Beim Feuerwehrumzug hat sie schon trainiert:Drei Stunden Rampenlicht

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Rummel aushalten, reiten können und richtig gut bairisch reden - Viktoria Ostler wird den Einzug der Wirte als Münchner Kindl anführen

Von Gudrun Passarge, Garching

Die Großtante war es, die Tante auch, jetzt ist Viktoria Ostler an der Reihe, die Mönchskutte überzustreifen. Die 23-Jährige wird in bester Familientradition als Münchner Kindl vor dem Wiesnumzug vorneweg reiten. Und beim Wiesnanstich auf einem Kissen auf dem Fass Platz nehmen. Die junge Frau mit den langen blonden Haaren kann sich noch gut erinnern. Im Haus ihrer Oma hing ein Foto der Tante Helene Münchhalfen, hoch zu Ross, im schwarz-gelben Gewand, das hat sie stets bewundert. "Das hat im Endeffekt den Anstoß gegeben, mich zu bewerben", erzählt sie.

Viktoria Ostler ist in Garching aufgewachsen, aber in München geboren, weshalb sie schon mal ein wichtiges Kriterium erfüllt. Es gibt noch mehr. "Man muss was mit Bier zu tun haben, und ich bin eben eine Mälzertochter." Sie hat ihren Lebenslauf an den Festring geschickt, einem Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Brauchtum zu pflegen. Er sucht die Münchner Kindl aus, meist sind es Töchter von Wirten oder aus Brauereifamilien, manchmal auch Moderatorinnen oder angehende Schriftstellerinnen, wie beispielsweise Ellis Kaut. Die Mutter von Pumuckl war 1938 das erste Münchner Kindl des Vereins.

Doch Geburt allein macht es nicht. "Sie achten auch darauf, dass man verschiedene Sprachen spricht", sagt Viktoria Ostler, die Englisch, Französisch und ein wenig Spanisch aufbieten kann. Und sicherlich war es nicht hinderlich, dass sie für ihr Leben gern reitet. Die Garchingerin ist mit Pferden aufgewachsen. "Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich nicht geritten bin." Angefangen vom Pony eines Cousins bis zu den eigenen Haflingern Maxi und Buerli. Ihre Mutter, erzählt die Jura-Studentin, sei schon eine Pferdefanatikerin gewesen, "sie hat es mir beigebracht".

Offenbar gefiel dem Festring, was Viktoria Ostler in ihrem Lebenslauf vorzuzeigen hatte. Sie wurde zum Gespräch eingeladen und sie habe sich dort sehr gut unterhalten. "Was dabei wohl am allermeisten überzeugt hat war, dass ich sehr, sehr gut bairisch sprechen kann." So machte sie sich nach dieser Einladung schon gewisse Hoffnungen, das nächste Münchner Kindl zu werden, "trotzdem bin ich noch aus allen Wolken gefallen, als ich die Nachricht bekam".

Seitdem hat sich schon einiges getan. Ostler war beispielsweise in der Münchner Modeschule und hat sich ihr Gewand anfertigen lassen. Zwei Meisterinnen der Schule haben es übernommen, ihr das Kleid auf den Leib zu schneidern. Und ein bisschen was durfte sie auch selbst bestimmen. "Es gibt zwar nicht viel Spielraum", aber beispielsweise über die Ärmellänge und die Breite des gelben Streifens durfte sie entscheiden. Die Kutte aus feinstem Wollstoff ist nicht leicht, und sie ist auch warm, wenn die Sonne runterbrennt. Aber andererseits, falls es etwas kühler sein sollte, wärmt sie und sie lässt auch nicht gleich alle Regentropfen durch.

Mit Kutte und Masskrug ausgestattet darf Viktoria Ostler beim Wiesneinzug vorweg reiten. Ihren Partner hat sie bereits kennengelernt. Er heißt Jackl und ist ein belgisches Kaltblut. Jackl, den die Spatenbrauerei zur Verfügung stellt, hat bereits Erfahrung, er ist schon seit vier Jahren im Geschäft. Für die junge Reiterin jedoch war es erst einmal ungewohnt, im Damensattel zu sitzen. "Wenn er geht, wackelt es schon gut hin und her." Die beiden haben ihre Feuertaufe aber schon mit Bravour bestanden. Das neue Münchner Kindl durfte bereits im Mai zum Jubiläumsumzug der Münchner Feuerwehr mitreiten, allerdings mit ungewohntem Beiwerk: statt Masskrug hielt sie einen Helm und einen Spritzenaufsatz in der Hand.

Jetzt, so kurz vor Wiesnbeginn, hat Viktoria Ostler noch viel zu tun. Ein Interview jagt das nächste, dazwischen liegen Termine wie etwa der Keferloher Montag oder ein Fotoshooting für eigene Autogrammkarten. Nervös sei sie noch nicht, sie bezeichnet sich selbst als eher ruhigen Menschen. "Das kommt bei mir immer erst kurz vorher." Auf jeden Fall freut sie sich auf das erste Wiesnwochenende und auch auf mögliche Folgetermine, die sie spontan auf sich zukommen lässt. Ein Vorteil dabei ist sicher, dass sie es mag, neue Menschen kennenzulernen. Die Frau des Oberbürgermeisters Dieter Reiter beispielsweise. Ostler erzählt beeindruckt von Petra Reiter, die sich in der Stiftung "Bunte Münchner Kindl" engagiert. "Ich finde es sehr gut, wenn man Menschen hier unterstützt", sagt die 23-Jährige. Als die Stiftung nach alten Schulranzen gesucht habe, hat auch sie sich von ihrem alten Schulranzen getrennt. "Solche Leute lernt man ja sonst gar nicht kennen", sagt sie, "das finde ich toll."

Die Aufmerksamkeit um ihre Person betrachtet die junge Garchingerin dagegen eher mit zwiespältigen Gefühlen. "Auf Facebook steppt der Bär", aber sie beantworte jetzt keine persönlichen Fragen mehr. Nicht, dass sie unhöflich sein möchte, aber sie könne nicht jedem "wie geht's und was machst du heute" antworten. Zumal sie eh schon von Termin zu Termin eilt. Da ist es schon ein Glück, dass sich ein paar Minuten hier auf dem blumengeschmückten Innenhof des Hauses ihrer Eltern finden, wo sie schon fast wie ein Profi alle Fragen beantwortet. Bleibt nur noch zu hoffen, dass am Wiesnwochenende gutes Wetter ist, und dass sie und Jackl die drei Stunden mit Winken und Lächeln mit Grandezza hinter sich bringen. Doch bei all der Freude und dem Eifer, mit dem sie dabei ist, sollte das vielleicht eher kein Problem werden.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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