte die Landespolitik. Zentrales Thema des Gottesdiensts war der Rechtsextremismus in Bayern. Vor den Gläubigen sprachen die Landtagsabgeordneten Verena Osgyan (Grüne), Markus Blume (CSU) und Markus Rinderspacher (SPD) mit Kirchenrat Reiner Schübel über ihre Erfahrungen mit Ehrenamtlichen sowie verängstigten und aufgebrachten Bürgern.

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Das Gespräch ähnelte eher einem Erfahrungsaustausch als einer Diskussion. So erzählte Rinderspacher von seinen persönlichen Erlebnissen mit rechten Übergriffen in den vergangenen Jahren. Er sprach von einem Farbanschlag auf sein Münchner Bürgerbüro ebenso wie vom NSU-Mord an dem türkischen Gemüsehändler Habil Kiliç, der in unmittelbarer Nähe zum SPD-Büro arbeitete. "Dazu gehört auch der Tod des SEK-Beamten Daniel Ernst, der von einem sogenannten Reichsbürger umgebracht wurde und an dessen Trauerfeier ich kürzlich teilnahm."

Im Umgang mit Gewalt und rechtem Gedankengut habe ihm die Grundhaltung der christlichen Kirche geholfen, resümierte Rinderspacher. Verena Osgyan wies ergänzend auf das Handlungskonzept hin, das die evangelische Kirche in Bayern zum Umgang mit Rechtsextremismus auf der Frühjahrssynode 2016 in Ansbach beschlossen hat. Das Papier listet alle Projekte und Aktionen der Kirche im Freistaat auf. Kirchenrat Schübel: "Unsere Aktionen gegen Extremismus sind weitreichend. Sie haben zahlreiche Anknüpfungspunkte: von der evangelischen Kita über den Religionsunterricht an Schulen bis hin zur Erwachsenenbildung und Gefängnisseelsorge".

Für Osgyan stellt das Handlungskonzept auch eine Grundlage dar, um mit Andersdenkenden im Kontakt zu bleiben. "In einigen Gemeinden treffen engagierte Flüchtlingshelfer auf Wutbürger. Es ist wichtig, dass wir hier Empfehlungen für ein konstruktives Gespräch geben können." Der Bedarf an Hilfestellungen in der Abgrenzung von jenen Menschen, die mit einem Dialog nicht mehr zu erreichen sind, sei riesig. Osgyan: "Mittlerweile gibt es Kitas, die von Eltern infiltriert werden, um rechtes Gedankengut zu verbreiten."

"Kirche soll unbequem sein"

Die Angst vor einem grundlegenden Stimmungswandel machte dem SPD-Politiker Rinderspacher 2015 zu schaffen. Als in seinem Wohnviertel Trudering an der Fauststraße ein Flüchtlingsheim für 100 Bewohner geschaffen wurde, klingelten die Nachbarn bei dem Landtagsabgeordneten an der Tür. Ihr Auftrag an den Politiker: "Verhindern Sie das!" Rinderspacher ließ sich auf die Diskussionen ein und forderte seine Nachbarn dazu auf, den Flüchtlingen unbefangen zu begegnen. Jenen, die den Verlust kostbarer Parkplätze befürchteten, versicherte er: "Die kommen sicher nicht mit einem Porsche nach Deutschland." Die Auseinandersetzungen haben sich gelohnt. Gerade die skeptischen Anwohner hätten sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, erzählt Rinderspacher: "In diesem Beispiel ist die Stimmung ins Positive gekippt." Allein in Sachen Mülltrennung am Flüchtlingsheim hätten die Truderinger noch Diskussionsbedarf.

Ähnlich gute Erfahrungen machte CSU-Politiker Markus Blume in seiner Bürgersprechstunde. Eine verängstigte Anruferin konnte er dazu animieren, Kontakt zum Helferkreis aufzunehmen. Sie hatte berichtet, dass sie sich nach der Ankunft der Flüchtlinge in der Gemeinde nicht mehr allein in den Wald traut. Im Gespräch mit den Helfern wurden ihr laut Blume Befürchtungen genommen. Mehr noch: Sie engagierte sich am Ende selbst für die Geflohenen in ihrer Nachbarschaft.

Die Tatsache, dass gegen Pfarrer, die vor zwei oder drei Jahren Flüchtlingen Asyl gewährten, heute ermittelt wird, kritisierte Markus Rinderspacher. "Das Kirchenasyl hat eine große humanitäre Tradition. Ich kann keinen Missbrauch erkennen. Deshalb muss von den Ermittlungen Abstand genommen werden." Er kritisierte auch die bayerische Abschiebepraxis nach Afghanistan und zeigte Sympathie mit der Kirchenhaltung. "Kirche soll unbequem sein." Eine Überzeugung, die seine Diskussionspartner teilten. Schließlich entwickle sich in den evangelischen Gemeinde jene Wertebasis, auf deren Grundlage humanitäres Handeln erst möglich werde.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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