Amazon Prime:"The Grand Tour": Comeback der Autonarren

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Amazon schickt das "Top Gear"-Team um Jeremy Clarkson in "The Grand Tour" rund um die Welt. Aber warum funktioniert die Show nicht in Deutschland?

Von Max Hägler und Christian Zaschke

Man braucht nur wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie in der BBC am Freitag die kreativen Abteilungen, die Finanzmenschen und die Bosse mit einer Mischung aus Wut und Bewunderung vor den Bildschirmen saßen, während Jeremy Clarkson ihnen eine Lehrstunde erteilte. Die British Broadcasting Corporation hatte den Moderator von Top Gear , der erfolgreichsten Autoshow des Planeten, im vergangenen Jahr gefeuert. Am Freitag feierte Clarkson ein grandioses Comeback. Nur eben nicht in der BBC.

Clarkson ist zum Onlineversandriesen Amazon gewechselt, der am Freitag erstmals die neue Show The Grand Tour über seinen Streamingdienst Amazon Prime ausstrahlte. The Grand Tour ist natürlich wieder eine Autoshow, und selbst Menschen, die von Autoshows ungefähr so viel halten wie von Rahmporree oder Hammerzehen, müssen zugeben, dass diese Sendung ausgesprochen gut geschrieben, produziert, gefilmt und moderiert ist. Es ist schwer vorstellbar, dass in der BBC nicht mindestens leise Verzweiflung herrscht.

Das Problem für die BBC war immer: Clarkson ist ein unerträglicher Kerl. Witze reißt er gern über Frauen oder Ausländer. Er gibt sich anti-elitär und ist mit dem früheren britischen Premierminister David Cameron befreundet. Er schreibt Kolumnen im Boulevardblatt The Sun und in der Sunday Times, die beide dem Medienunternehmer Rupert Murdoch gehören, der nicht unbedingt durch sonderlich liberale Ansichten auffällt (um ehrlich zu sein: er ist ein reaktionärer Greis). In einer dieser Kolumnen schrieb Clarkson einmal, Prinz William sei ein Weichei, weil er bloß Rettungshubschrauber fliege, wohingegen Prinz Harry ein echter Mann sei, weil er Kampfhubschrauber zu bewegen wisse. Clarkson ist ein Fossil, ein mittelalter Macho mit Wampe, der raucht, trinkt, beleidigt und überwiegend unerträglich dummes Zeug redet. Und er ist ein fantastischer Moderator.

Clarkson ist ein fantastischer Moderator. Doch als er seinen Produzenten schlug, flog er raus

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Mit der Sendung Top Gear, die Clarkson gemeinsam mit James May und Richard Hammond moderierte, verdiente die BBC Dutzende Millionen Pfund im Jahr mit internationalen Lizenzen, weshalb Clarkson als unantastbar galt. Er hatte in seinen Sendungen Asiaten beleidigt, Mexikaner sowieso, und aus Argentinien musste er allen Ernstes fliehen, weil er in einem Porsche herumfuhr, dessen Kennzeichen an den Falklandkrieg erinnerte, was die Einheimischen zu Clarksons gespielter Überraschung sehr erboste. Doch die BBC verzieh ihm, wieder und wieder.

Im vergangenen Jahr schlug Clarkson einen der Produzenten der Show, weil es im Hotel am Abend nur noch kalte Küche gab und nicht, wie von Clarkson gewünscht, ein Steak. Das war zu viel. Schwersten Herzens schmiss die BBC ihn raus.

In 36 Folgen werden drei mittelalte Säcke in allerlei Autos politisch inkorrekte Witze reißen

Amazon nutzte die Gunst der Stunde und nahm Clarkson mit seinen beiden Co-Moderatoren unter Vertrag. In den kommenden drei Jahren werden die drei Männer 36 Folgen von The Grand Tour präsentieren, in denen es darum geht, in allerlei Autos durch die Gegend zu fahren und dabei politisch inkorrekte Witze zu reißen. Klingt, als sei das nicht so schwierig? Die BBC hat eine Staffel von Top-Gear-Folgen mit neuen Moderatoren produziert, und das Resultat war verheerend. Autoshows sind, wenn man sich nicht sehr für Autos interessiert, unfassbar langweilig. Was Clarkson mit seinen Sidekicks May und Hammond schaffte und jetzt wieder schafft, ist einerseits, eine Sendung zu machen, die sich tatsächlich mit Autos beschäftigt, aber andererseits nichts von alldem wirklich ernst nimmt. Man schaut drei mittelalten Säcken zu, die sich ein wenig amüsieren. Es ist vielleicht keine Überraschung, dass die Sendung besonders bei mittelalten Männern sehr gut ankommt.

In dieser Woche waren Clarkson und seine Kompagnons in Deutschland unterwegs, um neue Folgen zu drehen. Dabei ergab sich die Gelegenheit, mit den drei Herren zu sprechen, in Einzelinterviews à 15 Minuten. "Wissen Sie, was ich an Deutschland schätze", fragt Clarkson also, und gießt sich Gin nach. Er ist berüchtigt für Witze über die Krauts. Antwort also: "Nein, wirklich nicht." "Dass mich hier keiner kennt", sagt er, "keine Selfies, keine Autogramme." Tatsächlich ist die weltweit erfolgreichste Autoshow in Deutschland immer nur in den Nischenprogrammen gelaufen. Weltweit schalteten bis zu 350 Millionen Zuschauer ein, wenn Top Gear lief. Doch in Deutschland interessierte sich außer England-affinen Autofans kaum jemand für die Sendung.

Kabel 1 versuchte sich an Top Gear und stellte die Show rasch wieder ein. Kaum jemand wollte das sehen. Auf DMAX läuft die Sendung noch, einem Spartensender für Männer, von dem die meisten Menschen nicht mal wissen, dass er existiert. Aber vielleicht werden Clarkson und seine Kollegen nun doch auch hierzulande noch berühmt, im dritten Anlauf: mit der neuen Show auf Amazon Prime.

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Diese wurde mit spektakulärem Aufwand produziert. Es ist von der ersten Sekunde an deutlich, dass Geld überhaupt keine Rolle spielt. Unter anderem fliegen sieben Jets über die kalifornische Wüste, um die drei Männer zu begrüßen. Hollywood-Stars haben missglückte Gastauftritte (es ist eine Art Running Gag, dass Stars, die in der Sendung auftreten wollen, angeblich spektakulär zu Tode kommen), der Materialeinsatz ist beträchtlich, und die Honorare der drei Männer - sie sind so hoch, dass auch in der BBC nur leise darüber spekuliert wird.

In den Zeiten vor dem Internet wäre jemand wie Clarkson nach einem Rausschmiss bei der BBC wohl auf dem Abstellgleis verrottet. Doch jetzt gibt es so viel Konkurrenz abseits des linearen Fernsehens. Für Amazon ist Clarkson auch ein wichtiger Teil des Angriffs auf Netflix. Vorerst gibt es die Show nur in den USA, in Großbritannien, Deutschland, Australien und Japan. Doch The Grand Tour soll von Dezember an weltweit gezeigt werden. "Mehr haben wir nicht anzukündigen", sagte eine Amazon-Sprecherin, was so viel heißt wie: Wir greifen jetzt an.

Die drei Männer lassen sich freundlich dazu befragen, warum ihre Show nun gerade in Deutschland nicht funktioniert. Liegt es am - man traut sich kaum, es zu fragen - deutschen Humor? Ach, der sei so anders nicht, sagt erst Clarkson (er trinkt einen Gin Tonic), dann Hammond (Weißwein), und schließlich May (Gin mit einem klitzekleinen bisschen Tonic). Clarkson bringt dazu das durchaus gewichtige Argument, dass die Komikergruppe Monty Python, die er sehr liebe, ja extrem erfolgreich in Deutschland gewesen sei. Und das sei nun einmal britischer Humor, wie er britischer nicht mehr geht.

Also, warum funktioniert dann die Autoshow nicht im Autoland? Richard Hammond sagt: "Wenn Deutsche sich dödelig benehmen wollen, ist es peinlich. Und wenn Briten effizient sein wollen, dann kommt Mist dabei raus." Was er sagen will: Jedem das Seine. James May erläutert dann, Gin sei ein Drink für den Tag, anders als Whisky, der sei für spezielle Momente, also für die Nacht. Zum Thema Humor sagt er: "Briten und Deutsche sind allein lustig und in der Masse peinlich, das nimmt sich nichts." Aber vielleicht sei es so, dass Deutsche die Autos nie als lustige Objekte zum Spaßhaben, sondern immer als Ingenieure betrachten würden.

Also nehmen die Deutschen Autos zu ernst? May lächelt. Es würde ja passen, die Branche ist in Deutschland nahezu spaßbefreit, und alle Fachpostillen und Automagazine, allen voran das Blatt Auto Motor und Sport, sind von großer ADAC-Haftigkeit. "Nein, nein", sagt May, "ich würde nicht sagen: zu ernst. Ihr macht ja doch die Autos, die wir wollen. Vielleicht geht das nur mit dieser Einstellung." Das würde aber doch bedeuten, dass die drei auch diesmal zum Scheitern verurteilt sind im Autoland? "Kann sein, aber wir sind eh zu alt, um uns zu ändern", sagt May. "Mag sein, dass wir wieder scheitern", sagt auch Clarkson, man werde sehen. Er versteigt sich dann zu einer großen These, die womöglich dem Gin entspringt: Die Welt als Ganzes könne doch zusammenwachsen mit dieser Idee, dass man von Land zu Land zieht und einfach ein wenig Blödsinn macht. Da könnten die Leute voneinander lernen. Dass die meisten Menschen diese Möglichkeit eher nicht haben, übersieht er ebenso gelassen wie geflissentlich.

Neulich hat Clarkson seinen Flug verpasst, weil er lieber weiter in der Lounge trinken wollte

Als er vor einigen Tagen mit einer CNN-Moderatorin sprach, sagte diese, das Auto sei in Amerika erfunden worden. Das hätte den bekanntesten Auto-Journalisten der Welt aufregen können, aber Clarkson regt sich nur auf, wenn es um ihn selbst geht. Als er in dieser Woche aus Stuttgart zurück nach London fliegen wollte, saß er mit seinen beiden Kollegen so lange in der Lounge am Flughafen, bis der Flug geschlossen wurde. Als er dann nicht mehr mitfliegen durfte, behauptete er, ein argentinischer Angestellter des Flughafens habe sich an ihm gerächt für die Nummer mit dem Falkland-Porsche. Die Sun machte die Story zur Titelgeschichte. Allerdings war der Angestellte Spanier, und Clarkson hatte es trotz Aufforderung vorgezogen, noch einen Drink in der Lounge zu nehmen, statt zum Flugzeug zu gehen.

Zum Abschluss des Gesprächs mit der SZ sagt er: "Ach, lass uns einfach da rausgehen und über Autos reden. Und ein bisschen Quatsch machen." Clarksons sehr gelassene Haltung mag sich auch damit erklären lassen, dass Amazon ihn für seine Dienste angeblich mit zehn Millionen Dollar im Jahr entlohnt.

The Grand Tour , abrufbar bei Amazon Prime.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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