Politischer Einfluss auf ARD und ZDF:Mit voller Kraft

Die Öffentlichkeit hat durch den CSU-Anruf beim ZDF ein hässliches Bild vom Umgang der politischen Klasse mit der Pressefreiheit gewonnen. Ein Bild von Parteien, die bestimmen wollen, was den Bürgern bekannt wird. Der Fall Strepp wirft ein grelles, aber kein neues Licht. Wie sich die Politik ihren Einfluss auf ARD und ZDF sichert.

Claudia Tieschky

Auf der Bühne ist der Tölpel eine nicht sehr helle Figur, die unterhaltsames Schlamassel anrichtet. Von der politischen Inszenierung der vergangenen Tage bleibt die Rolle des Tölpels an Hans Michael Strepp hängen, aber sein Part ist weder amüsant noch harmlos. Als CSU-Sprecher ist er zurückgetreten; der katastrophale Eindruck, den sein Anruf beim ZDF erzeugt, lässt sich nicht ungeschehen machen.

Die Öffentlichkeit hat ein hässliches Bild vom Umgang der politischen Klasse mit der Pressefreiheit gewonnen. Ein Bild von Parteien, die bestimmen wollen, was den Bürgern bekannt wird. Von einem Rundfunksystem, das in seinen redaktionellen Entscheidungen angefochten ist. Von einer Pressefreiheit, die klein gemacht wird, wenn es dem Machterhalt dient. Vom Versuch, gelenkte Wahrheiten unter die Leute zu bringen.

Die Chefredakteurin des Deutschlandfunks, Birgit Wentzien, hat im DLR ein bemerkenswertes Interview gegeben, in dem sie auch offen über eindeutige Anrufe von Politikern sprach. Das seien "Phänomene, die passieren", sagte Wentzien und fügte einen unbedingt wichtigen Gedanken an: Es gehörten, sagte sie, "immer zwei dazu" - einer, der es versucht, und einer im Sender, der nachgibt. Diesem Druck müsse man standhalten, "und das mit voller Kraft".

Es sind Parallelparlamente

Und wenn ein Nein nicht reicht? Der Druck, den Politik auf die öffentlich-rechtlichen Sender ausüben kann, funktioniert auch strukturell. Die Kontrollgremien der Sender - also Fernsehrat und Verwaltungsrat im ZDF und als Pendant Rundfunk- und Verwaltungsräte der ARD-Anstalten - sind zwar offiziell mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen besetzt. In Wirklichkeit sind sie nach politischen Kräften austariert. Es sind Parallelparlamente.

Wer Intendant wird, oder wegen welcher Beiträge ein Chefredakteur sich Gremienkritik unterziehen muss - an politischen Befindlichkeiten kommt das System nicht vorbei. Die ARD hatte jahrzehntelang eine Methode. Mit Politmagazinen, die sowohl vom als Rotfunk beschimpften WDR kamen als auch vom einst tiefschwarzen BR, bediente sie alle. Abwechselnd.

Karlsruhe wird 2013 entscheiden

Wer drin ist im Spiel, den stört es kaum. Es waren die Grünen, die 2009 noch keine rundfunkpolitische Macht zu verlieren hatten, die aufmuckten: Als der politisch unbotmäßige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender von einer konservativen Verwaltungsratsmehrheit unter Führung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch nicht mehr akzeptiert wurde, betrieben sie eine Verfassungsklage gegen zu viel Polit-Einfluss in den Gremien. Karlsruhe wird 2013 entscheiden. Der Fall Strepp wirft darauf kein neues, aber ein grelles Licht.

Eingereicht hat die Klage dann der SPD-Ministerpräsident Kurt Beck, die Union findet die Aktion eher überflüssig. Aber auch Beck musste man, so der Eindruck, eher zum Jagen tragen. Er ist Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats. Und will es bleiben.

Der Jurist, der für die SPD die Normenkontrollklage ausgearbeitet hat, wurde übrigens anschließend vom damals schwarz-gelb-grün regierten Saarland aus dem wichtigen Finanzkontrollgremium von ARD und ZDF, aus der KEF entfernt. Ganz sicher kein Zufall.

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