Netflix-Doku "Nobody Speak":Wenn Milliardäre die Presse zum Abschuss freigeben

Terry Bollea, aka Hulk Hogan, sits in court during his trial against Gawker Media, in St Petersburg, Florida

Triumph für Hulk Hogan, Ohrfeige für Gawker: In dem Prozess vor dem Gericht in St. Petersburg, Florida, bekam der Ex-Profi-Wrestler (hier einen Tag vor der Urteilsverkündung) recht.

(Foto: REUTERS)

Eine US-Doku zeigt, wie sehr der Rechtsstreit zwischen Hulk Hogan und dem Portal "Gawker" durch Rache und Geld befeuert wurde. Und welche vernichtende Kraft das hat.

Von Karoline Meta Beisel

Wenn man dieser Tage in den USA nach Beispielen für Bedrohungen der Pressefreiheit sucht, ist ein Gerichtsprozess um ein Sexvideo nicht das Erste, was einem einfällt.

Der Rechtsstreit des früheren Profi-Wrestlers Hulk Hogan mit der Klatsch-Website Gawker, der im vergangenen Jahr mit der Pleite des Unternehmens sein Ende nahm, ist etwas in Vergessenheit geraten, seit die Angriffe von Donald Trump auf die Presse die Medienberichterstattung in den USA bestimmen.

Dabei sind beide eng verknüpft, Trump und der Fall Gawker, weil sie Beispiele für dasselbe Phänomen sind: für Milliardäre, die sich keinen Deut um die Pressefreiheit scheren - so jedenfalls sieht es Brian Knappenberger in seinem Dokumentarfilm Nobody Speak: Trials of the Free Press, der von Freitag an bei Netflix verfügbar ist.

Die New Yorker Klatsch-Website Gawker, deren Gründer und ein Mitarbeiter waren im März 2016 von einem Gericht in Florida verurteilt worden, weil die Seite kurze Ausschnitte eines Videos veröffentlich hatte, das Hulk Hogan beim Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau seines besten Freundes zeigte.

Gawkers Geschäftsmodell bestand im Wesentlichen darin, Leuten ans Bein zu pinkeln und zwischendurch seriösen Journalismus zu machen. Nicht eben ein Medium, das man gerne zur Verteidigung der Pressefreiheit heranziehen würde. Das Urteil sorgte aber für Aufsehen, weil die Schadenersatzsumme - 140 Millionen Dollar - so hoch war, dass klar war, dass das Portal den Betrieb würde einstellen müssen.

Feinheiten belegen Zerstörungsabsicht

Zu einer Angelegenheit von verfassungsrechtlicher Relevanz wurde der Fall, als das Magazin Forbes zwei Monate später enthüllte, dass der Silicon-Valley-Milliardär und Paypal-Gründer Peter Thiel diesen Rechtsstreit finanziert hatte. Offenbar aus Rache, weil das Portal ihn neun Jahre vorher gegen seinen Willen geoutet hatte. Thiel formulierte das indes anders: Der Rechtsstreit mit Gawker gehöre zu den "bedeutenderen menschenfreundlichen Aktivitäten" seines Lebens, sagte er der New York Times.

Regisseur Brian Knappenberger (The Internet's Own Boy: The Story of Aaron Swartz) nimmt sich in seinem Film sehr viel Zeit, um den Rechtsstreit Hogan gegen Gawker in all seinen durchaus interessanten Feinheiten auszuleuchten - dass Hogan und seine Anwälte zum Beispiel genau den Teil der Anklage offenbar bewusst fallen ließen, bei dem die Versicherung des Portals eingesprungen wäre - das Ziel war offenbar, Gawker zu zerstören.

So dauert es aber ganze 45 Minuten, bis die Verwicklung Thiels in den Fall, das eigentliche Thema also, überhaupt zur Sprache kommt.

Weiterer Rachefeldzug

Insgesamt macht es den Eindruck, als sei der Film ursprünglich einmal anders geplant gewesen; als sei die Doku schon fast fertig gewesen, als Trump im November ins Amt gewählt wurde und dessen Angriffe auf die Presse plötzlich die Debatte beherrschten. Die Verbindung zwischen beiden Geschichten liegt ohnehin auf der Hand: Der deutschstämmige Peter Thiel gehört zu Trumps größten Unterstützern.

Der Film erzählt von einer weiteren Begebenheit, fast so unglaublich wie die von Thiels Rachefeldzug. Das Review-Journal aus Las Vegas gehörte zu den größten Tageszeitungen des Bundesstaats Nevada, als die Belegschaft im Dezember 2015 darüber informiert wurde, dass das Blatt von einem Konsortium nicht näher benannter Investoren gekauft worden war. Von wem? Das müsse sie nicht kümmern, erfuhren die Mitarbeiter, sie sollten einfach weiter ihre Arbeit machen wie bisher.

Das taten sie. Nach umfangreicher Recherche in eigener Sache stand fest: Der Casino-Magnat Sheldon Adelson - auch er ein Trump-Unterstützer - stand hinter dem Kauf. Forbes zählt Adelson mit einem geschätzten Vermögen von 30 Milliarden Dollar zu den reichsten Männern der Welt, ein Gutteil seines Vermögens stammt aus eben jenem Gewerbe, über das das Review-Journal bis dahin kritisch berichtet hatte.

Auf wessen Seite der Regisseur steht, daran bestünde auch ohne den kitschigen Appell für die Pressefreiheit am Ende des Films kein Zweifel. Bis auf einen der Hogan-Anwälte sehen alle Protagonisten das Wirken der freien Presse durch Milliardäre bedroht, auch wenn die geschilderten Fälle kaum vergleichbar sind. Die eigentliche Frage in "Nobody Speak" lautet: Was können sich Medien noch erlauben, die keinen schwerreichen Gönner im Rücken haben? Dazu dürfte Knappenberger auch selbst etwas beizutragen haben: Unter den Produzenten des Films ist die Firma First Look Media. Sie gehört einem Mann, der schon 2016 dazu aufgerufen hatte, Gawker zu untersützen: Pierre Omidyar, dem Gründer von Ebay.

Nobody Speak: Trials of the Free Press, von Freitag an abrufbar auf Netflix.

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