TV-Kritik: Unser Star in Oslo:Es war, als ob John Legend singt

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Ganz viel Wohlfühlfernsehen mit Peter Maffay, doch zwei Kandidaten machten bei Stefan Raabs Castingshow alles anders. Eine kleine Nachtkritik.

Lisa Meyer

In diesen Tagen ist Peter Maffay schwer im Einsatz. Fast kein Tag vergeht, an dem der 60-Jährige nicht in Film, Funk und Fernsehen zu erleben ist. Der deutsche Softrocker befindet sich auf einer gefühlten Abschiedstournee, die wohl viele Monate lang über sieben Brücken führen wird.

Mit Kapuzenpulli und Lässigkeit sang sich Christian Durstewitz mit seiner Interpretation von George MichaelsFaithin die Herzen der Zuschauer. (Foto: Foto: dpa)

Nachdem Maffay am Samstag bei der Blond-Sirene des deutschen Fernsehens, Carmen Nebel, im ZDF auftrat, war er am Montag beim Privatsender Pro Sieben im Einsatz.

Dort sucht der Multi-Entertainer Stefan Raab unter warmer Anteilnahme des deutschen Volks als "Präsident" einer Jury einen Sänger oder eine Sängerin, die nicht beim Eurovision Song Contest scheitert. Bei der zweiten Folge begutachtete auch Sarah Connor die Kandidaten - und natürlich Peter Maffay.

Schon bevor das erste Stück auf der Bühne angestimmt wurde, verkündete der schlank gebliebene Routinier mir dem Steppenwolf-Image, dass es nicht nötig sein werde, hart zu kritisieren - denn man werde sicher "nette Sachen" zu hören bekommen. Er sollte recht behalten.

"Nett", das ist das Hauptwort der Castingshow Unser Star für Oslo. Nett waren die Titel, nett die Interpreten, nett auch die Moderatoren und Juroren - und nett war nicht zuletzt das disziplinierte Publikum.

Die zweite Vorrunde bot nach dem gelungenen Auftakt von voriger Woche solide Unterhaltung, wenn auch ohne Überraschungseffekt. Ein gelungenes Sendungskonzept lockte die Zuschauer trotzdem ein zweites Mal vor die Fernseher.

Die Juroren gingen höflich mit den Aspiranten um. So wurde Anastacias schwieriges I'm Outta Love, das die Schülerin Jennifer Braun, 18, durchstand, in dieser Version als "gelungener Auftakt" (Maffay) gewürdigt. Sharyhan Osman konnte der Jury mit I Have Nothing von Whitney Houston ein: "Ich fand das sehr professionell" (Raab) abringen.

Brachte einer der Interpreten dann tatsächlich auffällig schiefe Töne hervor, so sprachen die Bewerter von "verbesserungswürdiger Intonation", einigen "wenigen schwachen Momenten, die bei aller Aufregung ja leicht mal vorkommen können" und gelegentlich "fehlender Souveränität der Interpretation". Pädagogisch machten die Raabisten von Pro Sieben nichts falsch.

Bezeichnend für die Show: Das härteste Jurorenurteil war ebenfalls als Kompliment gemeint. So lobte Sarah Connor die blonde Sängerin Jana Wall, 25, für ihre Darbietung von Pinks Who knows mit den Worten: "Du sorgst für mega-hotten Tussi-Alarm." Der Tussi-Spruch der Tusnelda aus Bremen erreichte auf der nach oben offenen Bohlen-Skala den Spitzenwert an diesem Abend.

Sharyhan Osman wiederum durfte sich nach ihrem Auftritt anhören, dass sie mit längerer Pony-Frisur süßer ausgesehen hätte, wobei es ja eigentlich überhaupt keine Rolle spiele, da es schließlich nur um die Musik gehe. Direkt im Anschluss ermunterte Sarah Connor: "Du kannst dich trauen. Du bist doch hübsch, du bist süß." Ja, Mutti!

Selten ging es bei der Wir-fahren-nach-Oslo-Show richtig lustig zu. Wenn es komisch wurde, dann eher unfreiwillig. So schwärmte die Jury über Benahm Seifis Interpretation von Save Room, dass man, "wenn man die Augen schließt, das Gefühl hat, dass John Legend direkt vor einem steht" (Connor).

Fachmännisch fügte Moderatorin Sabine Heinrich, die zusammen mit Matthias Opdenhövel durch die Show führte, hinzu: "Ja, ich finde auch, dass er John Legend schon sehr ähnlich sieht." Der amerikanische Sänger ( Heaven) als Erscheinung in Köln durch einen nicht weißen Sänger, das muss auch Pro Sieben erst einmal hinbekommen.

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Deutschland hat einen Kandidaten für Oslo. Die Talentsuche von Stefan Raab und Kollegen ist damit zu Ende. Nun ist es doch ein bisschen schade.

Dies alles würde die Vorfreude auf den Eurovision Song Contest nicht besonders anheizen, wären nicht, wie schon in der ersten Runde durch Lena Meyer-Landrut, einige erfrischende Höhepunkte zu bewundern gewesen. Leon Taylor, ein im hessischen Dietzenbach lebender Brite mit jamaikanischem Vater und einer aus Barbados stammenden Mutter, faszinierte als vorletzter Kandidat mit dem einzigen deutschen Song des Abends.

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Peinlichkeiten als Methode: Stefan Raab kennt keine Grenzen - und sieht sich doch immer wieder selbst als Sieger.

Dietzenbach, ich komm aus dir!

Er sang Herbert Grönemeyers Der Weg ohne die gewohnt gepresste Schmalztonlage, dafür mutig mit souliger Stimme und Feuer in den Augen. Es geht doch! Dietzenbach, ich komm aus dir! Danke, Dröhnemeyer!

Das staunende Publikum bedachte den Hessen mit viel Applaus und mit dem Einzug in die nächste Runde.

Und abermals sollte der Letzte der Erste sein: Christian Durstewitz, 20-jähriger Musiker, stellte mit Charme und Talent alle in den Senkel. Nicht gezwungen locker, sondern gesegnet mit einer natürlich-sympathischen Lässigkeit, rockte er die Bühne mit seiner Interpretation von George Michaels spritzigem Faith. Die Kapuze seines Pullis über den Kopf gezogen, schwarze Locken das Gesicht umrahmend, ausgestattet mit seiner Gitarre, einer kraftvollen, raumgreifenden Stimme und einem einnehmenden Witz, eroberte Durstewitz die Zuschauer in der Halle und den Wohnzimmern.

Die konnten sich nach einem Abend Wohlfühlfernsehen getrost in ihre Betten verabschieden. Mit bodenständigen, charmant unperfekten Kandidaten ohne opulente Outfits, mit imposanter, aber nicht protzerischer Bühnenkulisse und sanft lobender, verständnisvoller Jury, hebt sich auch die zweite Folge von Unser Star für Oslo wohltuend von bisherigen Formaten wie Deutschland sucht den Superstar ab.

Hier quietscht keine Heidi

Die Nähe zur Langeweile ist unverkennbar. Wer auf pöbelnde Dieter Bohlens und quietschende Heidis verzichtet, riskiert Opas Kuschelunterhaltung a la Wetten, dass..? Als Zuschauer nimmt man den Verzicht auf Schadenfreude und kurze Lacher jedoch gerne in Kauf - zu anstrengend ist der Quotenkampf auf Kosten entblößungswilliger Castingkandidaten geworden. Da mag man nicht wieder entwürdigende Zusammenschnitte und Endloswiederholungen misslungener Gesangsversuche ansehen wie bei RTL.

Genau dieser Unterschied ist bei aller "Nettigkeit" das große Plus von Unser Star für Oslo. Interpreten und Zuschauer werden ernst genommen. Stefan Raab gab erneut die Rolle des galanten Gastgebers, was ihm besser steht als die des überehrgeizigen Verbissenen aus Schlag den Raab. Er konzipiert eine Show, in deren Verlauf es tatsächlich gelingen könnte, dass sich die Deutschen einen Kandidaten erwählen, mit dem sie in Oslo mitfiebern und mitfühlen können. Das freut auch die ARD, den Partner in dieser Sache.

Letztlich aber sind es Kandidaten wie Lena und Christian, die den Zuschauer am Umschalten hindern. Da akzeptiert man auch Peter Maffay, den ewig Netten des deutschen Musikgeschäfts.

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