Amtsgericht Dachau:Erbärmliches Hundeleben

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Unter katastrophalen Bedingungen vegetierten in einem Vierkirchener Haus acht Welpen, die zwei Schwestern illegal aus der Slowakei importierten. Eine der beiden Frauen wurde jetzt wegen Tierquälerei verurteilt.

Daniela Gorgs

An Parvovirose, einer hochansteckenden Infektionskrankheit, hatte der Labradorwelpe gelitten, den ein Ehepaar von den Schwestern in Vierkirchen gekauft hatte und der den Fall ins Rollen brachte. (Foto: DAH)

Acht todkranke Welpen, die in einem finsteren Kellerraum auf eineinhalb Quadratmetern in ihren eigenen Exkrementen ohne Wasser und Futter dahinvegetierten. Ein widerlicher, süßlicher Geruch schon beim Betreten des Hauses, bräunliche Flecken auf dem aufgeweichten Parkettboden, ausgelegtes Zeitungspapier mit Hundekot und Erbrochenem versehen. Das Bild, das die Augenzeugen von dem Aufbewahrungsort der Welpen zeichneten und wohl auch die abweisende Körperhaltung der Angeklagten genügten dem Staatsanwalt. Voller Abscheu ging er die 35-jährige Hundehalterin an und fragte sie, ob sie das Gericht verarschen wolle.

"Mir geht der Hut hoch, so ein Quatsch", echauffierte sich der Staatsanwalt über die Aussage der Hundehalterin, die mit verschränkten Armen auf der Anklagebank im Amtsgericht Dachau saß und alle gegen sie vorgebrachten Vorwürfe zurückwies. "Ich habe nichts damit zu tun", wiederholte sie ihre Sicht zu der Angelegenheit mantraartig und zog eine gleichgültige Miene.

Es sind schwere Vorwürfe, die der Staatsanwalt der 35-Jährigen vorhält. Die Angeklagte soll im vergangenen Januar acht Labradorwelpen zu Handelszwecken illegal aus der Slowakei importiert und in einem Haus in Vierkirchen unter erbärmlichen Lebensbedingungen gehalten haben. Die Tierquälerei flog auf, als ein Ehepaar aus dem Landkreis Freising über eine Internetanzeige einen kranken Welpen der Schwestern kaufte und Anzeige erstattete. Wie die Ehefrau der Dachauer SZ vor einem Jahr mitteilte, musste sich der kleine Hund nach zwei Tagen erbrechen. Der Welpe litt an Durchfall, der Hundekot war mit Blut durchsetzt. Das Ehepaar reagierte schnell und brachte den Labrador in eine Tierklinik, wo ein Veterinär die beängstigende Diagnose stellte: Parvovirose, eine hochansteckende, akut verlaufende Infektionskrankheit, die gerade bei Jungtieren in vielen Fällen tödlich verläuft. Polizei und Veterinäramt griffen ein und stellten die Hunde sicher.

Eigentlich waren am Mittwoch zwei Schwestern wegen Tierquälerei angeklagt. Es erschien aber nur die 35-Jährige. Die andere Frau hatte dem Vorsitzenden Richter Lars Hohlstein am Vortag brieflich lapidar mitgeteilt, dass sie beruflich verreist sei und nicht zur Verhandlung kommen könne. Auch ließ sie den Vorsitzenden wissen, dass sie nichts gemacht habe und sich keiner Schuld bewusst sei. Hohlstein verhängte einen Haftbefehl. Die 35-Jährige nutzte die Abwesenheit ihrer Schwester, von der sie sich entschieden abgrenzte ("Was meine Schwester gemacht hat, ist mir scheißegal"), um die eigene Unschuld zu beteuern.

Ein Diensthundeführer der Polizei Fürstenfeldbruck und die Dachauer Amtstierärztin Betina Brühl schilderten dem Gericht in ihren Zeugenaussagen detailliert, in welch einem verwahrlosten Zustand sich Haus und Hunde befanden, als die Behörden eingriffen. Wie die Amtstierärztin mitteilte, kontrollierte die Behörde bereits im Jahr 2006 das Anwesen in Vierkirchen erstmals. Damals hielten die Schwestern Kaninchen bei zweistelligen Minusgraden in nicht dafür ausgerichteten Käfigen im Garten.

Die Uni-Tierklinik in München behandelte die ausgetrockneten Welpen notfallmedizinisch und behielt sie wochenlang in Quarantäne. "Ohne Behandlung wären sie eingegangen", erläuterte Betina Brühl dem Gericht. Ursache für die Viruserkrankung der Welpen ist nach Ansicht der Amtstierärztin eine fehlende Impfung (die Behörde fand nicht ausgefüllte, aber unterzeichnete slowakische Impfpässe) oder eine zu frühe Trennung von dem Muttertier.

Für den Staatsanwalt war die Sache eindeutig. Als Halterin trage die 35-Jährige die volle Schuld. Vier Tage vor der Kontrolle sei die angeklagte Slowakin in Vierkirchen gewesen. Sie lüge, wenn sie behauptet, es sei dort bis zu ihrer Abreise alles in Ordnung gewesen. Der Staatsanwalt plädierte auf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 25 Euro, ein Bußgeld von 1920 Euro und ein Tierhalteverbot für Hunde und Katzen für fünf Jahre.

Richter Hohlstein blieb unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte die 35-Jährige wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 25 Euro. Weil sie mit dem Import der Welpen gegen EU-Richtlinien verstoßen habe, ordnete er ein Bußgeld von 500 Euro an. Zudem verhängte er ein Tierhaltungsverbot für die nächsten drei Jahre. Als Halterin hätte die 35-Jährige sich um eine ordnungsgemäße Behandlung der Welpen kümmern müssen. Weil sie dies nicht tat und die Hunde unverhältnismäßig lange und schwer leiden mussten, habe sie die Grenze zur Strafbarkeit überschritten. Sehr missfiel dem Amtsrichter auch ihr fehlendes Unrechtsbewusstsein. Bislang habe die 35-Jährige ihre Verantwortung nicht erkannt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Den Haftbefehl gegen die Schwester der Angeklagten hob Hohlstein am Donnerstag wieder auf. Per Telefon hatte sie dem Amtsrichter mitgeteilt, dass sie sich jetzt doch stellen werde. Ihr Prozess findet im März statt.

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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