Kommunalwahl in Moosburg:Neue Zeiten

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Der barrierefreie Ausbau der Innenstadt und der Austausch des ungeliebten Kopfsteinpflasters liegt vielen Wahlkämpfern am Herzen (Foto: Marco Einfeldt)

Nach 18 Jahren als CSU-Bürgermeisterin tritt Anita Meinelt bei der Wahl nicht mehr an. Acht Kandidaten bewerben sich um ihre Nachfolge, doch wahrscheinlich wird das Rennen unter den "großen Drei" entschieden.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Als Moosburgs Bürgermeisterin Anita Meinelt (CSU) vor 18 Jahren ihr damals neues Amts antrat, startete sie - wie viele Bürgermeister- und Stadtratskandidaten das auch heute vorhaben - eine Digitaloffensive. Als Erstes habe sie angeordnet, erzählte sie damals im SZ-Interview, "dass mir ein PC ins Amtszimmer gestellt wird". Dem Vernehmen nach soll es im Moosburger Rathaus inzwischen schon mehrere Büros geben, in denen ein PC steht. Recht viel mehr, werden böse Zungen jetzt behaupten, ist in dem Bereich seitdem jedoch nicht passiert. Digital im Jahr 2020 angekommen, meint etwa die neue Gruppe Fresh, ist Moosburg längst noch nicht.

Georg Hadersdorfer, CSU

Georg Hadersdorfer, CSU

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(Foto: Marco Einfeldt)

GEORG HADERSDORFER (CSU): Der 58-Jährige bezeichnet sich als "Moosburger durch und durch" und will als Nachfolger seiner Parteikollegin Anita Meinelt nun mindestens die kommenden sechs Jahre lang die Geschicke seiner Geburtsstadt leiten. Als Betriebsleiter der Heinz-Tochterfirma GEO trägt er Verantwortung für rund 30 Mitarbeiter. Hadersdorfer, den viele Moosburger unter seinem Spitznamen "Hadschi" kennen, ist verheiratet, hat eine Tochter und eine Enkelin. Er war früher als Eishockeyspieler und Trainer beim EV Moosburger aktiv und ist heute unter anderem als Fußballtennisspieler, Übungsleiter und Zweiter Vorsitzender des RGSV Moosburg immer noch dem Sport sehr verbunden. Hadersdorfer sitzt seit 1999 im Stadtrat, zunächst für die Freien Wähler und jetzt für die CSU. Seit 2002 bekleidet er das Amt des Sportreferenten.

Michael Stanglmaier, Grüne.

Michael Stanglmaier, Grüne.

MICHAEL STANGLMAIER (GRÜNE): Der promovierte Biochemiker Stanglmaier - 56 Jahre alt, in Freising geboren, seit mehr als 50 Jahren in Moosburg zu Hause, derzeit Dritter Bürgermeister und seit vielen Jahren Stadt- und Kreisrat - ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er arbeitet derzeit für eine Nicht-Regierungsorganisation und war zuvor unter anderem in der Krebsforschung tätig. Stanglmaier ist seit 2002 Energie- und Umweltreferent des Stadtrats, Experte im Bereich Fahrradverkehr und Stellvertretender Vorsitzender des ADFC Bayern. Man könnte sagen, er ist eine Art Moosburger Umweltminister. Von Mai an würde er nun gerne als Erster Bürgermeister Verantwortung fürs Große und Ganze übernehmen, "ein Klima der Wertschätzung und Offenheit schaffen und alle gesellschaftlichen Gruppen in die weitere Entwicklung einbinden".

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(Foto: Marco Einfeldt)

JÖRG KÄSTL (ÖDP): Der Name der Homepage ist Programm: Die Moosburger ÖDP ist im Internet unter der Adresse auf-ins-rathaus.de zu finden - zum zweiten Mal geht sie dieses Ziel mit Jörg Kästl als Bürgermeisterkandidat an. Der 49-jährige Krankenkassenfachwirt ist verheiratet und Vater zweier Söhne. Der frühere Kreisrat scheiterte zwar 2014 wie seine Mitbewerber bei der Bürgermeisterwahl an Amtsinhaberin Anita Meinelt (CSU), zog aber gleich im ersten Versuch in den Moosburger Stadtrat ein. In den vergangenen sechs Jahren machte er sich als überzeugter Zugfahrer nicht nur durch den regelmäßigen Hinweis der Bürgermeisterin in den Stadtratssitzungen ("Der Herr Kästl kommt später") einen Namen, sondern setzte sich als Finanzreferent auch stets für eine solide und seriöse Haushaltspolitik ein.

PHILIPP FINCKE (FDP): Sein Interesse für die Kommunalpolitik entdeckte Philipp Fincke in einer Jugend-Diskussionsgruppe, deren Mitglieder sich heute für unterschiedliche Parteien um ein Amt bewerben. Verena Kuch (Grüne) und Lena Zehetbauer (SPD) kandidieren für den Moosburger Stadtrat, Benedikt Flexeder (CSU) will in Haag Bürgermeister werden. Fincke, Gründungsmitglied des sozialen Tante-Emma-Vereins, entschied sich für die Freien Demokraten. Er stehe zu 100 Prozent hinter der "Ideologie des Liberalismus", sagt Fincke, der das Freisinger Camerloher-Gymnasium besucht hat und heute ausgebildeter Bankfachwirt ist. Der 26-Jährige, der für die FDP bereits 2018 für den Bezirkstag kandidiert hat, ist verheiratet und wohnt im Ortsteil Aich, dessen Eishockeyverein er sich als "Fan" verbunden fühlt.

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(Foto: Marco Einfeldt)

JOSEF DOLLINGER (FW): Bereits zum dritten Mal bewirbt sich Josef Dollinger, 60, in diesem Jahr um den Chefposten im Moosburger Rathaus. Dollinger, verheiratet und Vater einer Tochter, sitzt seit 2002 im Stadtrat und seit 2008 im Kreistag. Er ist Heilpraktiker sowie Betreiber der Rosenhof-Lichtspiele. Inzwischen hat er die Leitung des Kinos samt Gastronomie an seine Tochter übergeben. Dollinger ist Mitglied zahlreicher Vereine, ein passionierter Handwerker und Spezialist für Bauprojekte aller Art. Derzeit ist er Zweiter Bürgermeister, FW-Fraktionsvorsitzender sowie Bau- und Liegenschaftsreferent des Stadtrats. Das Vizebürgermeisteramt hätte 2014 zunächst sein damaliger Fraktionskollege, Georg Hadersdorfer übernehmen sollen, der später zur CSU wechselte. Doch Dollinger meldete dann selbst sein Interesse an und wurde schließlich gewählt.

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(Foto: Marco Einfeldt)

GUNNAR MARCUS (SPD): In Witten bei Dortmund geboren, ist Gunnar Marcus, Jahrgang 1974, ein Kind des Ruhrgebiets. Nach der Lehre als Brauer und Mälzer kam er zum Studieren nach Weihenstephan. Inzwischen arbeitet er als Abteilungsleiter für IT bei einem Freisinger Unternehmen. Durch seine aus Moosburg stammende Frau, mit der er zwei Söhne im Alter von sieben und dreieinhalb Jahren hat, zog Marcus Ende 2010 schließlich in die Dreirosenstadt. In Marcus hat die örtliche SPD, die früher Jahrzehnte lang die Geschicke im Rathaus bestimmt hat, erstmals seit 18 Jahren wieder einen Bürgermeisterkandidaten. Als Zugezogener ist Marcus nicht so stark in der Stadt verwurzelt wie mancher Konkurrent und verfügt zudem über weniger politische Erfahrung. Das will er mit neuen Ideen für Moosburgs Zukunft wettmachen.

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STEFAN JOHN (LINKE): Der erst 24-jährige Stefan John ist einer von fünf amtierenden Stadträten, die um das Amt des Moosburger Bürgermeisters konkurrieren. John rückte im Dezember 2017, damals erst 22 Jahre alt, für den erkrankten und vor knapp zwei Jahren verstorbenen Johann Zitzlsberger nach. Der Linken-Politiker arbeitete sich gewissenhaft in sein neues Amt ein und fiel zunehmend mit Wortbeiträgen und Anträgen auf. So beantragte er etwa das Feuerwerksverbot in der Moosburger Innenstadt oder kostenloses Wlan in der Stadtbücherei. John, ledig und Student an der TU München, tritt vor allem "eine soziale und gerechte Stadt" ein und versteht sich als Stimme der Schwachen. Der 24-Jährige ist einer von zwei Mittzwanzigern unter den acht Bürgermeisterkandidaten und der jüngste Bewerber von allen.

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GERHARD-MICHAEL WELTER (AFD): Der AfD-Kandidat ist wohl der einzige Bewerber, der schon deutschlandweit für mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat. Das war 2015, als er noch als Kassier der Moosburger CSU sich auf Facebook als NAZI im Sinne von "Nicht An Zuwanderung Interessiert" bezeichnete. Der heute 52-jährige, verheiratete Maschinenbau-Vertriebstechniker, Vater zweier erwachsener Kinder, trat schließlich aus der CSU aus. Später schloss Welter, der in Schorsten, Siebenbürgen, aufgewachsen ist, sich der AfD an. Seine Facebookposts sind bis heute umstritten. Doch der Vorwurf, "ich würde Hass und Hetze im Netz verbreiten, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit", so Welter. Als Bürgermeister wolle er die Menschen dazu bringen, "an einem Strang zu ziehen, miteinander und nicht gegen- oder übereinander zu sprechen".

Eine Einsicht, die sich eigentlich bei allen neun Parteien und Gruppierungen durchgesetzt hat, die für die Kommunalwahl am 15. März eine Stadtratsliste aufgestellt haben. Das dringend nötige Vorantreiben der Digitalisierung ist nur eines von vielen Themen und Schwerpunkten, in denen sich die Wahlprogramme sehr ähneln. Man könnte sagen: Über die Grundausrichtung - zumal viele Projekte wie Hallenbadneubau und "Plan"-Sanierung längst beschlossen worden sind und nun umgesetzt werden müssen - herrscht überwiegend Konsens. Die Unterschiede liegen oft im Detail beziehungsweise in der Art der Umsetzung.

Es ist unwahrscheinlich, dass der neue Bürgermeister bereits am Abend des 15. März feststehen wird

Diese zu moderieren und mehrheitsfähige, überparteiliche Kompromisse zu schmieden, wird Aufgabe des neuen Bürgermeisters sein, der sein Verhandlungsgeschick voraussichtlich in einem noch bunteren Stadtrat wird unter Beweis stellen müssen, dem mehr Fraktionen angehören könnten als die derzeit sieben. Anita Meinelt, die ein relativ gutes Geschick in dieser Disziplin entwickelt hat, wird definitiv nicht mehr diejenige sein, der diese Aufgabe künftig zuteil wird. Nach 18 Jahren im Amt tritt sie nicht mehr zur Wahl an. Die Wähler müssen nun entscheiden, ob Georg Hadersdorfer (CSU), Michael Stanglmaier (Grüne), Josef Dollinger (FW), Gunnar Marcus (SPD), Jörg Kästl (ÖDP), Stefan John (Linke), Philipp Fincke (FDP) oder Gerhard-Michael Welter (AfD) die Geschicke der Stadt von Mai an lenken soll.

Die junge Gruppierung Fresh, die relativ kurzfristig ins Rennen um die politischen Ämter mit eingestiegen ist, stellt zwar eine Liste, aber keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten. Dass der neue Moosburger Bürgermeister bereits am Abend des 15. März feststehen wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Wer zwei Wochen später die beiden Kandidaten sein könnten, die in die Stichwahl gehen, scheint offen, wenngleich es einige Favoriten gibt. Josef Dollinger, der nicht nur davon ausgeht, die Stichwahl zu erreichen, sondern davon überzeugt ist, im dritten Anlauf endlich zum Bürgermeister gewählt zu werden, wirft im Wahlkampf gerne seine langjährige Kreistags- und Stadtratserfahrung und nicht zuletzt seinen Posten als Meinelts Stellvertreter in die Waagschale. Dadurch sei er bereits jetzt in viele Projekte involviert, die er dann nahtlos fortsetzen könne. Georg Hadersdorfer, auch er ein Routinier in Sachen Stadtratsarbeit, kommt aus dem Stall der amtierenden Bürgermeisterin und gehört zudem der größten Fraktion in dem Gremium an. Michael Stanglmaier, ebenfalls seit Jahrzehnten eine feste Größe in der Kreis- und Stadtpolitik, profitiert neben seinem fundierten Fachwissen unter anderem in Energie- und Umweltfragen womöglich auch von der grünen Welle des Erfolgs, die seine Partei derzeit deutschlandweit reitet. Er komplettiert die "großen Drei", denen, wenn man sich in der Stadt so umhört, die besten Chancen auf das Erreichen der Stichwahl eingeräumt werden. Allen anderen Kandidaten bleibt mutmaßlich nur die Außenseiterrolle. Sie könnten von ihrer Bewerbung um das Bürgermeisteramt jedoch insofern profitieren, als diese die Aussicht auf einen Platz im neuen Stadtrat erhöht.

Bezahlbarer Wohnraum, Klimaschutzkonzept und Innenstadtsanierung gehören zu den wichtigsten Themen

Und auf diesen wird es letztlich ankommen, dort gilt es, sich die Mehrheiten für die vielfältigen Aufgaben und Projekte zu sichern, die in den kommenden Jahren ins Haus stehen. Neben der Digitalisierung, der sich etwa Fresh in besonderem Maße verschrieben hat, ist das auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und Sozialwohnungen, die sich vor allem SPD, Linke und Grüne auf die Fahne geschrieben haben, die in der einen oder anderen Form aber auch bei CSU, FW und ÖDP im Programm zu finden ist. Auch die Erarbeitung eines umfassenden Verkehrskonzepts ist ein im Wahlkampf oft geäußertes Ziel.

An der Umsetzung des Klimaschutzkonzepts und dem Vorantreiben der Energiewende wird kein Weg vorbeiführen. Die Innenstadtsanierung - nach dem Plan stehen auch Stadtplatz, Gries, Weingraben und Herrnstraße auf der Agenda - ist ebenfalls ein Thema, das sämtliche Parteien und Gruppierungen in der einen oder anderen Weise beschäftigt. Barrierefreiheit und ein Austausch des ungeliebten Kopfsteinpflasters sind Ziele, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden. Auch eine Fußgängerzone ist in unterschiedlicher Ausformung bei vielen Parteien ein Thema. Während die FW temporäre Fußgängerzonen anstreben, setzt die ÖDP auf Begegnungszonen, in denen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. Ein mehrheitsfähiges Projekt könnte ein Mehrgenerationenhaus oder Haus der Begegnung sein, für das sich etwa Grüne, FW, CSU und Linke aussprechen. Auch ein Ärztehaus wird von vielen Seiten gefordert.

Der neue Stadtrat wird sich mit dem Thema Stadtentwicklung beschäftigen müssen

Ein Thema, das nicht zuletzt durch den Bebauungsplan des Rockermaier-Areals in jüngster Zeit in den Fokus von Öffentlichkeit und Lokalpolitik gerückt ist, ist die generelle Stadtentwicklung. Wie viel Wachstum verträgt Moosburg? Was ist dafür an Infrastruktur bereits vorhanden oder muss noch geschaffen werden, sei es Straßen, Schulen oder Kindertagesstätten? Wie viele Gewerbeflächen kann oder muss die Stadt ausweisen, um nicht allzu viel Fläche zu versiegeln und andererseits als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben? All diese Fragen treibt nicht nur viele Moosburger um, sondern wird auch den kommenden Bürgermeister und Stadtrat intensiv beschäftigen. Die Erarbeitung eines konkreten Stadtentwicklungskonzepts oder Handlungsleitfadens könnte da hilfreich sein. Beschäftigen wird die Stadträte auch die Gestaltung des Bahnhofs - sowohl die Sanierung oder der Neubau des von der Stadt gekauften Bahnhofsgebäudes als auch die mögliche Verlängerung des Fußgängertunnels Richtung Westen und die Gestaltung des gesamten Bahnhofsumfelds.

Und natürlich hat jede Partei oder Gruppierung auch ihre ganz eigenen, großen oder kleinen Ideen und Vorschläge: Die CSU will Mühlbachterrassen zur Erholung anlegen, die SPD das geeinte Europa auf kommunaler Ebene erlebbar machen, die Linke einen Stadtladen errichten, die ÖDP eine ehrenamtliche Studenten-Kneipe eröffnen, die FDP ein Gründerzentrum und einen Pop-up-Store installieren, Fresh eine Willkommensveranstaltung für Neubürger einführen, die AfD eine zweite Isarbrücke bauen, die Freien Wähler möchten zur Entlastung innerstädtischer Straßen einen Autohof für LKWs in Autobahnnähe errichten und die Grünen jedem Neugeborenen einen Apfelbaum schenken.

© SZ vom 17.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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