Grafinger Bartfrisör:Der Barbier mit der Bierbar

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Wer sich von Ludwig Bitto trimmen lässt, hat ziemlich schnell Schaum vorm Mund. Es dauert zwar länger als mit dem Elektrorasierer, dafür bleiben keine Stoppeln stehen. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

In Grafing gibt es seit kurzem ein rustikales Reich für Bärte, mit dem es Inhaber Ludwig Bitto unter die Top-100 Barbershops Deutschlands geschafft hat. Frauen haben dort keinen Zutritt - mit einer Ausnahme.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Ohne Schnurrbart ist ein Mann nicht richtig angezogen. Das sagte einmal der Kunstmaler Salvador Dalí. Dalí war bekanntermaßen Bartträger und Frauenliebhaber und hätte sich hier bestimmt wohlgefühlt: Unten im Keller, wo ein Arsenal an Bartölen aufgereiht ist. Dort, wo leicht bekleidete Models von Wandpostern lächeln, wo im Kühlschrank Bierflascherl auf einen warten und wo Rockmusik aus den Lautsprechern dröhnt. "Look me in the beard when I'm talking to you", steht auf einem Bild an der Wand. Davor steht ein Mann mit Rasierpinsel und sagt: "Im Männerbereich haben Frauen nichts zu suchen."

Von außen ist es ein ganz gewöhnlicher Frisörsalon, wie man ihn tausendfach in Bayern sieht. Das ändert sich, wenn man hineingeht und die Stufen hinabsteigt. Am Ende der Wendeltreppe beginnt das Männerreich des Grafinger Frisörs Ludwig Bitto: Überall Fläschchen, Tuben und Klingen, sie spiegeln sich in einer verglasten Wand. Hinten eine Sitzecke mit Männermagazinen, vorne vier Stühle mit verstellbaren Lehnen. In der Luft liegt ein Hauch von Aftershave und ein Song von ACDC. Hier spielt seit sechs Monaten die Musik von Ludwig Bitto, dem ersten Barbier von Grafing. Die Musik der Bartträger.

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(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Wer sich von Ludwig Bitto trimmen lässt, hat ziemlich schnell Schaum vorm Mund.

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Es dauert es zwar länger als mit dem Elektrorasierer, dafür bleiben keine Stoppeln stehen.

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Feiner Pinsel: Im Grafinger Barbershop wird der Kunde mit edlen Werkzeugen...

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... und Produkten behandelt.

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Barbier-Untensilien aus den 50er Jahren zieren den Laden.

Vieles hier ist ganz schön dick aufgetragen. Diese strikte Trennung von Mann und Frau, dass lediglich die Frisörinnen nach unten dürfen. Dann noch die Musik, das Bier und der Wandschmuck. Aber genau das gefällt den Kunden. Sagt Bitto. Und das sind immer häufiger Männer. "Manchmal kommen sie zu dritt oder zu viert", sagt der 30-Jährige. Dann wird der Hipsterbart getrimmt und geölt. Und zwischendurch wird angestoßen. "Hier kann man auch mal Männerwitze bringen ", sagt Bitto.

Mitten in Grafing ist ein Ort entstanden, wo nicht nur der Herrenwitz gepflegt wird. Das muss man nicht sonderlich charmant finden. Offenbar gibt es aber viele, denen das gefällt. "Am Abend und am Wochenende bin ich fast immer ausgebucht", sagt Bitto. Seit er den Keller des Frisörsalons zu einem Barbershop umgebaut hat, läuft der Laden immer besser. Es kommt vor, dass man auf den Ledersesseln im Eck warten muss, bis man dran kommt. Dort kann man dann in einem Heft entblößte Frauen anschauen. Das Magazin, das auch nach Ostern mit einem Hasen auf dem Titel erscheint, hat Bittos Salon kürzlich in den Kreis der "100 Top-Barbershops" Deutschlands berufen.

Ludwig Bitto ist naturgemäß bartlos, seine Aufgabe sind die Bärte der anderen. Er trägt Jeans und T-Shirt, steht übergebeugt und trimmt mit einem Rasiermesser einen Bart. Es handelt sich um ein ziemlich dichtes und struppiges Exemplar, es gibt sicherlich einfachere Fälle. Doch Bittos Hand ist ruhig und die Klinge scharf. Er und seine Mitarbeiterinnen behandeln die Bärte ihrer Kunden von Hand. Erst wird eingepinselt, dann kommt die Klinge zum Einsatz. An den rasierten Stellen auf der Haut bleiben keine Stoppeln mehr übrig, etwas, das dem elektrischen Rasierer recht selten gelingt. Nach der Rasur kommt noch ein Öl in den Bart, das soll ihn weicher machen, was in gewissen Lebenssituationen vorteilhaft sein kann. Dann noch ein 50er-Jahre-Aftershave. Beim Geruch des Elixiers ist es wie so oft im Leben eine Geschmacksfrage.

Die Bierbar des Barbier. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Schon erstaunlich, dass das Geschäft mit dem Bart so gut läuft. Das Grafinger "All in One"-Paket kostet immerhin 59 Euro. Mit Kopfmassage, Waschen, Schneiden, Styling, Konturen-Rasur und Barttrimmen vergehen so gut und gerne 60 Minuten. Und doch, so scheint es, ist es immer mehr Männern in der Region Zeit und Geld wert. "Männer sind eitler geworden", sagt Bitto. Er ist davon überzeugt, dass gerade eine Generation Mann heranwächst, der die Bartfrisur wieder besonders wichtig ist. Anders als in den Siebzigerjahren ist jedoch nicht mehr der Wildwuchs angesagt, sondern ein ordentlicher Schnitt: "Ich habe Kunden, die brauchen vorm Spiegel länger für ihren Bart als ihre Freundin für die Haare."

Klar. Wer öfters in München ist, der sieht sie an jeder Straßenecke: Die Männer mit den engen Jeans, oft mit Hut auf zu kleinen Fahrrädern unterwegs. Hipster genannt. Sie tragen Hemden mit weiten Kragen, die Augenbrauen sind gezupft, die Brust ist rasiert. Und der Bart auch, allerdings erst unterhalb der 15 Zentimeter-Grenze. Penibel gleichmäßig, ohne dass ein Haar absteht, so wie bei einer Figur im Wachskabinett. "In den Großstädten hat das mit der exakten Bartpflege schon vor drei Jahren angefangen", sagt Bitto. In München sprießen die Barbershops nur so aus dem Boden. Bis sich die Mode jedoch in die Region durchspricht, dauert es dann immer ein bisschen.

Am Ende kommt im Selbstversuch ein 50er-Jahre-Aftershave auf die Autoren-Wangen. Beim Geruch des Elixiers ist es wie so oft im Leben eine Geschmacksfrage. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Ludwig Bitto ist einer der ersten im Landkreis Ebersberg, der in der Bartmode des Hipstertums einen Markt gefunden hat. Vor einem halben Jahr ist er mit dem Umbau des Kellers fertig geworden. Dass sich der Aufwand offenbar gelohnt hat, liegt auch daran, dass es im Landkreis Ebersberg bisher keine solchen Barbershops gibt. Frisöre bieten zwar vereinzelt Bartbehandlungen an, etwa in Wasserburg, Vaterstetten oder Erding, manche haben eine Barber-Raumecke dafür. Das war es dann aber auch. Ein eigenes Stockwerk mit vier Barber-Stühlen bietet nur Ludwig Bitto in Grafing. Deswegen, sagt er, "bekomme ich Anfragen aus dem ganzen Landkreis".

Die Welt ist im Wandel, und der Bart auch. Im Keller läuft jetzt ein Metal-Lied von System of a Down, "manchmal spiele ich auch Rammstein", sagt Bitto. Gerade überlege er, ein altes Whisky-Fass in seinen Barbershop zu stellen. Damit das Männereich noch mehr das Ambiente eines Irish Pubs bekommt. Das entspräche dem klischeehaften Aufenthaltsort eines trinkenden Herrenwitzereißers unheimlich gut. Zum 50er-Jahre-Ambiente passt jetzt schon die schmiedeeiserne Wendeltreppe. Die führt nach oben, wo man Menschen trifft, die wegen ihrer Dauerwelle da sind. Und keinerlei Spuren eines Schnurrbarts aufweisen.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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