Stilkritik: Der Verteidigungsminister:Guttenberg, selbstleuchtend

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Kaschmirjacke, Freizeithose im Farbton desert tan und ein inneres Leuchten: Verteidigungsminister Guttenberg sieht auch am Hindukusch blendend aus.

Kurt Kister

Überall dort, wo Stumpfsinn und Gefahr, latente Gewalt und Bürokratie eng beieinander wohnen, gibt es auch Witze mit einem schicksalsergebenen Grundton. Typisch dafür ist das Militär. Zum Beispiel: Ein Unteroffizier stellt einen Soldaten, der mit offener Kampfjacke herumläuft: "Bilden Se sich ein, Mann? Sehen Se denn aus? Offene Jacke, und so?" Der Soldat blickt an sich herunter und sagt: "Wollen Sie einen Killer, Herr Unteroffizier, oder einen Dressman?"

Verteidigungsminister Guttenberg in Kundus: Der eleganteste Minister, der jemals Regionen besuchte, in denen es zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen kommt. (Foto: Foto: AP)

Die Bundeswehr muss im November 2009 eigentlich eine glückliche Armee sein. Sie hat jetzt einen Minister, der früher selbst Unteroffizier war, und heute ganz eindeutig auch ein Dressman ist. Am Freitag war Karl-Theodor zu Guttenberg in Kundus, Afghanistan.

Er trug eine sehr schöne dunkle Jacke von Loro Piana, natürlich 100 Prozent Kaschmir, mit elfenbeinfarbenem Innenfutter. Sein grauer Turtleneck, mutmaßlich ebenfalls Kaschmir, harmonierte farblich und sogar stilistisch mit der schwarzen Splitterschutzweste. Die feste Freizeithose im Farbton desert tan bot mit ihren praktischen aufgenähten Seitentaschen einen dezenten Kontrapunkt.

Sie signalisierte, dass der Hindukusch jenseits von Obi liegt. Außerdem passte sie zu den dunkelbraunen Wildleder-Clarks. Kein Zweifel, dies ist der eleganteste Minister, der jemals Regionen besuchte, in denen es zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen kommt.

Als würde er leuchten

Schon am Donnerstag zeigte Guttenberg, dass man unter all den Flecktarn-Kriegern mit Wrap-around-Sonnenbrillen im einfachen dunkelblauen Anzug eine gute Figur machen kann. Es gab ein sehr schönes Photo, auf dem Guttenberg mit zartblauer Krawatte in der leichten Dämmerung des Laderaums einer Transall steht. Die Hände hat er in die Hüften gestützt, das subalterne Offiziersvolk im Tarngewand umgibt ihn in einer distanzwahrenden, ehrfurchtsschwangeren Korona.

Natürlich ist es nur Licht, das von außen auf den Baron fällt, aber er sieht auf dem Foto trotzdem so aus, als leuchte er selbsttätig von innen. Man denkt an Bob Dylan und seinen Song "It's Alright Ma, I'm Only Bleeding". In dem Lied ist von "flesh-colored Christs that glow in the dark" die Rede, fleischfarbene Christusse, die im Dunklen leuchten. Die Armee hat einen "cashmere dressed secretary that glows in the dark", einen Kaschmir-Minister, der im Dunklen leuchtet.

Vor einem guten Jahrzehnt galt Gerhard Schröder als der Brioni-Kanzler, weil er sich, erfolgstrunken wie er damals war, in einem sehr eleganten Anzug eben jener italienischen Marke fotografieren ließ. Die Angelegenheit war deswegen so bemerkenswert, weil dieser Politiker und dieser Anzug nicht zusammenpassten. Einer von beiden war dem anderen ein Fremdkörper. Poltrige Männer mit nach oben gedrehten Nackenlocken gehören nun einmal nicht in Brioni und in Versace, nur wenn sie bei den Sopranos eine Nebenrolle spielen.

Schröder übrigens trug bei seinen Ausflügen ins Kosovo oder nach Afghanistan zumeist nur dezentes Anthrazit. Schutzwesten legte er nicht gerne an. Hin und wieder, wie etwa 1999 in Pristina, wurde ihm ein dünnes Kevlar-Wams aufgebürdet, das er unter dem Hemd zu tragen hatte. "Man schwitzt in dem Ding wie ein Schwein", sagte er bei dieser Gelegenheit.

Im Vorstadt-Safarilook nach Kundus

Peter Struck, des selbstleuchtenden Guttenbergs Vorgänger, reiste hin und wieder im Vorstadt-Safarilook nach Kundus oder Masar-i-Scharif. Dies allerdings wirkte bei Struck nicht peinlich, weil er weniger darauf achtete, wie etwas aussah als vielmehr, ob etwas praktisch war. Struck zählte mit dieser Einstellung zur Vielzahl deutscher Männer, die in ihrer Freizeit jene schilffarbenen Westen mit vielen Taschen anziehen. Peter Struck fuhr gerne Motorrad und rauchte Pfeife. So sah er auch am Hindukusch aus.

Im Rückblick auf 30 Jahre bundesdeutscher Wehrgeschichte von Manfred Wörner bis zu Karl-Theoder zu Guttenberg ist erkennbar, dass die Bundesrepublik souverän geworden ist - zumindest was die Klamotten angeht. Guttenbergs Eleganz in Kabul erinnert zudem an Rudyard Kipling. Er hat eine wunderbare Ballade mit dem Titel "The Ballad of East and West" geschrieben, in der es um ein besonderes Regiment der britischen Armee in Afghanistan geht.

Die Offiziere des Queen's Own Corps of Guides sind Gentlemen von Rang und Stand, die in gut geschnittenen Khaki nobel, aber auf die Dauer aussichtsarm agieren. Sie würden, gäbe es sie denn noch, den Baron bestimmt gern aufnehmen.

© SZ vom 14.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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