US-Wahl:Der Journalist, der Trump und Clinton bändigen muss

Campaign 2016-Debate Moderators

Lester Holt arbeitete 25 Jahre für diverse Stationen von CBS in New York und Chicago, bevor er zu NBC wechselte

(Foto: picture alliance / AP Images)

Lester Holt soll als Moderator des ersten TV-Duells Hüter der Wahrheit sein und unsichtbar bleiben. Ein extrem schwieriger Job - auch weil Trump schon Lügen über ihn verbreitet.

Porträt von Matthias Kolb, Washington

Als Moderator einer Nachrichtensendung und Krisenreporter ist Lester Holt Druck eigentlich gewöhnt. Doch was vor der ersten Fernsehdebatte von dem TV-Journalisten erwartet wird, ist ziemlich viel für eine Person. "Lester Holt trägt das Gewicht der ganzen Nation", schreibt CNN und die Los Angeles Times fordert ihn auf, dafür zu sorgen, dass die TV-Berichterstattung über den Wahlkampf "endlich vernünftig wird".

90 Minuten lang stehen Donald Trump und Hillary Clinton in der Nacht auf Dienstag auf der Bühne der Hofstra University bei New York und sie werden die Fragen des 57-jährigen Holt beantworten müssen. Dass so viel über dessen Rolle als Moderator geredet wird, liegt einerseits an Trump: Der Republikaner verbreitet so viele Unwahrheiten, dass nicht nur der Economist längst von "Post Truth Politics" spricht.

Andererseits hat es Matt Lauer, wie Holt Moderator beim TV-Sender NBC, Anfang September beim ersten indirekten TV-Duell nicht vermocht, Trump der Lüge zu überführen: Der Geschäftsmann behauptet ständig, den Irakkrieg abgelehnt zu haben, obwohl er sich 2002 dafür aussprach. Von Lester Holt wird nun erwartet, dass er besser vorbereitet ist als Lauer (das sollte klappen, da er sieben Wochen zur Vorbereitung hatte) und Fakten klarstellt.

Die Regularien der zuständigen Kommission (anders als in den primaries sind nicht die TV-Sender für das Format verantwortlich) sehen vor, dass der Moderator vor allem das Gespräch leiten und nicht unbedingt als Fakten-Checker agieren soll. Allerdings ist der Moderator ganz allein für die Ausformulierung seiner Fragen zuständig - als Themenblöcke hat er "America's Direction", "Achieving Prosperity" sowie "Securing America" vorgegeben.

Trump macht Holt fälschlicherweise zum Demokraten

Holt, der in Kalifornien aufwuchs und seit eineinhalb Jahren die "NBC Nightly News" moderiert, gibt zwar vor der Debatte keine Interviews, doch Vertraute versichern CNN, dass er sich seiner Verantwortung bewusst sei und bestrebt ist, umstrittene Behauptungen zu klären. Er könnte dies auch tun, indem er etwa Hillary Clinton auffordert, ein Statement Trumps zu kommentieren.

Zugleich versuchen beide Parteien, Holt zu beeinflussen. Prominente Demokraten twittern seit Tagen, dass man auch gleich auf einen Moderator verzichten könne, wenn dieser nicht willens oder fähig sei, Aussagen der Kandidaten zu überprüfen.

Trump hingegen spricht seit Wochen davon, dass die Wahl manipuliert und er als Anti-Establishment-Kandidat benachteiligt werde. Seine Liebe zu Verschwörungstheorien bewies er mit diesem Kommentar bei Fox News: "Lester ist ein Demokrat. Ich meine, sie sind alle Demokraten. Okay? Es ist einfach ein unfaires System." Dass Holt seit 2003 als Republikaner registriert ist, wusste Trump nicht - oder es war ihm egal. Die Absicht ist klar: Kritische Nachfragen sollen als parteiisch abgetan werden.

Nachrichtenprofi, Afroamerikaner, Republikaner

Holt ist seit 1992 der erste Afroamerikaner, der eine Präsidentendebatte moderieren darf. Für sein Auftreten als Leiter einer Demokraten-Debatte im Vorwahlkampf erhielt er beste Noten, weil er kritische Fragen stellte und dabei stets souverän und locker blieb. Er kennt sowohl Trump als auch Clinton gut: Er konnte beide jeweils drei Mal für ein Exklusiv-Interview befragen. Kollegen loben ihn als Teamplayer, Nachrichtenprofi und überzeugten Fernsehmann: Er arbeitete 25 Jahre für diverse Stationen von CBS in New York und Chicago, bevor er zu NBC wechselte.

Ironischerweise verdankt Lester Holt seinen aktuellen Job als Moderator der "Nightly News" (in Deutschland wäre dies die "Tagesschau" oder die "heute"-Sendung) den Lügen und Flunkereien eines anderen äußerst selbstbewussten blonden Mannes. Er beerbte im Frühjahr 2015 den Star-Moderator Brian Williams, der mehrfach öffentlich behauptet hatte, er sei 2003 im Irakkrieg in einem Hubschrauber gewesen, der mit einer Panzerfaust beschossen wurde - was jedoch erfunden war.

Obwohl Holt vorher nicht bekannt war, blieben die Einschaltquoten jedoch konstant und er berichtet seither aus aller Welt - etwa nach den Pariser Anschlägen oder von den Olympischen Spielen in Rio. Dank seiner Rolle als Moderator der ersten Debatte (später sind Martha Raddatz von ABC, Anderson Cooper von CNN, Chris Wallace von Fox News dran) wird der begeisterte Bass-Spieler und Fan der Band "Earth, Wind and Fire" wohl weltweit berühmt werden.

Demnach hat sich die düstere Prognose seiner Mutter nicht erfüllt. Als Holt 1979 sein Studium an der California State University in Sacramento abbrach, um für einen Radiosender in San Francisco zu arbeiten, war June Holt zu entsetzt, dass sie ihrem Sohn "Armut und Scheitern" vorhersagte. Den Uni-Abschluss hat Holt übrigens nie nachgeholt - aber seither bekam er schon zwei Mal die Ehrendoktorwürde verliehen.

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