Integration:Wie Muslime Flüchtlingen helfen

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Auch in zahlreichen Moscheen wird den Flüchtlingen geholfen. (Foto: dpa)
  • Die Flüchtlingshilfe der Münchner Muslime springt an vielen Stellen ein, um Neuankömmlingen zu helfen.
  • Die Muslime, die in München helfen, haben oft selbst Erfahrung als Flüchtlinge und sprechen verschiedene Sprachen.

Von Katja Riedel

Am kommenden Sonntagabend wird es in der Münchner Funkkaserne wohl viele gut frisierte Männer geben. Zehn Friseure werden den Flüchtlingen dort am Nachmittag kostenlos das Haupthaar stutzen. Es ist eines von vielen Beispielen, mit denen die Flüchtlingshilfe der Münchner Muslime ganz praktisch einspringen will. Etwa 1000 Münchner muslimischen Glaubens und viele muslimische Verbände gehören dieser Gruppe an. Angepackt haben viele von ihnen längst, bisher ohne laut darüber zu sprechen.

Ihr Glaube verbietet es eigentlich, über Mildtätigkeit zu sprechen, tue Gutes, aber schweige, denn Gott sieht ohnehin alles. Das soll nun dennoch anders werden, aus gutem Grund: "Für Nichtmuslime ist es gut zu wissen, dass Muslime helfen", sagt Sokol Lemaj, der einst selbst als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist.

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Schlafende Flüchtlinge in der Bahnhofshalle, an denen Reisende mit ihren Koffern vorbeieilen - in München geht das. Und ist kein Zeichen für mangelnde Anteilnahme.

Heute spricht Lemaj nicht nur für die Vereinigung der Ehrenamtlichen, er ist auch Vorsitzender des Muslimrats. Er wisse, es gebe auch Stimmen, die Angst hätten, weil es nun so viele neue Mitbürger gebe, die einen ihnen fremden Glauben haben. Aber: "Wir sind alle Münchner, alle Deutsche", sagt Lemaj. "Viele von uns sind hier geboren oder zur Schule gegangen. Wir unterscheiden nicht, woher die Flüchtlinge kommen."

Aida Dedovic, die informelle Leiterin der neuen Vereinigung, ergänzt: "Wir sind alle multilingual, wir haben einen großen Erfahrungsschatz." Diese Erfahrung haben sie zuletzt auch eingebracht. Vor allem am Hauptbahnhof und in den Notquartieren, aber auch in den Unterkünften in der Bayern- und Funkkaserne. Sie haben gedolmetscht, sie haben Spenden bei Unternehmen gesammelt, sie haben sich in die Helferlisten eingetragen, nicht als Muslime, sondern als Personen, die Farsi können oder Essen austeilen wollen. Und denen sich gerade neu ankommende Flüchtlingsfrauen mitunter leichter öffnen, wenn auch ihr Gegenüber in der Helferweste ein Kopftuch trägt.

Das alles sei "eine Riesenchance" - für München und für die Münchner Muslime und um Vorurteilen vorzubeugen, sagt Aida Dedovic. Vorurteilen, die auch mit latenter Islamophobie zu tun hätten. Das Münchner Engagement für Flüchtlinge, aber auch zuvor der Widerstand gegen die Pegida-Bewegung, haben sie tief beeindruckt. "München ist geil", spitzt Aida Dedovic zu. "Wir haben tolle Bilder durchs Land geschickt." Daraus müsse nun Dauerhaftes entstehen.

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Erst sei es um viele kleine Dinge gegangen, mal hier aus Spenden Hunderte Kilo Couscous kaufen, mal Datteln zur Unterkunft in der Messe bringen. Jetzt geht es dem Helferkreis Münchner Muslime um mehr als Nothilfe, es geht um Integration. Sie haben darum Pläne für ein langfristiges Engagement. "Ich weiß ja noch, wie es mir ergangen ist, was ich am dringlichsten gebraucht habe", sagt Sokol Lemaj. Zum Helferkreis gehört auch der Penzberger Imam Benjamin Idriz vom Münchner Forum für Islam. Er führt bereits Gespräche mit dem städtischen Sozialreferat, um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge öfter in Migrantenfamilien als Pflegekinder unterbringen zu können.

Viele Pläne für langfristiges Engagement

Sie wollen auch mehr muslimische Ärzte, vor allem Ärztinnen, gewinnen, denn es gebe viele medizinische Tabuthemen, die gerade Flüchtlingsfrauen nur mit Glaubens- und Geschlechtsgenossinnen besprechen könnten. Geplant sind Patenschaften für Kinder und Integrationslotsen für Erwachsene, Sprachtandems und Vermittlungsdienste - die sie auch den Behörden in Stadt und Land anbieten. Idriz spricht noch einen Punkt an, der vor allem die muslimischen Gemeinden selbst vor eine ganz eigene Agenda stellt.

Auch das Innenleben der Moscheen sei mit der Ankunft der Flüchtlinge sehr bunt geworden. Gab es zuvor viele rein türkische oder bosnische Gemeinschaften, so lasse sich dies so von nun an nicht mehr trennen. "Wir sind auch in einem Integrationsprozess", sagt der Imam. "Auch für uns ist das eine große Herausforderung, dass die Flüchtlinge sich in einer Moscheegemeinde gleichwertig fühlen." Hier müssten diejenigen Gemeindemitglieder, die arabischstämmig seien, helfen. Sagt er und lächelt.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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