Paralympics-Sportler Michael Teuber:"Die wollen mich kleinkriegen"

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Der Weltverband schränkt Handicap-Radsportler Michael Teuber in der Wahl seiner medizinischen Stützen empfindlich ein - der 16-fache Champion reagiert empört.

Christine Heumann

Michael Teuber ist eine Woche lang in Italien gewesen. Mit seiner Familie. Er wollte abschalten. Einfach nur seine Ruhe haben - und den Ärger um die bereits zweite Überprüfung seiner Klassifizierung zu verdauen, die ihm der Weltverband UCI unmittelbar vor der Bahn-WM der Handicap-Radsportler in Los Angeles einbrockt hatte. Um den letzten Akt des Theaters vorwegzunehmen: Der Extremsportler aus Odelzhausen kann in seiner C1-Klasse bleiben, darf sich aber nicht mehr optimaler Hilfsmittel - sprich seiner High-Tech-Vollschalen-Orthesen zur Stabilisierung der gelähmten Unterschenkel und Füße - bedienen. "Das war skandalös", sagte der 44-Jährige, "es gibt keine Vorschriften für die Wahl der Schienen."

Auf der Radrennbahn von Los Angeles muss Michael Teuber quasi zum Schaulaufen mit verschiedenen Fußstützen antreten, anstatt um Medaillen fahren zu können. (Foto: pr)

Am Morgen des 8. Februar, zwei Tage vor der Qualifikation zur 3000-Meter-Verfolgung, wurde die medizinische und physiotherapeutische Begutachtung des dreimaligen Paralympics-Siegers durchgeführt. Teuber legte unabhängige Gutachten von renommierten Neurochirurgen und Neurologen aus den Jahren 1988 und 2011 mit eindeutigen Diagnosen vor. Darüber hinaus sollte er sämtliche in seiner Karriere verwendeten Orthesen vorzeigen. Nach der einstündigen Prozedur zog der Tross zur Radrennbahn - der Odelzhausener musste im nächsten Akt dieses Theaters das Radfahren mit verschiedenen Fußstützen vorführen.

Es war bereits am Abend, als das deutsche Team die Auskunft erhielt, die Entscheidung sei noch nicht gefallen, man wolle das erste Rennen des sechsmaligen Bahnweltmeisters am übernächsten Tag abwarten. Unmittelbar vor Teubers Start hieß es dann, die Klassifizierung würde von der Funktion der Orthesen, insbesondere von deren Steifigkeit, abhängen. "Dabei gibt es keinerlei Vorschriften für die Gestaltung von Orthesen", wetterte Teuber. Der Sportler selbst traf dann "eine für die WM weitreichende Entscheidung": Er wählte für die Qualifikation der Einerverfolgung statt seiner stabilen Renn-Orthesen zur Sicherheit flexible, für den Radsport ungeeignete Modelle. Die Folge waren eine indiskutable Zeit und Platz sieben.

Nachdem die Chefklassifiziererin der WM, die Kanadierin Terry Moore, das deutsche Team weitere sieben Stunden hatte warten lassen, teilte sie Teammanager Tobias Engelmann mit, dass Teuber in der Klasse C1 verbleiben dürfe, er aber mit einer noch zu definierenden Auflage hinsichtlich der orthopädietechnischen Fuß-Orthesen belegt würde. Die Kommunikation mit dem Athleten selbst lehnte sie ab. Weitere Diskussionen folgten. Teuber musste am nächsten Tag unter erneuter Beobachtung das 1000-Meter-Zeitfahren mit stabileren Carbon-Orthesen absolvieren. Nach drei Nerven aufreibenden Tagen und einer beinahe entwürdigenden Vorgehensweise der Offiziellen versuchte der 44-Jährige zwar, die letzten Kräfte zu mobilisieren, blieb aber unter seinen Möglichkeiten und fuhr in 1:25,426 Minuten mit mehr als sechs Sekunden Rückstand auf Rang sechs.

Als das Rennen beendet war, kam der Leiter der UCI-Klassifizierung an die deutsche Box und teilte mit, dass die Carbon-Orthesen genehmigt würden. Das übliche Zertifikat händigte er nicht aus. Lediglich die aktualisierten Klassifizierungsliste auf der Webseite des Verbandes bestätigte Teubers Status in der C1-Klasse. "Dass die Einstufung aber mit einer Auflage bezüglich meiner Orthesen verknüpft wurde, ist ein Unding. Das ist beispiellos und ohne reguläre Basis." Und das Ganze hatte auch sportliche Folgen: Mit seinem 48-jährigen Dauerrivalen Juanjo Mendez (Spanien) und dem 43-jährigen Newcomer Mark Colbourne sind gleich zwei ebenfalls ältere Athleten mit Laufzeiten um 4:06 Minuten sehr nah an Teubers Bestzeiten in der Verfolgung herangekommen. Im 1000-Meter-Zeitfahren wurde Teubers Weltrekord von 2009 sogar von drei Fahrern unterboten.

Für mich bleibt ein erheblicher Schaden: Nach Doppelgold bei der Bahn-WM 2009 konnte ich 2011 und 2012 wegen der Vorgänge um meine Klassifizierung nicht in die Medaillenvergabe eingreifen. 2013 wird es voraussichtlich keine Bahn-WM geben, so dass ich erst 2014, mit dann 46 Jahren, wieder um das Regenbogentrikot auf der Bahn kämpfen kann", sagte der 16-malige Weltmeister.

Vielleicht bin ich einfach zu schnell Rad gefahren, habe zu viel gewonnen und kam dadurch in den Fokus der anderen Nationen und der UCI", sagte Teuber. "Ich habe mich 2010 als paralympischer Botschafter intensiv für Wettkämpfe für die schwerer behinderten Klassen eingesetzt, am Ende musste das Wettkampfprogramm für London 2012 von der UCI geändert werden. Seit Anfang 2011 habe ich diese massiven Probleme mit dem Weltverband - auch hier könnte es einen Zusammenhang geben", mutmaßte er.

Mir schreiben sie plötzlich vor, mit einer Wackelprothese zu fahren, während andere mit einer völlig steifen und stabilen Prothese fahren dürfen", sagt der Odelzhausener. "Das ist eine Lex Teuber, die hier fabriziert wurde - die wollen mich wohl kleinkriegen."

Doch das soll nicht gelingen - zumindest nicht, wenn es nach Teubers Vorstellungen geht. Höhepunkt des Jahres sollen für ihn nach wie vor die Paralympischen Spiele 2012 in London sein. "Darauf arbeite ich hin und das lasse ich mir auch nicht kaputt machen."

© SZ vom 29.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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