Echo wird abgeschafft:Zurück auf Los

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"Stunde Null" ohne Kollegah und Farid Bang. Man wolle nicht, dass Musikpreise als Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung wahrgenommen werde, so der Bundesverband Deutscher Musikindustrie. (Foto: Getty Images)

Es ist erfreulich, dass die Kriterien beim Echo vollständig verändert werden. Allerdings ist es nicht damit getan, die Jury bloß "in den Vordergrund" zu rücken.

Von Jan Kedves und Jens-Christian Rabe

Nach dem Eklat um die Auszeichnung der beiden antisemitischen Düsseldorfer Rapper Felix Blume alias Kollegah und Farid Hamed El Abdellaoui alias Farid Bang bei der diesjährigen Echo-Verleihung gab es für den Pop-Preis nur zwei Möglichkeiten: entweder ambitioniert neu erfinden - oder abschaffen. Der Veranstalter, der Bundesverband der deutschen Musikindustrie, hat sich nun in Berlin nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung überraschend schnell für die zweite Möglichkeit entschieden. Der deutsche Pop-Preis namens Echo ist nach 26 Jahren Geschichte.

Ebenso klar ist allerdings auch schon, dass es einen Nachfolger des Echo geben soll. Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands, Florian Drücke, sprach am Mittwochnachmittag von einer "Stunde null". Es stehe außer Frage, dass Deutschland als drittgrößter Musikmarkt der Welt weiterhin Musikpreise mit "Leuchtturm-Charakter" brauche. Man wolle jedoch keinesfalls, dass einer dieser Preise als Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung wahrgenommen werde.

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Nach dem Antisemitismus-Eklat ist klar: Die Verkaufszahlen dürfen nicht mehr über die Preis-Vergabe entscheiden.

Kommentar von Jens-Christian Rabe

Das, was beim diesjährigen Echo geschehen sei, könne zwar nicht mehr rückgängig gemacht werden, man wolle nun aber dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederhole. Die Marke Echo sei so stark beschädigt worden, dass ein "vollständiger Neuanfang" notwendig sei. Das bedeutet auch, dass es den Klassik-Echo und den Jazz-Echo nicht mehr in ihrer bisherigen Form geben wird. Seit der Verleihung am 12. April haben nicht nur Popkünstler wie Klaus Voormann oder Marius Müller-Westernhagen, sondern vor allem auch klassische Musiker wie der Pianist Igor Levit oder die Dirigenten Daniel Barenboim und Christian Thielemann ihre Echos aus Protest zurückgegeben.

Der Vorstand des Bundesverbands, dem neben Drücke die Deutschland-Chefs der drei größten Musikkonzerne Universal (Frank Briegmann), Warner (Bernd Dopp) und Sony (Patrick Mushatsi-Kareba) sowie als Indie-Label-Vertreter Konrad von Löhneysen angehören, will auch bereits erste Schritte zur Planung einer neuen Auszeichnung eingeleitet haben: Die drei bisherigen Preise würden "in eine eigene Struktur überführt" und im Zuge dessen auch alle "bisher involvierten Gremien ihre Tätigkeit" einstellen. Die überfällige und grundsätzlich zunächst erfreuliche Nachricht dürfte sein, dass die Kriterien der Nominierung und der Preisvergabe offenbar vollständig verändert werden.

Zuletzt gab es in den rund 20 Echo-Kategorien zwar bis zu 80-köpfige Fachjurys, das wesentliche Kriterium war jedoch der kommerzielle Erfolg eines Künstlers. Es ist der Geburtsfehler des nun abgeschafften Preises, der letztlich auch den Eklat zur Folge hatte. Das Album "Jung, brutal, gutaussehend 3" von Kollegah und Farid Bang war die bestverkaufte Hip-Hop-Platte des vergangenen Jahres. Nach den bisherigen Regularien war eine Prämierung also im Grunde unvermeidbar. Beim geplanten neuen, noch namenlosen Musikpreis soll die Jury nun "stärker in den Vordergrund rücken". Viel mehr kann und will der Bundesverband derzeit nicht sagen.

Zurück auf Los, scheint also das Motto zu sein. Aus der Ferne möchte man aber auch gleich bitten: Ziehen Sie direkt dorthin! Denn vernünftig wäre es schon, wenn die Industrie wirklich über ihren Schatten spränge und unter einem neuen Namen nichts beim Alten ließe. Es sollte nämlich auf keinen Fall damit getan sein, die künftige Jury bloß "stärker in den Vordergrund" zu rücken. Ein deutscher Popmusik-Preis, der ernst genommen werden will, sollte sich konsequent die Grammys zum Vorbild nehmen und künftig nicht mehr die Verkaufszahlen, sondern eine große Jury entscheiden lassen, bestehend aus mindestens ein paar Hundert Kreativen der gesamten deutschen Popmusik-Branche und allen künftigen Preisträgern.

© SZ vom 26.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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