Konzertsaal:Gasteig-Sanierung: "Blamage für die Musikstadt München"

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Das BR-Symphonieorchester hält nicht viel von einem Ausweichquartier in Riem und will lieber häufiger den Herkulessaal nutzen. (Foto: Florian Peljak)
  • Während der Gasteig renoviert wird, brauchen die Münchner Orchester eine andere Spielstätte - derzeit zeichnet sich ein Provisorium in der Messestadt Riem ab.
  • Die freien Konzertveranstalter drohen jedoch mit einem Boykott des Ausweichquartiers.
  • Auch aus der Stadtkämmerei droht ein Veto. Sie möchte die Orchester in die Kleine Olympiahalle schicken.

Von Christian Krügel

Ein ganz neues Konzerthaus im Werksviertel, eine runderneuerte Philharmonie im Gasteig, dazu ein komplett umgebauter Carl-Orff-Saal: München wird beste Voraussetzungen haben, dass die klassische Musikszene noch prächtiger als heute blüht - irgendwann Ende des nächsten Jahrzehnts. Bis dahin werden Musikfreunde allerdings harte Jahre durchleben. Zumindest legen das die Pläne des Kulturreferats für eine Interims-Philharmonie in der Messestadt Riem und die harschen Reaktionen darauf nahe.

Die freien Konzertveranstalter drohen bereits mit einem Boykott des Ausweichquartiers. Und auch das BR-Symphonieorchester (BRSO) warnt: "Bei einem derart dezentralen Standort über mehrere Jahre muss man von empfindlichen Auswirkungen auf das Münchner Musikleben ausgehen", sagt dessen Manager Nikolaus Pont.

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Der aktuellen Planung für die Gasteig-Sanierung zufolge sollen spätestens 2021 die Bauarbeiten im Kulturzentrum beginnen. Die Philharmonie stünde damit schon von der Saison 2020/21 an nicht mehr zur Verfügung. Eine Verschiebung, bis das neue Konzerthaus des Freistaats im Werksviertel fertig ist, stellt offenbar keine Option dar: Niemand rechnet mit einer Eröffnung vor 2024. Das bedeutet: Mindestens vier Jahre lang wird es in München keinen großen Konzertsaal mehr geben, Herkulessaal und Prinzregententheater sind schon jetzt in vielen Monaten ausgebucht.

Das Kulturreferat warnt den Stadtrat vor den wirtschaftlichen Folgen: Allein die Philharmoniker (rund 15 000 Abonnenten) verzeichneten bei ihren rund 70 Konzerten jährlich 190 000 Besucher und 4,2 Millionen Euro an Ticketerlösen. Hinzu kommen das BRSO (rund 11 000 Abonnenten) sowie private Musikveranstalter. Die Münchner Philharmoniker häufiger auf Tourneen zu schicken, bringe nichts, denn schon heute seien sie in allen wichtigen Musikstädten der Welt regelmäßig zu Gast.

Deswegen müsse es unbedingt eine Interims-Philharmonie geben - und dafür präferiert das Kulturreferat den Bau eines Saals aus Fertigteilen auf einem Grundstück an der Olof-Palme-Straße in der Messestadt Riem. Das Areal gehöre der Stadt und zeichne sich "durch seine unkomplizierte Verfügbarkeit" aus. Das Planungsreferat nennt es "aus städtebaulicher Sicht für die Weiterentwicklung von Riem gut geeignet", und trifft damit auch den Nerv der Stadtrats-Grünen. Deren Chef Florian Roth hatte Riem bevorzugt, nachdem die Deutsche Post allen Überlegungen für eine kulturelle Nutzung der Paketposthalle eine Absage erteilt hatte.

Das Grundstück in Riem wird wohl reserviert

Die Stadträte werden wohl Anfang April der Empfehlung des Kulturreferates folgen und das Riemer Grundstück zumindest für einen Interims-Konzertsaal reservieren, um dann im Herbst endgültig zu entscheiden. Der Ersatz-Saal soll maximal 37 Millionen Euro kosten. Zum Vergleich: Ein Holz-Ersatzquartier der Genfer Oper kostete 2016 nur 11,8 Millionen Euro. Nicht nur deswegen findet die Kämmerei die Pläne völlig übertrieben.

Zum einen entgingen der Stadt rund 30 Millionen Euro, die sie eigentlich in den kommenden Jahren aus dem Verkauf des Riemer Grundstücks erzielen wollte. Zum anderen sei es "nicht ersichtlich, dass, bei einer für den Steuerzahler sehr teuren Generalsanierung des Gasteig, nicht während der Interimsspielzeit Einschränkungen für die Philharmoniker und deren Publikum in Bezug auf die Besucherzahl, Standort und akustische Anforderungen akzeptabel sind", heißt es in der Stadtratsvorlage. Deshalb würde die Kämmerei die Orchester am liebsten in die Kleine Olympiahalle schicken.

Das drohende Veto der Kämmerei wie auch der Standortvorschlag Riem führen in der Münchner Musikszene zu Kopfschütteln. Von "totaler Ignoranz im Rathaus" und einer "Blamage für die Musikstadt München" ist die Rede. So teilten die freien Konzertveranstalter dem Kulturreferat bereits vor einiger Zeit mit, dass sie sich allenfalls mit einem Interimsquartier in der Paketposthalle anfreunden hätten können, niemals aber mit einem Ersatz-Standort in Riem.

Der Herkulessaal hat deutlich weniger Plätze als der Gasteig

Münchens größter Konzertveranstalter Andreas Schessl, der viele internationale Orchester in die Stadt holt, legte am Wochenende noch einmal nach: "Ich werde diesen Saal nicht nutzen. Das ist dem Publikum zu weit draußen", sagte er der Abendzeitung. Und das BR-Symphonieorchester überlegt bereits, wie es seine Abonnenten neu verteilen könnte. "Wir würden versuchen, bis zur Eröffnung des neuen Konzerthauses im Werksviertel unsere Gasteig-Abos hauptsächlich in den Herkulessaal zu verlegen", sagt Nikolaus Pont. Der Saal bietet allerdings rund 1300 Plätze weniger als die Philharmonie.

Etwas gemäßigter formulieren es die Münchner Philharmoniker. Deren Sprecher Christian Beuke warnt aber auch vor drohenden Einnahmeverlusten, wenn das Publikum den weiten Weg nach Riem nicht antreten wolle: "Ein Standort näher am Zentrum wäre uns natürlich lieber." Sein Orchestervorstand hat nachdrücklich für eine Nutzung des alten Kongresssaales des Deutschen Museums geworben - was bei den Verantwortlichen des Museums bislang auf taube Ohren stieß.

Die größte Hoffnung der Musiker: Die Stadt könnte sich in den nächsten Monaten mit dem Freistaat einigen, ein staatliches Grundstück in der Innenstadt zu nutzen, etwa auf dem Museumsareal. Doch bislang gab es zwischen Rathaus und Kultusministerium darüber noch nicht einmal Gespräche.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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