Karriereplanung:Spitzensportler im Spagat

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Die Kunstturnerin Pauline Schäfer hat bei der Weltmeisterschaft in Glasgow die Bronzemedaille am Schwebebalken geholt. Doch alle Medaillen helfen Spitzensportlern im Berufsleben nur bedingt weiter. (Foto: dpa)

Sie trainieren bis zur Erschöpfung, gewinnen Medaillen und werden gefeiert - trotzdem können die wenigsten Topathleten von ihrem Sport leben. Selbst Weltmeister müssen sich früh um eine berufliche Alternative kümmern.

Von Sigrid Rautenberg

Irgendwann hatte Maximilian Hartung genug von der Sporthalle. Der junge Fechter schrieb sich an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen ein. In den ersten drei Jahren nach dem Abitur hatte er sich ganz auf seinen Sport konzentriert. Mit Erfolg: Hartung gehört zu den knapp 50 deutschen Athleten der Eliteförderung der Stiftung Deutsche Sporthilfe.

Bei Europa- und Weltmeisterschaften und bei Olympia in London 2012 belegte er viele vordere Plätze. Doch gerade nach London hatte er das Gefühl, endlich etwas für seine berufliche Zukunft tun zu müssen. Seit der Einschreibung an der Privatuni liegen zwischen seinem Trainingsort in Dormagen und dem Studienort am Bodensee 600 Kilometer. Für Spitzensportler wie Hartung eigentlich ein K.o.-Kriterium.

In den meisten Sportarten können selbst Olympiasieger nicht von ihrem Sport leben. Prominente Sportler, die hohe Preisgelder kassieren oder lukrative Sponsorenverträge haben, sind, gemessen an den etwa 3800 von der Sporthilfe unterstützten Spitzenathleten, die absolute Minderheit. Der durchschnittliche Sporthilfe-Athlet lebt von 626 Euro, bei einer 60-Stunden-Woche. Eine frühzeitige Berufsorientierung ist daher unabdingbar. Seit Kurzem propagiert der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die sogenannte duale Karriere, die frühzeitige Verbindung zwischen Leistungssport und Ausbildung oder Studium. Der DOSB fördert Berufsberatungen und akquiriert sportfreundliche Betriebe und Hochschulen.

"Wenn die Firma merkt, der fehlt ja 40 oder 50 Tage im Jahr, kommt Unmut auf"

Mitvorangetrieben haben diese Initiative die Laufbahnberater an den Olympiastützpunkten, den Trainingszentren für Top-Athleten in den Bundesländern. Einer der dienstältesten Laufbahnberater ist Klaus Sarsky. Er arbeitet seit 25 Jahren am größten deutschen Olympiastützpunkt in München und ist mit zwei Kollegen für etwa 1000 Sportler zuständig. "Idealerweise kommen die Sportler erstmals ein Jahr vor dem Schulabschluss", sagt Sarsky, "um zu schauen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt. Natürlich versuchen wir damit auch zu verhindern, dass uns die Sportler entfleuchen."

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:Für die zweite Karriere

Nach dem Ende ihrer Laufbahn wollen viele Sportler in ihrem Bereich weitermachen, aber nicht unbedingt als Trainer. Sie arbeiten als Manager oder organisieren Großereignisse. Ein spezielles MBA-Studium vermittelt das dafür notwendige Know-How.

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Denn manche suchen sich auf eigene Faust einen Studien- oder Ausbildungsplatz, unterschätzen jedoch die Belastung. "Und wenn die Firma dann merkt, der fehlt ja nicht nur fünf Tage im Jahr, sondern 40 oder 50, kommt Unmut auf", sagt Sarsky. "Da ist es wichtig, dass wir die Bedürfnisse vorher abstimmen." Ein Studium, so der Laufbahnberater, sei neben dem Sport noch vergleichsweise einfach zu absolvieren, zumindest, wenn es zeitlich streckbar oder als Fernstudium möglich ist. Allerdings will danach kaum ein Unternehmen einen jungen Bachelor einstellen, der zehn bis zwölf Trainingseinheiten pro Woche absolviert.

Nach der Sportlerkarriere liegen noch ungefähr 30 Jahre Berufsleben vor einem

Um sich finanziell abzusichern, bewerben sich viele für die Sportfördergruppen bei Bundes- und Landespolizei oder Bundeswehr. Gerade bei der Bundeswehr kann man, unterbrochen höchstens durch einige Lehrgänge, für eine befristete Zeit gut bezahlt seinen Sport ausüben. Bei der Polizei hingegen absolviert man eine richtige Ausbildung und wird anschließend Beamter. Damit sollte man sich unbedingt identifizieren können, schließlich liegen nach Ende der Sportlerkarriere noch ungefähr 30 Jahre Berufsleben vor einem.

Laura Lindemann hat sich mit dieser Vorstellung bereits angefreundet. Sie will Polizistin werden. Die 19-Jährige ist Triathletin, 2015 wurde sie zum "Juniorsportler des Jahres" gewählt. Sie ist Welt- und Europameisterin der Junioren, fährt im Frühjahr nach Abu Dhabi zur Olympia-Qualifikation. Ihre Situation ist typisch für viele ganz junge Leistungssportler. Abitur macht sie erst nächstes Jahr. Wie an allen Sportinternaten ist die Schulzeit über 13 Jahre gestreckt.

Der Unterrichtsausfall durch Wettkämpfe oder Trainingslager wird zurzeit durch Privatunterricht beim Direktor ausgeglichen. Noch vor der Schule absolviert sie ihr Schwimmtraining, nachmittags läuft sie oder trainiert auf dem Rad. Manchmal folgt abends eine dritte Trainingseinheit. Und Freizeit? "Na ja, ich mache ja quasi das Training in meiner Freizeit. Aber zum Shoppen und Freunde treffen ist nicht so viel Zeit."

Klar, dass sich so ein Pensum kaum mit den Anforderungen eines Unternehmens oder einer normalen Universität decken würde. Neben dem DOSB bemüht sich auch die Deutsche Sporthilfe mit ihrer Kampagne "Sprungbrett Zukunft" um die berufliche Entwicklung der Athleten, etwa durch die Vermittlung von Kurzzeitpraktika oder Mentoren. Doch manchmal kann selbst ein verständnisvoller Arbeitgeber die duale Karriere nicht retten.

So wie bei Hürdensprinter Silvio Schirrmeister, der sich letztlich vom Leistungssport verabschiedete. 2008 hatte er bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden eine Ausbildung begonnen. Mit jeder Menge Sonderurlaubstagen, ohne reguläre Zeiterfassung. Anfangs funktionierte alles wunderbar, Schirrmeister gehörte zur erweiterten Weltspitze. Doch "das Monster der dualen Karriere" überlastete ihn irgendwann: "Mit 19 Jahren steckt man so einen Aufwand besser weg als mit 25." Er hatte das Gefühl, seinen Ansprüchen in beiden Bereichen nur noch hinterherzulaufen.

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"Leistungssport und Studium sind zwei Fulltime-Jobs"

Selbst die Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Stunden bei gleicher Bezahlung kam zu spät. Erschöpft verkündete er seinen Ausstieg. "Sich auf beiden Gleisen weiterzuentwickeln funktioniert nur bedingt und nur bis zu einem gewissen Alter. Bis der Trainingsumfang immer höher wird und auch die körperlichen Probleme zunehmen."

Maximilian Hartung hat Studium und Training inzwischen gut koordiniert. Bald steht die Bachelorarbeit an, da ist die Präsenz an seiner Uni nur noch selten nötig. Statt an der Fechtpuppe kann der 26-Jährige wieder mit seinen Teamkollegen in Dormagen trainieren. Für die Olympischen Spiele in Rio ist er bereits qualifiziert. Seine Angst, sich nicht in der Berufswelt zurechtzufinden, ist verschwunden. Doch auch er findet: "Leistungssport und Studium sind zwei Fulltime-Jobs. Wer in Deutschland beides erfolgreich schafft, hat riesiges Glück." 

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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