Freimann:Nach Munitionsfund: Die Anspannung bleibt

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  • Im Garten der Familie Meinberg aus Freimann wurden im Frühjahr Munition und Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg geborgen.
  • 50 000 Euro kostet es allein, die Schäden an Haus und Garten zu beseitigen.
  • Die Familie fürchtet, letztlich auf den Kosten sitzenzubleiben.

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Lange schon ist wieder Ruhe eingekehrt in die Siedlung rund um den Zwergackerweg in Freimann. Die Absperrungen sind abgebaut, die Kampfmittelräumer, Polizisten, Sanitäter längst abgerückt. Nur in einem Haus ist die Unruhe nicht verflogen.

Bei der Familie Meinberger will das Unbehagen nicht verschwinden. Mehr als zehn Tonnen hochexplosive Weltkriegs-Altlasten sind weg, doch die Anspannung ist geblieben. "Wir sind immer noch sehr besorgt, dass am Ende doch noch eine riesige Forderung auf uns zukommt", sagt Melitta Meinberger.

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Eigentlich müssten die Eigentümer dafür aufkommen, dass ihr Grundstück in Freimann von Sprengstoff befreit wird - nun will sich das Kreisverwaltungsreferat doch beteiligen.

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Die 72-Jährige steht auf den Überresten ihrer Terrasse, blickt auf die Schotterfläche, zu der ihr Garten im Frühjahr umgewühlt worden war. Die Frau ist gefasster als damals, als diese Siedlung westlich der U-Bahn-Station Kieferngarten rund um ihr Haus weiträumig abgesperrt war.

Denn es zeichnete sich ab, dass die Bergung von Munition und Sprengkörpern aus dem Zweiten Weltkrieg, die in ihrem Garten verbuddelt waren, langwierig und kompliziert werden würde - und teuer, sehr teuer.

Achteinhalb Monate nach der spektakulären Räumaktion ist die Grundstückseigentümerin zwar weiter im Ungewissen, wie hoch ihr finanzieller Schaden ausfallen wird. Doch ihr Anwalt Florian Englert ist zuversichtlich, dass sie alles ersetzt bekommt. Nach seiner Auffassung werden an Meinberger wohl zunächst die Kosten für die Wiederherstellung der Schäden hängen bleiben, die an Haus und Garten entstanden sind.

50 000 Euro dürften dafür nach seiner Schätzung anfallen. Das Geld will er, sobald die Höhe feststeht, aber von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), einer Bundesbehörde, einfordern. "Wenn sie das ablehnen, werden wir klagen", kündigt Englert an.

Gut 200 Nachbarn waren im März dieses Jahres von dem Munitionsfund betroffen; sie mussten für mehrere Wochen ihre Häuser verlassen, wurden von der Stadt in Hotels einquartiert. Die Experten häuften einen Erdwall als Schutz auf, gruben sich langsam mit Spezialgerät vor; das Fundament des Hauses musste mit Stahlträgern gesichert werden.

All dies trieb die Kosten in die Höhe, wobei schnell der Rechtsbegriff des "Zustandsstörers" bei diesem außergewöhnlichen Fall einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Als solche gelten Grundstückseigentümer, die wegen der gefährlichen Altlasten die öffentliche Ordnung bedrohen - und deshalb in die Pflicht genommen werden, gemäß dem Grundsatz "Eigentum verpflichtet". Zu zahlen ist die Bergung aus dem Boden - Abtransport und Beseitigung übernimmt die öffentliche Hand.

In einer eilig zusammengestellten Beschlussvorlage des Kreisverwaltungsreferats (KVR) hieß es: "Nach aktueller Schätzung werden die anteiligen Kosten für den Zwergackerweg aus der gesamten Kampfmittelbeseitigung den Wert des Grundstücks mit Haus voraussichtlich deutlich übersteigen." Die Meinbergers hätten also Haus und Hof verkaufen müssen, und am Ende hätten sie immer noch Schulden gehabt. Das sei nicht zumutbar, entschied der Stadtrat - und ging mit 2,2 Millionen Euro in Vorleistung.

Nach Auskunft des KVR sind bisher Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro aufgelaufen, darin enthalten sind allein 500 000 Euro für Sicherheitspersonal und die Unterbringung der ausquartierten Anwohner. Diesen Posten werde die Stadt freiwillig übernehmen, teilt das KVR mit.

Für den Rest sei ein Antrag bei der Bima auf Erstattung gestellt. Da der Ausgang des Verfahrens noch offen sei, könne derzeit nicht beurteilt werden, "ob oder welchen Betrag Frau Meinberger am Ende zu zahlen hat", sagt ein KVR-Sprecher. Er betont aber: Die Stadt habe sich stets kulant gegenüber der Familie gezeigt, die Belastung auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Das Mindestmaß, das wird nach Einschätzung von Meinbergers Anwalt wohl der Flurschaden sein, der am Grundstück entstanden ist: Die beschädigten Lichtschächte müssen hergerichtet, neue Pflastersteine verlegt, die teils abgebrochene Terrasse instandgesetzt, der Garten neu bepflanzt werden. "Die Stadt zeigt sich sehr kooperativ, doch diese Kosten werden sie qua Gemeindeordnung wohl gar nicht übernehmen dürfen", sagt Englert.

Schließlich gehe es um Steuergeld, dessen Verwendung rechtswirksam begründet werden müsse. Meinberger muss das deshalb selbst bei der Bima geltend machen - und der Jurist glaubt, dies zivilrechtlich hinreichend begründen zu können. Englert, der über Kampfmittel-Recht promoviert hat, sieht den Bund als "Handlungsstörer". Demnach ist die Bundesrepublik als Nachfolgerin des Deutschen Reiches Eigentümerin der Kriegs-Altlasten - und als solche auch für die Folgekosten der Beseitigung verantwortlich. Im Laufe des Frühjahres will Englert einen ersten Brief an die Bima schicken.

Einstweilen wird, zumindest zum Teil, die Thomas-Wimmer-Stiftung einspringen. Die der SPD nahestehende Organisation hatte im Sommer 17 000 Euro von gut 100 Spendern zur Unterstützung der Familie gesammelt. "Ich habe mich riesig gefreut", sagt Melitta Meinberger. Doch moralische Bedenken hat sie auch. "Ich kann doch keine Spendengelder annehmen, wenn am Schluss alles bezahlt wird."

Die Lösung: Die Stiftung organisiert und bezahlt die Renovierung der Terrasse. Sollte die Bima dann alles übernehmen, werde sie das Geld an die Stiftung weiterreichen, sagt Meinberger. "Ansonsten können wir nichts anderes machen als abwarten."

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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