Nach Rücktritt von Benedikt XVI.:Dringende Wünsche an den neuen Papst

Benedikts Nachfolger wird eine neue Ära einleiten. Oder? Das hoffen zumindest viele Gläubige in aller Welt. Was soll der neue Pontifex zuerst anpacken, welche Reformen drängen? Zehn Wünsche an das kommende Oberhaupt der katholischen Kirche aus der Süddeutsche.de-Redaktion - vom Umgang mit Missbrauchsfällen und Pius-Brüdern bis zur Rolle von Frauen und Laien.

Wir wünschen uns bessere Beteiligung von Frauen.

Die Kirche hat ein Frauenproblem. Auf höherer Ebene. Zwar sind in der katholischen Kirche Frauen in der Mehrheit, sowohl, was die Mitarbeit, als auch, was die Anwesenheit angeht. Aber: Wenn es um Ämter geht, beruft sich die Kirchenleitung auf die jahrtausendealte Schrift und damit auf eine gesellschaftliche Stellung der Frau, die es längst nicht mehr gibt. Zum Beispiel auf den Korintherbrief: "Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim ihre Männer fragen."

Will heißen: Frauen haben in der Kirche nicht aufzumucken. Sie seien dem Manne untertan. Wer das nicht anerkennt, soll ebenfalls schweigen. Unbegreiflich ist dieser stetige Abwehrkampf, den die Kirche führt, die Verweigerung, sich allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen - wie eben der erstarkenden Rolle der Frau - zu beugen. Warum eigentlich? Weil die katholische Kirche fürchtet, ansonsten von den schnelllebigen weltlichen Entwicklungen überrollt und zersetzt zu werden?

Bis heute gilt: In der katholischen Kirche dürfen Frauen höchstens liturgische Hilfsarbeiten übernehmen - viel näher als an das Verteilen der Hostien bei der Kommunion kommen sie an das Allerheiligste nicht heran. Frauen dürfen nicht predigen, geschweige denn zur Priesterin geweiht werden. Theologisch wird das unter anderem damit begründet, dass Jesus seine Apostel auch nur aus Männern erwählt habe. Aber: Was war mit Maria Magdalena? Und: Wissen wir, aus welchem Grund? Vielleicht hatten Frauen auch damals schon eher mit Familienbetreuung zu tun als mit Heilsverkündungen? Ein Umstand, den die Kirche mit Einrichtungen wie Kindergärten und Altenheimen heute mithilft, abzumildern. Noch 1994 jedenfalls hat der damalige Papst Johannes Paul II. diese Maßgabe, dass Frauen nicht zur Priesterin geweiht werden dürfen - als verspätete Reaktion auf die Frauenbewegung - schriftlich fixiert; und kein geringerer als der damalige Vorsitzende der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, hat dies 1995 noch einmal bestätigt. Die Kirche ist und bleibt ein Männerklub.

Sie sollte endlich im dritten Jahrtausend ankommen und angestaubte, der Sache nicht dienliche Vorstellungen behutsam abstreifen. Nur dann wird sich die Kirche für die Zukunft wappnen können. Schließlich schadet sich jedes Unternehmen, ob weltlich oder kirchlich, am Ende selbst, wenn es auf den Einsatz engagierter Frauen dauerhaft verzichtet.

Ruth Schneeberger

Wir wünschen uns eine moderne Familienpolitik.

Der scheidende Papst spricht die Sprache der Jugend, könnte man meinen: Seit vergangenem Dezember spendet @pontifex seinen Segen auch virtuell, via Twitter. In 140 Zeichen äußert sich Benedikt XVI. sogar zum Thema Sexualität - doch hier zeigt sich, dass er vielleicht das Medium der Jugend nutzt, aber sie deswegen noch lange nicht versteht: "Freudig hört Maria, dass sie die Mutter von Jesus, dem Sohn Gottes, werden soll. Die Einheit mit Gott schenkt die wahre Freude", lautet ein Tweet. Das impliziert nicht zuletzt: Wenn überhaupt, ist Sex im heiligen Stand der Ehe zu praktizieren. Das aber geht an der Lebensrealität der allermeisten Jugendlichen vorbei.

Heranwachsende Mädchen und Jungen, auch katholische, beschäftigen ganz andere Probleme, als jenes, wie sie es schaffen, ihre Jungfräulichkeit bis zur Heirat zu behalten: Wann will ich? Was will ich? Was will ich nicht? Muss ich meinen Körper verändern, dem medial vermittelten Schönheitsbild anpassen? Das sind nur einige Fragen, die sich Jugendliche in Zeiten zunehmender Sexualisierung - nicht nur durch uneingeschränkten Zugang zu Pornografie - stellen. Der neue Papst muss sich, wenn schon nicht um Antworten, so zumindest um lebensnahe Denkanstöße bemühen. Sonst versteht ihn irgendwann die Jugend gar nicht mehr.

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Untrennbar mit dem Thema Sexualität ist die Frage der Verhütung verbunden: Hier hat sich Benedikt XVI. in fataler Weise geäußert, indem er 2009 bei einem Besuch in Afrika vor Journalisten sagte, der Gebrauch von Kondomen helfe nicht bei der Eindämmung von Aids, sondern trage zur weiteren Verbreitung bei. Erst gegen Ende seiner Amtszeit lenkte er ein und wagte sich mit dem Eingeständnis, dass Verhütungsmittel in Ausnahmefällen akzeptabel seien, auf einen Weg, den sein Nachfolger wünschenswerterweise noch entschiedener beschreiten sollte.

Vielleicht steht am Ende dieses Weges das Zugeständnis, dass - über die Frage des Krankheitsschutzes hinaus - ein Kind glücklicher sein kann, das von den Eltern und nicht der Kirche gewollt ist. Oder wie Guardian-Autorin Joy Bennett in der Frage der Sexual- und Familienpolitik an die christlichen Kirchen appelliert: "Lehrt uns, wie wir gesunde Individuen werden und gesunde Beziehungen aufbauen. Sagt uns, warum wir Selbstdisziplin lernen sollten und wie uns Enthaltsamkeit helfen könnte. Aber vor allem, erinnert uns daran, dass uns Gott liebt - was auch immer ist."

Johanna Bruckner

Bessere Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen

Wir wünschen uns eine bessere Aufarbeitung der Missbrauchsskandale.

Im September 2010 reiste Benedikt XVI. nach Großbritannien, um sich dort mit Missbrauchsopfern zu treffen. Um solchen Verbrechen vorzubeugen, nannte der Papst drei Punkte: "Das erste Interesse muss den Opfern gelten", sagte er und sprach über Wiedergutmachung. "Das zweite ist das Problem der Schuldigen: die gerechte Strafe finden, sie von jeder Möglichkeit des Kontaktes zu Jugendlichen auszuschließen. Und der dritte Punkt ist die Prävention in der Ausbildung und der Auswahl der Priesteramtskandidaten."

Der kommende Papst sollte diese weisen Worte auch im Inneren wirken lassen. Er muss dafür sorgen, dass Strukturen geschaffen werden, die Missbrauch verhindern und Opfer erhören. Und zwar weltweit, wo im institutionellen Schutz der katholischen Kirche tausendfacher Missbrauch stattgefunden hat. Doch auch und gerade in Deutschland muss der nächste Papst die Aufarbeitung zu Ende zu bringen. Eben erst hat die Deutsche Bischofskonferenz eine wissenschaftliche Aufarbeitung gestoppt, die Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche seit 1945 nachspüren wollte.

Eine unabhängige Erforschung wäre ein Anfang. Ja, aller Anfang ist schwierig. Und dennoch kann sich die Kirche in dieser Frage in Zukunft nicht hinter der berühmten Mauer des Schweigens oder Vertuschens verstecken. Das wäre schlicht unchristlich - und ein weiterer Skandal. Die Kirche muss damit aufhören, sich selbst als Opfer zu sehen, um endlich die wahren Opfer ernst nehmen zu können. Dazu könnte etwa beitragen, dass angemessene Entschädigungen gezahlt werden. Im internationalen Vergleich, wo Zigtausende (Österreich, Niederlande), Hunderttausende (Irland) oder Millionen Euro Entschädigungen (USA) gezahlt werden, nimmt sich Deutschland mit zwei- bis fünftausend Euro pro Opfer kleinlich aus - Kritiker finden, dass damit die Opfer nach der Tat und den Vertuschungsversuchen ein drittes Mal verhöhnt werden.

US-Opfer-Anwalt Jeff Anderson prophezeite: "Die Vertuschung sexueller Fehltritte ist derart tief in der klerikalen Kultur verankert, dass eine wirkliche Änderung nur von der Vatikan-Führung selbst kommen kann." Bleibt zu wünschen, dass sich der nächste Papst dieses Themas unmissverständlich annimmt.

Ruth Schneeberger

Wir wünschen uns, dass Laien mehr Verantwortung übernehmen dürfen.

Die katholische Kirche hat seit langem Nachwuchssorgen in Deutschland. So heftige, das Pfarrgemeinden zusammengelegt werden müssen. Dass an Weihnachten ein Pfarrer drei Messen in kilometerweit auseinander liegenden Dörfern zu unterschiedlichen Zeiten hält. Dass nicht mehr genug Zeit bleibt für die Alltagssorgen der Gemeindemitglieder. Seit mehr als zehn Jahren verändert sich die Struktur der 27 deutschen Bistümer. Das bedeutet vor allem, dass sich die Gemeindegebiete stark vergrößern, dass ein Priester für viel mehr Gläubige zuständig ist.

Diese Entwicklung könnte die große Stunde der Laien sein. Die Kirche darf sich nicht weiter davor verschließen, Verantwortung und Entscheidungen in die Hände ihrer Anhänger zu legen; zumindest in die Hände derer, die bereit sind, sich zu engagieren und einzubringen. Sonst wird die katholische Kirche in ein paar Jahrzehnten nur noch eine verknöcherte altertümliche Randerscheinung sein - zumindest in Europa. Seit 1990 treten in Deutschland jährlich mehr als 100.000 Menschen aus der Kirche aus, allein 2011 waren es 126.488. Doch was sich seit 1990 verdoppelt hat, ist die Zahl der Pastoralreferenten (2011: 3144) in den noch etwa 11.000 Pfarreien der Bundesrepublik. Damit sind in Deutschland derzeit so viele Laien im pastoralen Dienst tätig wie nie zuvor. Hinzu kommen 3106 Ständige Diakone und 4468 Gemeindereferenten. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Priesteramtskandidaten. Ende 2011 verzeichneten die Diözesen nur noch 150 Neuaufnahmen.

Laien besser in den Alltag der katholischen Kirche einzubinden, kann gelingen, wenn ihnen eine fundierte Ausbildung zuteil wird. Es geht nicht darum, Priester zu vertreten oder gar zu ersetzen - der pastorale Auftrag muss und soll weiter beim Geistlichen liegen. Aber die Laien können dazu beitragen, dem behäbigen Koloss der katholischen Kirche ein modernes und sympathisches Gesicht zu geben. Aber nicht als Hilfspersonal - sondern als vollwertig integrierte und akzeptierte Diener Gottes.

Jana Stegemann

Mehr Ökumene

Wir wünschen uns, dass der neue Papst für mehr Ökumene eintritt.

Meine Eltern haben sich in einer evangelischen Kirche trauen lassen. Die katholische Kirche im Ort hatte sich zuvor geweigert, die Trauung durchzuführen. Weil meine Mutter Protestantin ist. Das war 1981 in Bayern so.

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Inzwischen sind 32 Jahre vergangen. Doch Papst Benedikt XVI. steht auch 2013 für das Denken von damals: Er verteidigte den alleinigen Kirchenanspruch. Die Aufarbeitung von 500 Jahren Kirchenteilung steckt fest und Paare verschiedener Konfessionen sind immer noch nicht gleichgestellt.

Luther war es, der die christliche Kirche gespalten hat. Aber Papst Benedikt XVI. hat zu wenig dazu beigetragen, dass sich Katholiken und Protestanten wieder mehr aufeinander zubewegen. Dem Wittenberger Theologen Friedrich Schorlemmer zufolge wird er als "Papst der Stillstands-Ökumene" in die Geschichte eingehen.

Sein Nachfolger kann dies ändern. Er täte gut daran. In Deutschland gehen beide christliche Kirchen ohnehin längst einen gemeinsamen Weg: den der schrumpfenden Bedeutung.

Sascha Gorhau

Wir wünschen uns, dass der neue Papst nicht aus einer Industrienation stammt.

Das Wort vom Nord-Süd-Konflikt prägte jahrzehntelang die Entwicklungspolitik: Der reiche Norden gegen den armen Süden. In dieser Einfachheit mag das noch nie wirklich zutreffend gewesen sein; doch noch nie ging es in einer globalisierten Weltordnung so sehr um die Verteilung von Gütern und Ressourcen wie seit dem Ende des Kalten Krieges. Diese Konfliktlinie gibt es auch innerhalb der Kirche; doch mehr als in der weltlichen Politik enthält sie dort auch Chancen.

Benedikt XVI. hinterlässt seinem Nachfolger fast zwei Milliarden Anhänger. Doch diese Leben nicht in den übersättigten Industrienationen Europas und Nordamerikas. Dort zeugt das rapide ansteigende Durchschnittsalter der Katholiken von schwindendem Rückhalt. In den USA beispielsweise sind katholische Priester heute durchschnittlich 64 Jahre alt - 30 Jahre älter als 1970. Hierzulande verzeichnen die Gemeinden massenhaft Kirchenaustritte und Priesterseminare Kandidatenmangel. In Australien haben viele Priester heute nicht mehr irische, sondern vietnamesische Namen.

In den Schwellenländern Südamerikas und Asiens, in den Entwicklungsstaaten Afrikas: Dort hat die Kirche ihre meisten und vielleicht auch enthusiastischsten Anhänger. In Regionen, wo die katholische Kirche nicht auf Jahrhunderte alte Privilegien und Reichtümer baut, ist sie heute diejenige treibende gesellschaftliche Kraft, die sie sich in Europa schon seit vielen Jahrzehnten nur noch zu sein wünscht. Ein Papst aus einem Nicht-G-8-Land wäre nicht nur eine längst überfällige Anerkennung dieser Realitäten, sondern für Schwellen- und Entwicklungsländer auch eine große Chance, die Weltpolitik auf Augenhöhe mitzugestalten.

Lena Jakat

Priester sollen heiraten dürfen

Wir wünschen uns, dass Priester heiraten dürfen.

Als Kind katholischer Eltern auf dem bayerischen Land aufgewachsen, war es für mich ein selbstverständlicher Anblick, dass in der Kirche ein Mann vorne am Altar steht. Erst spät besuchte ich einmal eine evangelische Taufe - getauft wurde das Kind von einer Pfarrerin, die selbst hochschwanger war. Die Pfarrerin sprach auch von ihren eigenen Ängsten und Sorgen als werdende Mutter. Ihre Predigt, in der sie den jungen Eltern und ihrem Baby Mut und Zuversicht zusprach, berührte mich.

Es herrschte eine besondere Verbindung zwischen den Eltern des getauften Jungen und der Pfarrerin. Ihnen würden ähnliche Herausforderungen in der Erziehung bevorstehen und sie würden vielleicht ähnlich viele schlaflose Nächte wegen ihres Nachwuchses durchwachen. Die Pfarrerin wusste, was es bedeutet, ein Kind in die Welt zu setzen und sich der Aufgabe zu stellen, es als Christ zu erziehen.

Diese Gefühle durchlebt ein katholischer Priester nicht. Er, der nie heiraten und eine Familie gründen wird, steht den Eltern bei der Taufe als Fremder gegenüber. Die Sorgen von Eltern kennt er nur vom Hörensagen, selbst durchgestanden hat er sie nie. Das nimmt ihm einen Teil seiner Glaubwürdigkeit und verweist ihn auf einen Platz außerhalb - auf die Kanzel.

Ich würde mir deshalb wünschen, dass ein neuer Papst Priestern freistellt, ob sie eine Familie gründen und in ihr leben wollen oder nicht. Damit der Mann da vorne am Altar einen besseren Einblick in die Sorgen der Menschen erhält, die ihm gegenüberstehen.

Karin Janker

Wir wünschen uns, dass sich der Papst deutlicher von radikalen Kräften abgrenzt

Welcher Mensch unter euch, der hundert Schafe hat und eines von ihnen verloren hat, lässt nicht die neunundneunzig in der Wüste und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, so legt er es mit Freuden auf seine Schultern; und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und die Nachbarn zusammen und spricht zu ihnen: Freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Also wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, welche der Buße nicht bedürfen. Lukas 15, 4-7

Die Kirche muss sich um verlorene Schafe kümmern. Logisch. Steht ja schon im Lukasevangelium. Doch sie tat das nicht, als sich die Befreiungstheologen der Siebzigerjahre einmal wirklich um die Armen und Schwachen kümmerten - und gemeinsam mit Sozialisten vor allem in Mittel- und Südamerika für eine andere, solidarische Gesellschaft kämpften. Ihre Protagonisten wurden exkommuniziert, verbannt, getötet. So weit zur linken Seite der Gesellschaft, zum linken Flügel der Kirche. Das war ein Fehler, der historisch nicht mehr gutzumachen ist. Einer, der sich für die Ausgrenzung dieses Flügels einsetzte, war: Kardinal Joseph Ratzinger.

Heute gibt es andere Frontlinien als den Sozialismus. Doch muss sich, um einen historischen Fehler auf der einen Seite zu korrigieren, die katholische Kirche deshalb auch um braune und angebräunte Schafe kümmern? Nun, sie kann es zumindest versuchen. Kümmern heißt in diesem Fall: Zurückführen auf den - nicht im politischen Sinne - rechten Weg. Bei manchen Gruppen, die sich wie Opus Dei oder die Pius-Brüder Traditionalisten nennen, ist das natürlich schwierig. Sie sind davon überzeugt, das eigentliche Zentrum zu sein, das einzig wahre Christentum zu verkörpern.

Doch wahre Christen sind sie nicht. Weiß Gott nicht: Einst war das Christentum eine jüdische Sekte - und wurde erst durch politische Zufälle zur Weltreligion. Bevor sie Staatsreligion war, wurden ihre Anhänger verfolgt. Ebenso wie ihr Religionsstifter, der immer auf der Seite der Schwachen stand. Verfolgt, verachtet und getötet wurde er von den Mächtigen seiner Zeit. Schon allein aus dieser Tradition heraus hat das Christentum immer auf der Seite der Schwachen zu stehen. Und nicht Seit' an Seit' mit denen, die Macht ausüben. Holocaust-Leugner und Diktatorenfreunde haben da keinen Platz.

Lars Langenau

Moderne Kommunikation

Wir wünschen uns eine moderne Kommunikationspolitik

Es mag aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts absurd erscheinen, aber die Kernkompetenz der Kirche bestand einst in der Kommunikation. Sie selbst hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Evangelium zu verkünden. Wenn man so will, ist die ganze Institution darauf ausgelegt, ein Medium zu sein. Das Problem ist: In den säkularen Gesellschaften des Westens erreichen die Botschaften des Mediums Kirche immer weniger Menschen. Es läuft einiges schief zwischen Sender und Empfänger.

Offenbar wird diese Kommunikationsschwäche häufig in Krisensituationen, wenn es wie im Fall Williamson darum geht, Dinge geradezurücken. Oder wenn die Kirche - wie während des Missbrauchsskandals - zu lange braucht, um eine angemessene Antwort auf drängende Fragen zu finden. Natürlich haben auch die Mächtigen in Rom die gewaltigen Umbrüche wahrgenommen, die vom digitalen Wandel ausgehen. Der jüngste, "Vatileaks" getaufte Skandal erinnert schließlich nicht nur dem Namen nach an die Whistleblower-Plattform Wikileaks.

Mit einer angemessenen Antwort auf die Herausforderungen des digitalen Kommunikationszeitalters tun sich die Kirchenführer schwer. Zwar gibt es einen offiziellen Youtube-Kanal und seit einigen Monaten versendet der Pontifex seine Botschaften auch per Twitter. Und mit dem amerikanischen Fernsehjournalisten Greg Burke wurde erst im vergangenen Jahr ein ausgewiesener Kommunikationsexperte als Berater der Kurie verpflichtet. All das hat aber bislang nicht zur Auflösung des fundamentalen Widerspruchs geführt, der zwischen dem traditionellen Anspruch, ein einflussreiches Verlautbarungsorgan sein zu wollen, und der modernen Kommunikationswelt besteht.

Interaktiv: Wie die Kurie in Rom funktioniert

Auch in den sozialen Netzen des Internetzeitalters - wie erste Gehversuche dort zeigen - predigt die Kirche weiterhin konsequent ex cathedra. Die digitalen Medien sind aber gerade nicht auf einseitige Kommunikation vom Sender zum Empfänger ausgelegt. Es sind Netzwerke ohne Hierarchien im klassischen Sinn, die häufig eine Reaktionsgeschwindigkeit erfordern, die der Kirche bislang unbekannt sind. Ein neuer Papst wird kaum umhinkommen, die Frage zu beantworten, wie auf diese Herausforderungen zu reagieren ist und welcher Stellenwert Offenheit und Transparenz künftig zugebilligt wird. Zumindest dann nicht, wenn die Kirche weiterhin den Anspruch hat, ein Botschafter des Evangeliums zu sein.

Pascal Paukner

Wir wünschen uns, dass Kirchenmitarbeiter besser behandelt werden

Nicht nur Theologen wie Priester, Diakone oder Religionslehrer arbeiten für die Kirchen. Viel mehr Menschen sind in Kliniken, Kindergärten oder bei Wohlfahrtsverbänden in kirchlicher Trägerschaft tätig: Etwa 1,3 Millionen sind bei den beiden großen Kirchen in Deutschland beschäftigt - nach dem öffentlichen Dienst sind sie der zweitgrößte Arbeitgeber hierzulande.

Doch die Mitarbeiter können nicht immer, wie sie wollen. Selbst im Privatleben. Die Kirchen genießen als Arbeitgeber besondere Rechte. So sind ihre Angestellten wie die weltlicher Konzerne nicht nur zur Loyalität verpflichtet, sie und müssen auch religiöse Glaubensgrundsätze beachten. Es geht um Sitte, um Moral - nach den Maßstäben der Kirchen.

Homosexualität, aber auch eine Scheidung mit anschließender neuer Ehe können eine Kündigung zur Folge haben. Schlagzeilen machte der Fall einer lesbischen Erzieherin in Augsburg: Zwölf Jahre lang erledigte die Frau ihren Job tadellos. Doch als sie sich als lesbisch outete, kündigte ihr die katholische Kirche - obwohl sie in Elternzeit war. Ein Gericht entschied, dass die Kündigung rechtens ist.

Auch der neue Papst wird von moralischen Vorgaben an die Arbeitnehmer in der Kirche nicht abweichen. Wobei natürlich zu fragen ist, wie moralisch es sein kann, eine Frau mit einem kleinen Kind auf die Straße zu setzen. Aber wenn mit einem neuen Papst ein liberalerer Geist Einzug hielte in der katholischen Kirche, dann würden sich auch die Verantwortlichen vor Ort möglicherweise öfter trauen, nicht gleich zum äußersten Mittel zu greifen - der Kündigung.

Sebastian Gierke

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