Kulturschranne Dachau:Wie ein Tag unter brennender Sonne

Lesezeit: 2 min

Was soll man zu dem Auftritt sagen? Das Jazz-Ensemble Samuel Blaser / Marc Ducret gab ein unfassbar gutes Konzert.

Andreas Pernpeintner

Wenn es wirklich etwas gibt, was die Musiker vom Ensemble Samuel Blaser / Marc Ducret (Samuel Blaser an der Posaune, Marc Ducret an der Gitarre, Bänz Oester am Bass und Gerald Cleaver am Schlagzeug) noch besser können als alles andere, was in ihrem Konzert zu beobachten ist, dann ist es ihre Fähigkeit, musikalische Dramaturgie zu generieren. Das Konzert beim Dachauer Jazz e.V. in der Kulturschranne, diesmal ausnahmsweise im Bistro im Erdgeschoss, ist unfassbar gut; und in all den starken Gegensätzen, die in dieser Musik vereint sind, von größter Intensität. Es ist wunderbar, wie hier - die Stücke dauern bis zu 40 Minuten - alles aufeinander aufbaut, fließt, verebbt, einmündet, sich fortentwickelt. Sicher, markante Überraschungseffekte bleiben in dieser Ästhetik des Prozesshaften außen vor. Das macht aber rein gar nichts, denn auch ohne den plötzlich eintretenden Klangeffekt hat man am Ende eines Stückes immer den Eindruck, ein ganzes musikalisches Universum kennengelernt zu haben. Hinreißend ist, wenn Oester und Cleaver einen aufreizend langsamen, drückend schwülen Groove erzeugen (wie etwa in der Zugabe), Blaser und Ducret darüber langsame Melodien einander umgarnen lassen. Ein Klangerlebnis von größter Assoziationskraft: wie ein Tag unter brennender Sonne, bei absoluter Windstille, im weiten Land. Der pure Blues. Doch nicht nur im Getragenen, Langsamen ist diese Musik von Melodien durchdrungen. Auch die raschen Passagen, die Imitationen zwischen den Instrumenten, die perfekt koordinierten Riffs, die Soli, das musikalische Zwiegespräch, ja sogar Ducrets aus akkordischen Strukturen aufgebaute Gitarrensoli sind im melodischen Ausdruck kraftvoll ausgekostet. So ist diese Musik immer von klar fassbaren Linien durchzogen. Der Klangeindruck ist dabei herrlich subtil: So eng die Ereignisse einander folgen, so dicht die verwobene Struktur ist, nie wird der Klang dabei dick und undurchdringlich, stets bleibt er exquisit ausgewogen. Das Schöne dabei: Wenngleich abwechselnd bestimmte musikalische Momente deutlich in den Vordergrund gestellt werden, bleiben die Klangebenen dahinter erkennbar. Und dabei gibt es viel zu entdecken: Leise grundiert Blaser das Solo eines Bandkollegen mit lang ausgehaltenen Posaunentönen, verleiht diesen mit Hilfe des Dämpfers ein stetig wechselndes, im Timbre dunkles, aber lebendiges Klangfarbenspiel. Bei einer Passage, in der der Bass im Vordergrund steht, hört man plötzlich ein ganz leises Rauschen. Nicht störend, sondern sich immer wieder verändernd, von bewegten Obertönen durchzogen, kaum bewusst wahrnehmbar, so, als spielte irgendwo ganz fern ein Radio. Diese wundervoll dezente, doch spannende Grundierung erzeugt Ducret auf der Gitarre. Es ist neben den vordergründigen dynamischen Entwicklungen auch diese Transparenz der Ebenen, diese Liebe zum Detail, diese Hingabe, selbst die scheinbaren musikalischen Nebensächlichkeiten zu etwas Interessantem zu formen, wodurch die Darbietung besagte großartige Dramaturgie gewinnt. Das Konzert von Samuel Blaser / Marc Ducret ist denkbar hohe Musikkultur.

Marc Ducret baut seine Gitarrensoli aus akkordischen Strukturen auf. Das Ergebnis überzeugt durch melodische Ausdruckskraft. Alles in allem: Musikkultur auf höchstem Niveau. (Foto: DAH)
© SZ vom 02.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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