Landkreis Ebersberg:500 exotische Tiere im Wohnhaus

Lesezeit: 3 min

  • Das Ebersberger Amtsgericht geht gegen drei Personen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz in 81 Fällen vor.
  • In einer Wohnung in Grafing hatten zwei 52 und 48 Jahre alte Männer und eine 49-jährige Frau zwischen 2006 und 2008 mehr als 500 exotische Tiere gehalten - laut Veterinäramt nicht artgerecht.
  • Der 52-Jährige bezeichnet sich selbst als Wissenschaftler und gibt an die Tiere für seine Tumorforschung gehalten zu haben.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Tierquäler, Wissenschaftler oder beides? Mit dieser Frage muss sich derzeit das Ebersberger Amtsgericht befassen. Angeklagt sind zwei 52 und 48 Jahre alte Männer und eine 49-jährige Frau, ihnen werden 81 Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen. Hauptverantwortlich sollen die Frau und der ältere Mann sein, der jüngere ist als Besitzer der Tiere wegen Unterlassung angeklagt. Alle bestreiten die Vorwürfe, die Hauptangeklagten erklären zudem das Verfahren für unzulässig. Sie berufen sich auf ihre angebliche diplomatische Immunität als Wissenschaft-Attachés von Sierra Leone. Eine Tatsache, die die hiesige Justiz wenig beeindruckt, beide sitzen derzeit im Gefängnis.

Kaimane, Alligatoren und Ginsterkatzen leben normalerweise nicht in Grafing. Außer zwischen 2006 und 2008, und zwar in einem Anwesen in der Wolfschlucht. Mehr als 500 Exoten - von Spinnen und Skorpionen über Schlangen, viele giftig, Fische, Leguane, Vögel, Affen und vieles mehr - waren dort untergebracht. Allerdings laut Veterinäramt nicht artgerecht, weshalb das Haus im Juli 2008 geräumt wurde, die Tiere kamen in Auffangstationen. Ihr Herrchen und Frauchen wurden Anfang des Jahres in der Schweiz festgenommen und sind seitdem in Haft. Die 49-Jährige wegen Fluchtgefahr und ihr Lebensgefährte aufgrund einer früheren Verurteilung wegen Tierquälerei.

Manche Tiere waren bereits tot

Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass der Mann ein Wiederholungstäter ist. Gut eine halbe Stunde dauerte es, bis alle dem 52-Jährigen und seinen Mitangeklagten zur Last gelegten Vergehen vorgetragen waren. Die Tiere seien in zu kleinen, oft stark verschmutzten Gehegen und Käfigen gehalten worden und es habe an Futter und Wasser gefehlt. Zahlreiche Tiere seien unterernährt gewesen, einige hätten an infizierten Wunden oder Krankheiten gelitten, manche waren bereits tot. Dies bestätigte ein als Zeuge geladener Tierarzt der Reptilienauffangstation München, der auch bei der Räumung des Hauses dabei war. Letztlich habe man mehr als 100 Reptilien aufgenommen, Kostenpunkt knapp 200 000 Euro.

Auslieferung wegen Tierquälerei
:"Spinnenmann" droht Haftstrafe

Er verspricht die Heilung von Krebs durch Spinnengift: Bislang saß der Münchner Dirk Weickmann in der Schweiz im Gefängnis, nun wird er nach Bayern ausgeliefert. Schon einmal musste er sich hier wegen Tierquälerei verantworten.

Von Uwe Ritzer

Die Angeklagten sind sich keiner Schuld bewusst. Der 48-Jährige, der im großen Stil exotische Tiere vertreibt, sich aber den Begriff "Tierhändler" verbittet, erklärte, er habe "mit der Sache Wolfsschlucht nichts zu tun". Die Tiere seien ihm von der Firma, für die die anderen Angeklagten arbeiteten, für ausstehende Rechnungen überschrieben worden. In Grafing sei er nur wenige Male gewesen, Mängel bei der Haltung habe er nicht festgestellt. Er beklagte sich außerdem darüber, dass er für die Unterbringung der Tiere eine Rechnung über mehr als 300 000 Euro zahlen soll.

"Sonst hätten sie ja keine Wirkstoffe produziert"

Die 49-Jährige ließ über ihren Verteidiger mitteilen, die Tierhaltung sei stets artgerecht gewesen. Darauf verwies auch der 52-Jährige, der sich selbst als Wissenschaftler bezeichnet. Als solcher habe er ein ureigenes Interesse an gesunden Tieren, "sonst hätten sie ja keine Wirkstoffe produziert". Seinen Angaben nach betrieb er Grundlagenforschung, etwa für die Tumortherapie: "Staat und Gericht haben sich aus ethischen Gründen solchen Forschungen anzuschließen." Geld habe er mit seiner Forschung bislang nicht verdient, seinen Lebensunterhalt bestritt er durch Zuwendungen von Freunden und der Familie seiner Lebensgefährtin. Allerdings war vereinbart, dass die Firma, die das Haus in Grafing angemietet hatte, ihn später an den Einnahmen aus Patenten beteiligte, "dazu kam es nun nicht mehr".

Dass dies wohl nicht nur am Einschreiten der Behörden lag, legte die Aussage eines der ermittelnden Polizeibeamten nahe. Er schilderte, wie die Behörden auf den illegalen Zoo aufmerksam wurden: Offenbar habe die Firma die Miete nicht mehr zahlen können, bei einem Besuch des Hauseigentümers seien dann die Tiere aufgefallen. Die fragliche Firma sei Teil eines Unternehmensgeflechts gewesen, das der Zeuge als "sehr dubios" bezeichnete: "Alle waren irgendwie Teilhaber und haben sich gegenseitig Rechnungen gestellt - nur Geld war keines da." Auch was die Reputation der Angeklagten angeht, wurde der Ermittler deutlich. Zwar führen zwei von ihnen akademische Titel, "aber die sind in Regionen der Welt ausgestellt, die man eher als Bananenrepubliken bezeichnet".

Bevor ein Urteil gefällt wird, wird das Gericht in der kommenden Woche weitere Zeugen hören. Entschieden wurde aber bereits über einen Antrag des Verteidigers der 49-Jährigen auf Aussetzung des Haftbefehls. Und zwar negativ, denn es bestehe weiterhin Fluchtgefahr.

© SZ vom 19.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: