Siebenbrunn:Bei Bärs ums Eck

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In der Gaststätte Siebenbrunn wird in Tracht serviert. (Foto: Claus Schunk)

Erst Edelsitz, dann Schuhfabrik: Das Siebenbrunn am Zoo ist noch älter als der 103-jährige Tierpark Hellabrunn. Seit kurzem ist das Lokal wieder genau das, was es lange war: eine Münchner Ausflugsgaststätte mit viel Grün und deftiger Kost.

Von Alois Gudmund

Nela und Nobby mögen am liebsten Melone, und wenn sie sich auf die Früchte stürzen, drücken sich jedes Mal Hunderte die Nasen am 32 Millimeter dicken Panzerglas platt. Immerhin sind N&N, sechs Monate alt, die derzeit wohl beliebsten Kindl Münchens. Da können weder die drei Flinkwallabys noch die zwei Roten Varis und nicht einmal das kleine Zweizehenfaultier mithalten, die in den vergangenen Monaten das Licht des Tierparks Hellabrunn erblickten.

Vor allem die beiden Eisbärenbabys locken mit ihrem weißen Pelz an sonnigen Wochenendtagen deutlich mehr als 10 000 Besucher in den Zoo - Massen also, die sich nicht mit ein paar Stücken Honigmelone und der fetthaltigen Milch aus Giovannas Bärenmutterbrust verköstigen lassen.

Es gibt in Hellabrunn natürlich das Tierparkrestaurant, das Café Rhino und die Pizzeria mit Flamingo-Blick. Aber außerhalb, gleich neben dem Weg zum Bus und zu den Parkplätzen, liegt eine Institution, die noch viel älter ist als der auch schon 103-jährige Tierpark. Das Gasthaus Siebenbrunn wurde bereits Mitte des 18. Jahrhunderts erwähnt, noch nicht als Wirtschaft, sondern als "adelicher Süz", welchen Kurfürst Max III. Joseph seinem Leibmedicus Johann Josef von Perger zuerkannte und der "gleichwie der ohrt vorhin Sibenbrun genent werden solle".

Die Fabrikanten Schmalz und Fehr ließen Stiefel nähen

Später war der Edelsitz - "1 Salon und 12 Zimmer, sämmtlich geschmackvoll meubliert und tapeziert", dazu unter anderem "eine grosse Küche mit laufendem Wasser", eine "Stallung auf 4 bis 6 Pferde, Remise und alle übrigen Bequemlichkeiten" - für die Sommerzeit "an eine Herrschaft" zu vermieten.

Von viel Grün umgeben lässt es sich vor dem Wirtshaus sehr schön sitzen. (Foto: Claus Schunk)

Es wurde umgebaut und neu gebaut, die Fabrikanten Schmalz und Fehr ließen hier Stiefel und Sandalen nähen. Und dann wurde aus dem "3/4 Stunden von München entfernten, auf dem Wege nach Harlaching und der beliebten Menterschwaige gelegenen" Siebenbrunn eine Ausflugsgaststätte.

In den vergangenen Jahren war es in dem Wirtshaus am Fuß des Harlachinger Berges trotz der Lage am Tierpark nicht immer rund gelaufen. Pächter wechselten in schneller Folge, lange blieb das Traditionshaus ganz geschlossen, bis vor zwei Jahren der jetzige Wirt den denkmalgeschützten Ex-Edelsitz wieder belebte - was nicht nur aus ortsgeschichtlichen Gründen sehr zu loben ist. Heute nämlich ist das Gasthaus Siebenbrunn wieder genau das, was es lange war: eine durchaus klassisch zu nennende Münchner Ausflugsgaststätte.

Von viel Grün umgeben lässt es sich gerade vor dem Wirtshaus sehr schön sitzen. Unter Kastanien breitet sich auf Kieseln der großzügige Wirtsgarten aus, daneben stehen die Schankbuden für den kleineren Biergarten. Die nahe Straße stört gar nicht, und ängstliche Eltern können den Spielplatz und die gleich drei Hüpfburgen im Auge behalten, ohne vom Tisch aufstehen zu müssen.

Drinnen im Gastraum kleidet helles Holz die niedrigen Wände, die Wirtschaft gibt sich bayerisch-bodenständig. Die Kellnerinnen tragen Dirndl, waren bei unseren Besuchen stets flink und überaus freundlich zur Stelle und bewahrten ihre herzliche Geduld auch dann, wenn Scharen von Kindern die Steckerleis-Truhe neben der Schanktruhe belagerten.

Wirklich leicht und trotzdem spargelig

Der Hausherr ist übrigens Franke und bietet darum einiges von "wou de Wirt herkummmmmt", wie die Speisekarte m-reich erklärt. Natürlich gibt es hier auch Bradwörschd - aber der Reihe nach: Die leichte Spargelcremesuppe war tatsächlich nicht von der sahnig-schweren Art, sondern eben wirklich leicht und trotzdem spargelig. Auch die - allerdings verdächtig saisonfern angebotene - Waldpilzrahmsuppe roch und schmeckte ordentlich nach Schwammerln. Die Sauren Zipfel schwammen würzig in ihrem Zwiebelsud, dem allenfalls eine großzügigere Beigabe von Suppengemüse noch gutgetan hätte.

Beim Schäufele jedoch, dem fränkischen Paradestück aus der Schweineschulter, schlampte die Küche - und zwar ziemlich gewaltig. Zwar löste sich das Fleisch gut vom Knochenblatt, aber außen war es so hart und trocken, als sei es sehr lange unterm Wärmelicht gelagert worden. Der Kartoffelknödel dazu hatte das heiße Knödelwasser wohl nur sehr kurz gesehen, er war innen fast noch roh und kaum zu genießen.

Dass sie hier ordentliche Wirtshauskost liefern können, bewies dagegen der Zwiebelrostbraten: das zarte Fleisch, wie bestellt, rosig gebraten, die Bratkartoffeln zwar ungeschält und etwas grob geschnitten, aber zum richtigen Bräunungsgrad gebraten, die Speckbohnen noch bissfest.

Die Bayrische Creme zum Nachtisch war locker, auf dem fränkischen Urrädle (für Hiesige am besten mit Auszogne zu übersetzen) häufte sich neben Früchten und Vanilleeis ein Berg Schlagsahne, dessen Kalorienzahl manches Geschöpf im benachbarten Zoo wochenlang in Bewegung halten könnte - vielleicht nicht einen Eisbären, aber doch das Zweizehenfaultier.

Fazit: In ein Ausflugslokal fährt ohnehin keiner allein des Essens, sondern vor allem der hübschen Umgebung wegen. Die Preise bewegen sich zwischen 3,60 für eine Suppe und 17,90 Euro für das teuerste Hauptgericht, dazu gibt es günstige Kinderteller - noch ein Punkt für die Familienfreundlichkeit. Die Halbe Bier kostet 3,60 Euro und kommt aus der Spaten-Brauerei.

© SZ vom 12.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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