"Kirchheim 2030" in der Kritik:Dauerstau durch Kirchturmdenken

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Dichter Verkehr m Zentrum von Kirchheim. (Foto: Florian Peljak)

Feldkirchen und Pliening lehnen die Pläne für das große Neubauprojekt "Kirchheim 2030" der Nachbargemeinde ab. Die Kommunalpolitiker befürchten eine zu hohe Verkehrsbelastung und pochen auf eine gemeinsame Lösung.

Von Christina Hertel, Alexandra Leuthner und Nadja Tausche, Kirchheim

Bei Kirchheims Nachbargemeinden wächst Widerstand gegen das große Neubauprojekt der Gemeinde. Bis 2030 will Kirchheim ein neues Rathaus, Gymnasium, Ortspark, Krippe und Wohnraum für etwa 3200 Menschen schaffen.

Doch Feldkirchen und Pliening lehnen das Projekt nun ab. Sie fürchten mehr Verkehr, Abgase, Lärm und Stau. Grund zur Beunruhigung? Der Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) meint nein. Trotzdem wird deutlich: Eine übergreifende Lösung für den Verkehr im Osten Münchens muss her.

Die Verkehrsflächen seien bereits jetzt an ihren Leistungsgrenzen angekommen, schreibt die Gemeinde Feldkirchen in einer Stellungnahme. Die steigende Zahl an Autos führe zu "Dauerstau", "dauerhaften Geruchsbelastungen" sowie zu einer erhöhten Lärmbelästigung für die Feldkirchner Bevölkerung. Einstimmig verabschiedete der Gemeinderat dieses Schreiben in seiner jüngsten Sitzung, in dem er ein Gutachten zum steigenden Verkehr fordert. Kirchheim hatte seine Nachbarn zuvor um Stellungnahmen zu der geplanten Ortsentwicklung gebeten - so wie es das Baurecht vorsieht. Klar ist nun: Erfreut sind die Gemeinden nicht. Auch der Plieninger Bauausschuss verabschiedete in der Sitzung am Donnerstagabend eine negative Stellungnahme.

Daraus geht hervor, dass die Plieninger Gemeinderäte es kritisch sehen, dass Kirchheim für seine neue Ortsmitte keinen weiteren Supermarkt plant. Auch das Thema Verkehr macht ihnen Sorgen: Die "Leistungsfähigkeit" der Staatsstraße 2082 sei in den Spitzenstunden am Morgen bereits jetzt erreicht. Die Gemeinde weist außerdem darauf hin, dass sich bereits ein Arbeitskreis zum Thema Verkehr in der Region gebildet hat: Bürgermeister aus zehn Gemeinden aus den Landkreisen München, Ebersberg und Erding haben sich zusammengetan, um eine Lösung für die Verkehrsprobleme zu finden. Dass Kirchheim sich nun bloß auf sein eigenes Baugebiet fokussiere, erscheine unrichtig, schreibt Pliening - zumal es noch mehr Verkehr auslöse.

Eine Entlastungsstraße nur skizziert

Besonders aber ärgert man sich in Pliening darüber, dass eine mögliche Entlastungsstraße in den Plänen zwar angerissen, aber nicht weiter ausgeführt werde, weil - so die Begründung aus Kirchheim - diese Straße hauptsächlich den Nachbargemeinden zugute komme. Lediglich das "Kirchheimer Ei", ein Kreisel auf der 2082 soll in eine Kreuzung mit Ampel umgebaut werden. "Ich glaube nicht, dass das ausreicht", sagte Plienings Bürgermeister Roland Frick (CSU). Kirchturmdenken, das sei etwas, was er nicht ausstehen könne, sagt er. Deshalb gehört er zu den treibenden Kräften hinter der Zwölf-Kommunen-Initiative für ein gemeinsames Verkehrskonzept im Münchner Osten.

Sorgen mache er sich wegen der Kritik nicht, sagt der Kirchheimer Bürgermeister Böltl. "Das ist gar nichts Besonderes. Wir lehnen ja auch immer wieder Bauvorhaben aus anderen Gemeinden ab." Fakt sei aber auch: Dadurch, dass die Gemeinden immer weiter wachsen, müsse man sich noch stärker untereinander abstimmen. "Wir rücken einfach insgesamt näher zusammen." Grundsätzlich hält Böltl die Ortsentwicklung aber für richtig: "Die Gemeinden im Landkreis München sind seit den Achtzigerjahren im Schnitt um 3500 Einwohner gewachsen." In Kirchheim aber habe es praktisch keinen Zuzug gegeben. Es gebe also etwas nachzuholen. Und selbst wenn seine Gemeinde in den nächsten zwölf Jahren auf etwa 16 000 Einwohner anwachse, sei das immer noch unterdurchschnittlich - verglichen mit anderen Kommunen in der Nachbarschaft.

Die Einwände will er trotzdem ernst nehmen, wie er bekundet. Beim Thema Verkehr müssten tatsächlich große Lösungen her, sagt Böltl. Vorstellbar ist aus seiner Sicht eine Umgehungsstraße von der Flughafentangente vorbei an Pliening und Landsham, durch Grub und Parsdorf auf die Autobahn A 94. "Es ist klar, dass die Staatsstraße langfristig nicht ausreicht." Deshalb unterstütze er die Verkehrskoalition in Münchner Osten auch.

Entstanden ist diese übrigens erst durch einen Streit: Denn Kirchheim wollte Plienings Pläne für eine Umgehungsstraße nicht zustimmen. Man befürchtete, dass dadurch das eigene Verkehrsnetz noch mehr belastet werde. Grundsätzlich wolle er sich nicht gegen eine Umgehungsstraße sperren, sagt Böltl. Ihm sei klar, dass Pliening und Landsham eine Umfahrung bräuchten. "Aber auch die wird den Verkehr nicht plötzlich wegzaubern. Wir brauchen auch Radwege und besseren öffentlichen Nahverkehr."

Nichts ändern will Böltl an den Plänen, in der neuen Ortsmitte keinen weiteren Supermarkt anzusiedeln. "Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, um unsere Ortskerne nicht zu schwächen." Und bei dieser Linie bleibe er auch.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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