Erster Comic bei Suhrkamp:Thomas Bernhards furioser Motzer lebt wieder

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Bruckner? Miserabel. Stifter? Kitsch. Heidegger? Nur ein "lächerlicher Pumphosenspießer". Nie hat jemand so über Kunst gelästert wie der Musikkritiker Reger in Thomas Bernhards "Alte Meister". Nicolas Mahler hat den Roman für Suhrkamp nun als Comic adaptiert. Ein mutiges Experiment - und genauso bitterböse wie das Original.

Christopher Pramstaller

"Nichts stößt mich so ab, wie wenn ich Leute beobachte, die bewundern. Lebenslänglich allein dadurch stumpfsinnig, daß sie bewundern. In diesem Zustand der Geistesschwäche existieren fast alle und so kommen sie auch in das Museum."

Gedrungen und klein ist dieser Reger, der alles schlecht macht. Unverkennbar minimalistisch im Stil von Mahler. (Foto: Suhrkamp Verlag Berlin 2011)

Für Musikkritiker Reger macht Bewunderung dumm und die "alten Meister" sind ohnehin nicht mehr als aufgeblasene Ungeheuerlichkeiten. "Widerwärtig, abstoßend, schauerlich" sind sie. Bruckner? Miserabel. Stifter? Kitsch. Heidegger? Nur ein "lächerlicher nationalsozialistischer Pumphosenspießer". Kein Kunstwerk ist perfekt, jedes ist fehlerhaft, man muss nur lange genug suchen.

Thomas Bernhard hat diesen krankhaft negativen Reger in seinem Roman "Alte Meister" 1985 in den Bordone-Saal des Wiener Kunsthistorischen Museum gesetzt und lässt ihn haltlos über alles herziehen, was die hehren Hallen der Kunst so füllt. Sein Credo dabei: Kunst ist das Höchste, sie ist Apotheose und Erlösung. Aber gleichzeitig ist sie abstoßend und unfertig: das absolut Widerwärtigste, das es überhaupt gibt.

Sicherlich würde auch Nicolas Mahler nicht gut wegkommen, der Thomas Bernhards "Alte Meister" nun für Suhrkamp als Comic adaptiert hat. Für den traditionsreichen Verlag ist es der erste Comic überhaupt. Aber wer könnte dem gestrengen Reger'schen Urteil schon standhalten. Velazquez, Rembrandt, Bach, Mozart, Voltaire: Vor Reger sind sie alle klein.

Die äußere Handlung von "Alte Meister" ist schnell erzählt: Der krankhaft negative Musikkritiker Reger ist Stammgast im Bordone-Saal des Kunsthistorischen Museums in Wien. Seit über dreißig Jahren sitzt er dort jeden zweiten Tag und starrt einen Tintoretto an, weil er dort am besten nachdenken, kritisieren und aufdecken kann, welche Scheußlichkeiten die Welt der Kunst zu bieten hat. Ihm zur Seite Irrsigler, der Museumswärter, ein "Burgenländer Dummkopf", der nur mehr für den Dienst im Museum lebt und der Ich-Erzähler Atzbacher, in der Comic-Version der Zeichner selbst.

Bissige Sprache und tiefschwarzer Zeichner-Humor

Österreicher zeichnet Österreicher: Das Duo könnte nicht besser passen. Die bissige Sprache Bernhards trifft auf Mahlers tiefschwarzen Zeichner-Humor. Herausgekommen ist ein gezeichnetes Pamphlet Bernhard'scher Kunstkritik in Mahlers ganz eigener Sprache.

Bei der Bearbeitung des Textes hatte Nicolas Mahler vom Verlag freie Hand bekommen. Die endlosen Tiraden, in denen Bernhard seine Hassliebe zu Wien auslebt, hat er ausgespart, die Chronologie verändert, gekürzt und neu arrangiert. Bernhard-Fans mögen ihn dafür schmähen, doch genau hier liegt die Stärke der Mahler-Version: Er versucht sich nicht als Illustrator oder tumber Nacherzähler eines Originals. Mahler schafft seine eigene Version. Was er auslässt, fängt er in den Bildern umso mehr wieder ein.

Ein mutiges Experiment hat der Suhrkamp Verlag mit Mahler gewagt. Herausgekommen ist eine ebenso gelungene wie literarische anspruchsvolle Comic-Adaption.

Nicolas Mahlers Bernhard-Adaption soll übrigens nicht die einzige zeichnerische Umsetzung eines Suhrkamp-Titels bleiben; es ist eine Reihe geplant. Gerade arbeitet Ulli Lust ("Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens") an einer Umsetzung der "Flughunde" von Marcel Beyer. Geplante Veröffentlichung: Herbst 2012.

"Alte Meister", Thomas Bernhard gezeichnet von Nicolas Mahler, Suhrkamp Verlag, Klappenbroschur, 158 Seiten, 18,95 Euro

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