Flüchtlingsbetreuung:Sozialreferentin will illegale Verträge nachträglich genehmigen lassen

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  • Streit um die Verträge zur Betreuung minderjähriger Flüchtlinge: Das Revisionsamt hält sie für illegal.
  • Sozialreferentin Schiwy will die Verträge nachträglich vom Stadtrat genehmigen lassen, die CSU will das allerdings nicht.
  • Noch ist unklar, ob die Stadt gegebenenfalls auch Geld von den Trägern zurückverlangen könnte.

Von Thomas Anlauf und Heiner Effern

Die illegal abgeschlossenen Verträge im Stadtjugendamt haben den ersten Krach des Rathausbündnisses im Jahr 2017 ausgelöst. Die CSU weigert sich, für die Betreuung minderjähriger Flüchtlinge Ausgaben nachträglich zu genehmigen, die ohne rechtliche Basis ausgezahlt wurden. Genau das plant aber die zuständige Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD).

Die CSU sehe "derzeit keine Veranlassung, den unwirksamen Verträgen im Nachhinein zuzustimmen", sagte Fraktionschef Manuel Pretzl. Zuerst müsse das Sozialreferat klären, wie viel Geld die Stadt bei der Betreuung minderjähriger Flüchtlinge zu viel gezahlt habe und wie viel davon vom Freistaat erstattet werde. Schwer verärgert zeigte sich Pretzl auch darüber, dass die SPD und ihre Referentin die CSU nicht rechtzeitig unterrichtet hätten. "Die Informationen dazu lagen uns verspätet vor, was uns sehr irritiert."

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Im vergangenen Sommer war bekannt geworden, dass das Stadtjugendamt im Mai 2016 ohne Billigung des Stadtrats Verträge in Millionenhöhe mit neun freien Trägern der Jugendhilfe abgeschlossen hat. Zudem hatte das Amt die Bezahlung von Tagessätzen auf eine Pauschale umgestellt. Daraufhin hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) das Revisionsamt eingeschaltet, dessen Bericht nun vorliegt. Der Regierungspartner CSU erhielt ihn erst am Mittwoch auf dem Postweg gleichzeitig mit den Oppositionsparteien.

Im Endeffekt wurde den Trägern Geld bezahlt für Personal, das inzwischen eigentlich nicht mehr gebraucht wurde, da die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge zurückgegangen war. Der Bericht des Revisionsamts, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, spricht von einem "Personalüberhang" von 231 Vollzeitstellen im Juni 2016. Die möglichen Kosten dafür hätten allein in jenem Monat bei 1,6 Millionen Euro gelegen. Bereits von Januar bis Mai 2016 seien zwischen 220 und 351 Stellen nicht vertragskonform bezahlt worden.

Während die SPD, unterstützt von den Grünen, das Problem nun schnell mit einem heilenden Stadtratsbeschluss aus der Welt schaffen will, steht für die CSU die Aufklärung erst am Anfang. "Es handelt sich hier um einen juristisch komplexen Sachverhalt, der keineswegs abschließend behandelt wurde", sagte Pretzl. Oberstes Ziel sei nun, "den finanziellen Schaden durch fehlerhafte und derzeit unwirksame Verträge mit freien Trägern sowie mangelndes Controlling so gering wie möglich zu halten". Dazu müsse Schiwy nun intensiv über die Kostenerstattung verhandeln.

Der Personaleinsatz ist nicht nachvollziehbar

Ob die Stadt gegebenenfalls auch Geld von den Trägern zurückverlangen könnte, ist bislang völlig offen. Denn durch den Pauschalvertrag mit dem "Jugendhilfeverbund unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge", zu dem sich neun Träger der Unterkünfte zusammengeschlossen haben, weiß das Sozialreferat nicht genau, wie viel Personal diese überhaupt eingesetzt haben. Diese Information ist wiederum nötig, um mit dem Bezirk Oberbayern abzurechnen, der die städtischen Auslagen für die Betreuung der jugendlichen Flüchtlinge erstattet. Dort rechnet man nach sonst üblichen Tagessätzen und nicht nach Pauschalen.

An diesem Punkt kritisiert das Revisionsamt das Jugendamt heftig: Es sei "nicht nachvollziehbar", wie viel Personal in den Einrichtungen gearbeitet habe, heißt es in dem Bericht. Das Amt habe sich bei der Kontrolle unter anderem mit Dienstplänen der Träger zufrieden gegeben, die aber "nicht die tatsächliche Anwesenheit" der Pädagogen dokumentiere. Angela Bauer, die Vorsitzende der Heilpädagogisch-psychotherapeutischen Kinder- und Jugendhilfe (HPKJ), hofft, dass der Stadtrat die Verträge nachträglich billigt.

Die meisten Stellen sind abgebaut

"Wir gehen davon aus, dass diese dann gültig sind", sagt die Sprecherin des Verbunds aus den neun Trägern, mit dem die Stadt die Vereinbarungen getroffen hatte. Man könne schließlich nicht einfach einen Vertrag abschließen und später das Geld zurückfordern. Im Mai 2016 wäre die Alternative gewesen, die bestehenden Verträge auslaufen zu lassen und dann kein Personal zur Betreuung jugendlicher Flüchtlinge zu haben. "Dann hätten alle geschrien, wir haben kein Personal", ist sie sich sicher.

Bauer ist darüber verärgert, dass es nun so aussehe, als hätten sich die neun Träger in dem Verbund bereichert. "Wir haben unsere Leistungen erbracht, dafür wollen wir auch Geld haben", sagt sie. Mittlerweile habe der Verbund mehr als 80 Prozent der Stellen für die Betreuung der jugendlichen Flüchtlinge abgebaut, da sie derzeit nicht benötigt werden.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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