Im TV: Gier:Der Mann, der ein Schneeball war

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Ein Film wie diese Zeit, denn ohne Schurkerei wird keiner reich: Die ARD zeigt Ulrich Tukur als Finanzbetrüger in Dieter Wedels "Gier".

Caspar Busse

Gierige Banken spekulierten auf immer höhere Gewinne, ließen alles andere außer Acht, und sie haben die Welt damit in die tiefste Finanz- und Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten geführt. Anleger haben auf der Suche nach immer besseren Renditen jede Vorsicht verloren und ihr Kapital windigen Vermögensberatern anvertraut. Und nur wenige Monate, nachdem die Regierungen mit milliardenteuren Rettungsaktionen die Finanzwelt vor dem Untergang bewahren mussten, streichen Banker schon wieder unanständig hohe Bonuszahlungen ein. Gier könnte das charakterisierende Wort dieser Wirtschaftskrise sein.

Der Hochstapler Dieter Glanz (Ulrich Tukur) ist fürchterlich brutal, und gelegentlich leidet er an sich. (Foto: Foto: ARD)

Gier heißt auch das neue Werk des Regisseurs und Drehbuchautors Dieter Wedel ("Der große Bellheim", "Der Schattenmann"), 67, der gerade seine eigene Biographie veröffentlicht. Keine Frage: Das Thema passt wunderbar in diese Zeit. Erzählt wird die Geschichte eines Anlagebetrügers, der wohlhabende und weniger wohlhabende Leute mit Versprechungen um ihr Vermögen bringt und am Ende in den finanziellen und menschlichen Ruin treibt. "Reich sein ist wie Meerwasser, je mehr man davon trinkt, desto mehr Durst bekommt man", sagt der Betrüger mit dem schönen Namen Dieter Glanz im Film und lacht dabei. Er verspricht mit abenteuerlichen Geschichten Renditen von 300 Prozent in sechs Wochen bis zu 1300 Prozent in einigen Monaten.

Glanz betreibt ein klassisches Schneeballsystem: Mit dem eingezahlten Kapital neuer Kunden zahlt er tatsächlich gute Renditen aus und erwirbt sich so einen gewissen Ruf, zu dem auch sein aufwendiger Lebensstil und seine Partys beitragen. Den Großteil des Geldes zweigt er aber für sich ab, angelegt wird nichts. Damit das System läuft, sind immer neue Kunden mit immer neuen Einzahlungen nötig. Als es in Deutschland zu heikel wird, flieht der "neue König Midas" schließlich nach Südafrika und treibt von dort sein Unwesen.

Das Prinzip ist wohlbekannt. Ende 2008 flog an der Wall Street Bernie Madoff auf, der Kunden um viele, viele Milliarden erleichterte und sein Schneeballsystem jahrelang unbemerkt betrieb - einer der größten Skandale in den USA überhaupt. Madoff wurde im vergangenen Sommer in New York zu 150 Jahren Haft verurteilt. In Deutschland macht der mutmaßliche Kapitalbetrüger Helmut Kiener aus Aschaffenburg Schlagzeilen, der seit Oktober in Untersuchungshaft sitzt. An der Börse gibt es ohnehin nur zwei Stimmungszustände: Gier und Verzweiflung. Gier, wenn es aufwärts geht, Verzweiflung, wenn es wieder abwärts geht. So gesehen handelt dieser Film von verzweifelter Gier.

"Frei nach wahren Begebenheiten", heißt es im Vorspann des Zweiteilers. Als Vorbild nahm sich Wedel den Hochstapler Jürgen Harksen, der nach langem Gefängnisaufenthalt eine Biographie mit dem Titel "Wie ich den Reichen ihr Geld abnahm" geschrieben hat und auf Mallorca lebt. Auch er köderte von 1983 an in Hamburg mit Renditeversprechungen von bis zu 1300 Prozent vermögende und prominente Privatanleger. Auch Harksen floh nach Südafrika und wurde Ende 2003 vom Landgericht Hamburg wegen Betrugs in 52 Fällen zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Wedel hat für den Zweiteiler intensiv mit Harksen gesprochen, im Gefängnis und auch danach. Und Wedel ist selbst vor zwei Jahren auf zwei betrügerische Vermögensverwalter in der Schweiz hereingefallen.

"Ohne Schurkerei wird keiner reich", gesteht der Filmbetrüger Glanz. Der Zweiteiler wurde mit großem Aufwand und deutschem Staraufgebot an Schauplätzen in Deutschland und in Südafrika gedreht. Die Produktion hat mehr als sechs Millionen Euro gekostet. Obwohl die Geschichte vom Hochstapler Harksen eigentlich von selbst wirkt, hat Wedel dick aufgetragen, ganz dick.

"Wenn man ihm so zuhört, denkt man, es wäre der liebe Gott"

Betrüger Glanz verteilt Blondinen, raucht beim Essen, wird von einem verzweifelten und prolligen Anleger, dem Unternehmer Leon Grünlich (Uwe Ochsenknecht), in einer dunklen Kneipe mit dem Schlagring bedroht. Im zweiten Teil tritt Wedel selbst kurz auf, schmierig und mit blauer Brille. Immer wieder die Szenen, wenn die Betrogenen hoffen, ihr Geld zurückzuerhalten. In Südafrika ist dann viel Folklore zu sehen: Partys mit Pool und Wachen auf dem Dach, ein nächtlicher Gang-Überfall, Pferde am Strand, Townships als Kulisse, und auffällig viele Limousinen einer bestimmten Marke.

Dass das Ganze nicht zu einer billigen Karikatur des bösen Betrügers verkommt, liegt vor allem an Ulrich Tukur. Der Schauspieler, der zuletzt im Kino John Rabe spielte und vor kurzem sagte: "Jeder Schauspieler ist ein Hochstapler", sieht dem echten Harksen äußerlich ziemlich ähnlich. Er gibt den Betrüger Glanz als in Ansätzen gespaltene Persönlichkeit. Tukur als Glanz ist in vielen Szenen fürchterlich und brutal, in Momenten der Schwäche zeigt er aber auch, wie Glanz an sich leidet und verzweifelt nicht mehr weiter weiß. Und auch Devid Striesow ist wunderbar als der kleine Immobilienhändler Andy Schroth, der mit Frau und Kind im Reihenhäuschen lebt, aber mehr will als Durchschnittlichkeit: Er verspielt das Vermögen seines Vaters, seiner Kollegen und seines Friseurs und wird am Ende, als er die Machenschaften durchschaut, zum Widersacher von Glanz.

"Wenn man ihm so zuhört, denkt man, es wäre der liebe Gott - sein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden", sagt im Film ein Party-Gast über Glanz. Aber es gibt auch andere Sprüche. So sagt eine Bankerin: "Ich hatte immer in Telekom-Aktien investiert. Mehr kann mich Dieter Glanz auch nicht bescheißen." Solchen Biss hätte man sich öfter gewünscht.

Gier, Arte, Freitag, Teil 1: "Mit Glanz und Gloria", 20.15 Uhr, Teil 2: "Das Duell", 21.45 Uhr; sowie ARD, 20. und 21. Januar, jeweils 20.15 Uhr.

© SZ vom 13.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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