Feminismus:Die Angst vor der großen "Umerziehung"

Feminismus: Sie mögen keine kommunistischen Diktaturen? Dann werden Sie auch den Feminismus hassen.

Sie mögen keine kommunistischen Diktaturen? Dann werden Sie auch den Feminismus hassen.

(Foto: Roya Ann Miller/Unsplash.com)

Der Feminismus wird heute mit denselben Worten verunglimpft wie einst der Kommunismus. Rechte Aktivisten haben so ein Feindbild geschaffen, das auch in der Mitte der Gesellschaft funktionieren soll.

Analyse von Kathleen Hildebrand

"Staatsdoktrin", "menschenfeindliche Ideologie", die "Umerziehung" zu "neuen Menschen". Wer sich anschaut, wie in AfD-Wahlprogrammen und in Vorträgen von rechten Aktivisten über den Feminismus gesprochen wird, der könnte meinen, dass wir in diktatorischen Verhältnissen leben. Der würde sich nicht wundern, wenn Angela Merkel demnächst die letzten Widerständigen in LGBTQ-Clubs verschickte, damit sie ihr Weltbild korrigieren. So wie Mao einst Großstadtintellektuelle in China aufs Land schickte.

Das Vokabular, mit dem konservative, rechtsnationale, neurechte oder christlich-fundamentalistische Gruppen seit etwa Mitte der Nullerjahre gegen feministische Positionen zu Felde ziehen, ist keineswegs neu. Es sind dieselben Worte, mit denen einst über kommunistische Regimes gesprochen wurde.

Die Gleichsetzung mit dem Kommunismus ist diskreditierend - und funktioniert deshalb

Dass kaum einer im Kommunismus leben möchte, ist gesellschaftlicher Konsens. Deshalb funktioniert es so gut, wenn Rechte heute dem Feminismus pauschal die gleichen Absichten unterstellen. Sie übertragen eine bereits bestehende, gefestigte Ablehnung auf dessen Positionen. Es ist ein bisschen wie bei den Kaufempfehlungen bei Amazon: Sie mögen keine kommunistischen Diktaturen? Dann werden Sie auch den Feminismus hassen.

Zunächst einmal ist die verbale Gleichbehandlung gar nicht so verwunderlich. Zumindest dem Gedanken nach bestand das linke Projekt schon immer darin, sich für die Schwachen einzusetzen. Für die, die nicht repräsentiert werden, die weniger Entfaltungsmöglichkeiten haben. Aus der Perspektive des Feminismus sind das die Frauen.

Außerdem hatte sich der Sozialismus auf die Fahnen geschrieben, den Frauen zur Gleichberechtigung zu verhelfen - auch, weil deren Arbeitskraft genutzt werden sollte. Gegen Ende der DDR waren 90 Prozent der Frauen dort berufstätig. Es liegt deshalb nahe, den Einsatz für Gleichberechtigung der Geschlechter mit Sozialismus und Kommunismus zu verbinden. Auch wenn mittlerweile belegt ist, dass es trotz hoher Beschäftigungsquoten mit echter Gleichberechtigung nicht weit her war in diesen Ländern.

Als Diskreditierungsstrategie scheint die Gleichsetzung von Feminismus und Kommunismus gut zu funktionieren. Es ist der extremen Rechten damit gelungen, über den äußersten rechten Rand hinaus Feministen wieder zum Feindbild zu machen: Die Abschaffung traditioneller Rollenvorstellungen führe zu zerstörten Familien, grassierender Homosexualität, zu Geburtenrückgang und schließlich zum Aussterben der Völker Europas. An allem ist der Feminismus schuld - und die Gender Studies, die vielen Rechten als dessen pseudowissenschaftlicher Arm gelten.

Der Einsatz gegen die Benachteiligung von Frauen wird zur "Ideologie" erklärt, zur "Staatsdoktrin". Das klingt nach DDR, nach Unfreiheit, nach Zensur. Und das, wohlgemerkt, in einem Land, dessen Regierung sich gerade mal zu einer Quote von 30 Prozent in Aufsichtsräten durchringen konnte sowie zu einem Entgelttransparenzgesetz, das nur für einen Teil der deutschen Unternehmen gilt. Staatsfeminismus? Sähe wohl anders aus.

Die Geschlechterverhältnisse sind der letzte Rückzugsort des Konservatismus

Wenn Feminismus rhetorisch mit Diktaturen gleichgesetzt wird, erzeugt er ein Feindbild, das bis in die Mitte der Gesellschaft hinein anschlussfähig ist. Das zeigte zum Beispiel das bemerkenswert unangenehm anzusehende Interview von Heute-Journal-Moderator Claus Kleber mit Maria Furtwängler. Die Schauspielerin und Ärztin hatte eine Studie initiiert, die ein starkes Ungleichgewicht von Männern und Frauen im deutschen Fernsehen und im Kino belegte. Nur ein Drittel der Sprechrollen in Filmen ist demnach weiblich, im Kinderfernsehen nur eine von vier.

Kleber ging Furtwängler unerwartet hart dafür an, dass sie diese Zahlen überhaupt zusammentragen lassen hatte: Ob sie eine Agenda habe mit diesen Zahlen, das Publikum umerziehen wolle, fragte er. Er benutzte also dasselbe Wort, das Vertreter der extremen Rechten zur Diskreditierung des Feminismus benutzen.

Von "Umerziehung" wird besonders dann gesprochen, wenn mal wieder eine entfernt linke Idee verunglimpft werden soll, die - das legt das Wort nahe - angeblich wider die menschliche "Natur" ist. Und das heißt hier immer: gegen Patriarchat und Marktwirtschaft. Mädchen spielen mit Puppen und Jungs werden Chef - so war es schon immer, so muss es also offenbar sein. Wird schon seine Gründe haben, im Zweifel: Gene! Hormone! Biologie! Die Naturalisierung des Status Quo ist ebenfalls eine bei Rechten beliebte Strategie, um sich gegen die Anbrandungen der Moderne zu wehren.

"Künstliche" Eingriffe wie Regulierung und Umverteilung erscheinen suspekt

Die Legitimität des Gewordenen bildet aber auch einen Grundpfeiler liberalen Denkens. Wer glaubt, dass die unsichtbare Hand des Marktes eine segensreiche Macht ist, findet "künstliche" Eingriffe wie Regulierung und Umverteilung erst einmal suspekt. Da haben feministische Forderungen wie die Frauenquote schlechte Chancen.

Auch im Silicon Valley, dem man Rückwärtsgewandtheit eher nicht vorwerfen würde, wird fröhlich auf die Natur verwiesen, wenn das eklatante Missverhältnis zwischen Männern und Frauen in der Tech-Branche gerechtfertigt werden soll. Zum Beispiel in dem Forenbeitrag, den Anfang August ein Google-Mitarbeiter veröffentlichte und in dem er sich gegen den "ideologischen Echoraum von Google", der zu Unrecht ein Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Programmierern fordere. Der Grund: Frauen seien seltener genetisch fürs Programmieren prädestiniert. Eine Parität zu fordern und spezielle Schulungen für Frauen bereitzustellen, sei deshalb meist Geldverschwendung. Männer und Frauen hätten sehr unterschiedliche Kompetenzen. Übermäßige Fixierung auf den Gleichheitsgedanken - auch das ist ein gängiger Vorwurf gegen linke Politik, dem die Rechte das Bewahren einer "natürlichen Ordnung" zwischen den Geschlechtern entgegensetzt.

Dass die "Agenda" der "Umerziehung" gerade Frauen vorgeworfen wird, verweist allerdings noch auf einen weiteren Zusammenhang. Zumindest die frühe Erziehung des Kindes ist traditionell Frauensache. In ihrem Klassiker feministischer Literatur "XY - Die Identität des Mannes" schrieb Elisabeth Badinter 1993, dass ein Junge erst durch die Ablösung von der Mutter und mit ihr von allem Weiblichen zum "Mann" im Sinne patriarchaler Gesellschaften wird. Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer, Frauen als abschreckend hinzustellen, die von mittlerweile erwachsenen Männern fordern, sich noch einmal - von Frauen - "umerziehen" zu lassen.

Bevormundung, Umerziehung, übertriebene Gleichbehandlung, Versorgung der Schwachen - es sind traditionell mit Weiblichkeit assoziierte Konzepte, die am Kommunismus wie am Feminismus kritisiert werden. In den USA, wo der Anti-Kommunismus eine lange Tradition hat, wird jede Erweiterung des Sozialstaats von Konservativen als "Sozialismus" geschmäht. Die Wahl von Donald Trump hatte ihren Grund sicher auch darin, dass vor allem weiße Männer das Gefühl kultivierten, von einer mächtigen Regierung in Washington drangsaliert zu werden. Der amerikanische Soziologe Michael Kimmel sieht darin eine Wut auf angeblich "weibliche" Politik: "Sie wurden von einer weibischen Regierung gegängelt, dem Nanny State, wie sie das nennen."

Ihnen stellt die neue Rechte ein politisches Ideal der Tat entgegen, des harten Durchgreifens, das an männliche Stereotype anknüpft. Donald Trump ist dafür das Beispiel par excellence. Die Soziologin Paula-Irene Villa hat die Rückkehr zur männlichen Autonomie-Fiktion kürzlich in einem Artikel für den Deutschlandfunk so beschrieben: "Die Ästhetik der Härte und des Sieges ist (...) der historische Kern hegemonialer Männlichkeit. Ehre, soldatische Wehrhaftigkeit, Kampfbereitschaft, der Wille zum Sieg - das sind tradierte Elemente, die der männlichen Natur zugeschrieben werden und Grundpfeiler einer wesentlichen Schimäre der Moderne: Die Fiktion von Autonomie und Unverletzlichkeit."

Mit Geschlechterthemen lassen sich starke Gefühle wecken

In einer Zeit, in der auch eine konservative Partei wie die CDU zumindest auf Bundesebene sozialdemokratische Elemente fest in ihrem Programm verankert hat, sind die Geschlechterverhältnisse zum letzten Rückzugsort des Konservatismus geworden. Das Praktische daran: Wer die traditionelle Geschlechterordnung als bedroht darstellt, kann damit bei vielen Menschen starke Gefühle wie Verlustangst und Wut wecken. Gefühle, die beim Reden über Rentenreform und Hartz-Gesetze kaum in Wallung geraten - zumindest nicht bei den besser gestellten Vertretern der Mittelschicht. Und um die geht es Rechten mit ihrer Gleichsetzung von Feminismus und kommunistischen Diktatoren.

Indem sie die klassischen Vorwürfe gegen linke Politik mit Feminismus und Geschlechterpolitik rhetorisch verknüpfen, können sie wirkmächtige Ressentiments für sich nutzen. Und sie können verhindern, dass die Menschen nach konkreten Themen wie gerechter Bezahlung und gleichen Zugängen zu allen Bereichen der Gesellschaft fragen. Denn das gilt vor dem Hintergrund dieser Rhetorik schnell als weibisches Gequengel. Und das lässt sich wunderbar abtun und lächerlich machen.

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