Bundestagswahl 2017:CSU-Kandidat Pilsinger polarisiert mit ungewöhnlichen Wahlkampf-Themen

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Nur sechs Ärzte sitzen derzeit im Bundestag, sagt Stephan Pilsinger. Dieses Defizit will der Arzt aus Obermenzing etwas verringern. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der 30-jährige Kardiologe tritt in München-West an. Der Medizinerberuf, sagt der Obermenzinger, sei im Bundestag heillos unterrepräsentiert.

Von Dominik Hutter

Manchmal verraten schon die Kinderfotos, wohin es gehen wird. Das Planschbecken-Bild von 1990 etwa, das den kleinen Stephan daheim im Obermenzinger Garten zeigt. Neben ihm liegt ein Plastikball mit CSU-Aufdruck.

Oder drei Jahre zuvor, als Knirps auf dem Arm des Vaters. Der, so erklärt der Bildtext, als Arzt tätig war, während die Mutter als Krankenschwester arbeitete. "Ich komme aus einer richtigen Medizinerfamilie", sagt Stephan Pilsinger, der inzwischen 30 Jahre alt ist, Arzt und CSU-Bundestagskandidat.

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Die Bilder sind auf seiner Internetseite zu sehen, der gebürtige Münchner hält mit seiner Profession als Mediziner nicht hinter dem Berg. Man könnte sogar sagen: Sie ist das wesentliche Alleinstellungsmerkmal seines Wahlkampfs. Wenn der Kandidat in seinem Wahlkreis soziale Institutionen besucht, nennt sich das "Pilsingers Sprechstunde".

Dabei geht es zwar weniger um die Gesundheit als um Politik. Am Rande, so berichtet der Kardiologe, kommen dann aber doch immer mal wieder Fragen auf, die man gerne stellt, wenn zufällig ein Arzt da ist. Ob das normal ist, was da so drückt. Gelegentlich gibt es auch Veranstaltungen zu medizinischen Themen, über Schmerzen zum Beispiel. Pilsinger stellt sein Tun unter das Schlagwort "Gesunde Politik". Und ist auf Wahlkampfbildern immer wieder im weißen Kittel und mit Stethoskop zu sehen.

Der Medizinerberuf, das ist dem Obermenzinger wichtig, sei im Bundestag heillos unterrepräsentiert. Gerade einmal sechs Ärzte säßen aktuell im deutschen Parlament, in der CSU-Landesgruppe gibt es keinen einzigen. Dieses Defizit will Pilsinger wenn nicht beheben, dann zumindest kleiner machen. Und hat sich im Münchner Westen beworben, als bekannt wurde, dass der Platzhirsch Hans-Peter Uhl aufhört. Konkurrenzlos war er keineswegs, auch die aus Mühldorf zugezogene Bundestagsabgeordnete Julia Obermeier hatte den Wahlkreis im Blick, unterlag dann aber deutlich.

Pilsinger ist über sein Amt als Münchner JU-Chef gut vernetzt, er ist zudem Vorsitzender der Obermenzinger CSU und Mitglied im Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing. Seine Chancen, über das Direktmandat in den Bundestag einzuziehen, gelten als außerordentlich gut. Den Münchner Westen hat zuletzt 1972 ein SPD-ler erobert. Seitdem gewinnt regelmäßig die CSU - selbst 1998, bei der Schröder-Wahl. In der CSU wird kolportiert: CSU, Arzt, Münchner Westen - das kann eigentlich nicht schiefgehen.

Pilsinger macht einen Wahlkampf, der viele Leute polarisiert. Mal lädt er Gloria von Thurn und Taxis ein, um über Ethik und Werte zu sprechen. Mal widmet er sich dem nicht unbedingt alltagsbestimmenden Thema Christenverfolgung und befragt dazu einen Experten des evangelikalen Hilfswerks "Open Doors", an dessen Seriosität selbst offizielle Kirchenvertreter ernste Zweifel hegen. Aktionen, mit denen ganz offensichtlich das religiös-rechtskonservative Spektrum angesprochen werden soll.

Im persönlichen Umgang wirkt der Arztsohn locker, freundlich und durchaus aufgeschlossen für die kulturellen Herausforderungen urbanen Lebens. "Ich will die Menschen nicht verändern", erklärt er - auch als bewusste Abgrenzung zu den Grünen, denen er einen Hang zur Bevormundung attestiert. "Es gibt verschiedene Lebensmodelle, mit denen man glücklich sein kann."

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Pilsinger ist erklärter Anhänger der CSU als Großstadtpartei Josef Schmidscher Prägung. Er fühlt sich im Münchner Westen zu Hause, ist in seiner Studienzeit durch die Kneipen und Bars in Neuhausen gezogen. "Das ist die erste Umgebung, wo ich weggegangen bin", sagt er beim Cappuccino in einem Café am Rotkreuzplatz. Sein Wohnort aber ist Obermenzing, wo er mit seiner Schwester eine Wohngemeinschaft bildet.

"Ich fühle mich da daheim, wo ich herkomme", schwärmt er über den eigenen Wahlkreis. Pilsinger kocht gerne zusammen mit seiner Freundin Pasta, geht in die Berge, fährt Rad und liest. Sein Arbeitsplatz ist das Krankenhaus Landshut - was von Obermenzing aus auch nicht der nächste Weg ist. "Ich weiß, wie es ist, im Stau zu stehen", sagt er.

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In die Hauptstadt zieht Pilsinger eigentlich nur der Bundestag, die Stadt selbst reizt ihn nicht besonders. "Ich will nicht in Berlin wohnen, sondern weiterhin in München." Klar, dass man an einer kleinen Dienstwohnung am Sitz des Parlaments nicht vorbeikomme. Der Lebensmittelpunkt bleibe aber der Münchner Westen.

Erklärter Themenschwerpunkt Pilsingers ist, man ahnt es schon, die Gesundheitspolitik. In ihrer gesamten Bandbreite. "Ich würde gerne meine Erfahrungen einbringen." Von der Sterbehilfe, die Pilsinger ablehnt, über den Pflegenotstand, der ja sehr viel mit schlechter Bezahlung zu tun hat, über die Frage, wie eigentlich die Medizinstudenten der Zukunft ausgewählt werden.

Der CSU-Politiker wünscht sich mehr soziale Kriterien und weniger stures Nach-den-Noten-Schielen. "Wir brauchen Typen, die da hinpassen", sagt er über die dringend benötigten Landärzte, deren Arbeit, Motivation und Lebensumfeld mit dem ihrer großstädtischen Kollegen nur wenig zu tun hätten. Es müsse Anreize geben, auf dem Land tätig zu werden. Daneben geht es Pilsinger auch um Themen, die meist nicht speziell der CSU zugeschrieben werden: Umwelt und gesunde Ernährung.

Beim Wachstum Münchens setzt Pilsinger auf Zurückhaltung beim Bauen. Die Stadt dürfe nicht, um quantitativ mehr Leute zu beherbergen, bei der Lebensqualität nachlassen.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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