"Tatort" aus Hamburg:"Irgendwas stimmt hier nicht"

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Franziska Weisz als "Tatort"-Kommissarin Julia Grosz in "Böser Boden" (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Die bösen Buben im Hamburger "Tatort" sind rechte Ökos. Aus diesem Ansatz hätte man eigentlich etwas machen können - stattdessen gibt es billigen Grusel und "Tatort"-Momente ranzigster Art.

Von Holger Gertz

Wenn Ökofreaks im Gebrauchskrimi auftreten, werden sie in der Regel als körnerfressende Zausel dargestellt, als gutherzige Kerbtierfreunde. Dieser Tatort vom NDR (Regie Sabine Bernardi, Buch Marvin Kren/Georg Lippert) immerhin strapaziert dieses Klischee nicht, hier treffen sich stattdessen Naturfans in dunklen Scheunen, sie keifen: "Ausländische Firmen bohren ihre gierigen Finger tief in unsere Erde." Die bösen Buben in "Böser Boden" sind zwar Ökos, stehen aber weit rechts, und bestimmt hätte man daraus eine Geschichte machen können: wie die Umweltszene von grünbraunen Mutterbodenschützern unterwandert wird.

Aber der Ansatz versickert in einem Morast, der vergiftet ist, weil ein Energiekonzern hier Fracking betreibt und dabei alles Böse an die Erdoberfläche holt. Ein iranischer Fahrer ist umgebracht worden, die Bundespolizisten Julia Grosz (Franziska Weisz) und Torsten Falke (Wotan Wilke Möhring) kämpfen sich durch einen Fall, in dem Horror mit Krimi vermischt wird, und weil sowieso alles mit allem vermischt wird, entsteht Brei. Die ungewohnten Gruselmomente werden vermengt mit Tatort-Augenblicken ranzigster Art, der Kommissar sagt Kommissar-Sätze aus den Achtzigern: "Irgendwas stimmt hier nicht." Durchs deprimierende Panorama walzt eine rülpsende Witzfigur vom Landesamt Hannover. In die Handlung wird umständlich die Vater-Sohn-Geschichte im Hause Falke eingepflegt, es gibt einen Auftritt der Band AnnenMayKantereit. "Zuhause bist immer nur du", singen die Herrschaften - eine Erkenntnis, die niemanden weiterbringt.

Der Kommissar sagt: "Die sehen alle so aus, als ob sie dasselbe Handtuch benutzen", was nicht auf AnnenMayKantereit gemünzt ist, sondern auf die wankenden Gestalten, mit denen sie es bei den Ermittlungen zu tun haben. Vom Gift - oder von der Angst - gelähmte Menschen mit schlechter Haut und leeren Augen. Sie beißen in Hände und rotten sich im Supermarkt zusammen. In diesem Tatort treten Zombies wie aus dem Faschingsladen auf. Und wer The Walking Dead überstanden hat oder nur Michael Jacksons "Thriller" - der wird sich auch hier vor Grusel allenfalls am Kopf kratzen, wie neulich schon beim Horrorverschnitt aus Hessen.

Der große Fußballkommentator Fritz von Thurn und Taxis musste einmal während eines Spiels auf den später laufenden Schocker hinweisen, er tat es mit der für ihn typischen wahrhaftigen Begeisterung: "Se Walking Dead. Auf Sky. Da sind nicht mehr alle am Leben, aber wenn Sie sich dafür interessieren - ein Drrraum!"

Der Tatort hier ist eher ein Albtraum.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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