Einen Beruf mit Zukunft wünschen sich Eltern für ihr Kind. Einen, in dem man lange gesund und glücklich arbeiten wird. Was aber machen Menschen, die einen Karriereweg einschlagen, der von vergleichsweise kurzer Dauer ist? Die Tänzer, Model, Stuntman oder Profisportler werden? Kommt nach diesem Beruf, der oft Berufung ist, eine zweite Karriere? Und wie gelingt der Übergang? Hier erzählen vier Menschen, die ihren zukunftsfähigen Beruf im zweiten Anlauf gefunden haben.
"Ich konnte nichts als tanzen"
Christine Bombosch, 45 Jahre, früher Balletttänzerin, heute Sozialarbeiterin
"Den Gedanken, dass ich irgendwann mit dem Tanzen aufhören muss, habe ich lange vor mir hergeschoben. Als Tänzer gibt man viel von sich - und irgendwann muss man einfach wahnsinnig viel trainieren, um mithalten zu können, der Aufwand wird einfach zu hoch. So war es zumindest bei mir. Mit Mitte 30 habe ich gemerkt, dass ich da nicht mehr weiterkomme. Kunst kann ganz nah an den Menschen sein, ihnen bis tief in die Eingeweide gehen. Aber am Staatsballett hatte ich das Gefühl, dass ich mich immer weiter von der Realität entfernte und in einer elitären Blase arbeitete.
Heute langweilen mich schlechte Tanzstücke unfassbar - ich brauche keine Fiktion mehr, ich habe jeden Tag mit realen Schicksalen zu tun. Als Klinische Sozialarbeiterin in einer stationären Einrichtung für psychisch kranke Menschen bin ich näher dran an dem, was ich wirklich bin. Schon im Ballett fand ich die Menschen um mich herum interessanter als meine Karriere durchzuboxen.
Trotzdem war es ein langer Weg: Ich nahm mir ein Jahr Zeit, um mich zu orientieren und einen Beruf zu finden, der mir Spaß macht. Ganz besonders hat mir dabei ein Kurs des Arbeitsamts geholfen, in dem wir herausfinden sollten, was unsere Stärken sind. Ich konnte ja nichts als tanzen, dachte ich damals.
Das ist jetzt meine Bühne
Viele Tänzer haben keinen ordentlichen Schulabschluss, weil sie schon mit 17 oder 18 Jahren am Theater sind und immer nur tanzen. Der Verstand liegt brach - ich wollte mit dem Kopf arbeiten und habe mich richtig ins Studium gestürzt: Klinische Sozialarbeit. Natürlich war es anfangs schwierig: Ich fühlte mich fehl am Platz, hatte Angst, entlarvt zu werden als jemand, der gar nichts kann. Jedes Mal, wenn ich eine Hausarbeit schreiben musste, war ich total aufgeregt.
Mit meiner Masterarbeit, in der es um die Beratung von Tänzern ging, habe ich mit dem Thema Tanz schließlich abgeschlossen. Heute arbeite ich daran, mich in Richtung therapeutische Arbeit weiterzubilden. Ich merke, dass ich dann am besten bin, wenn ich mit einem Menschen ganz persönlich arbeiten kann. Das ist jetzt meine Bühne."
Jochen Schweizer, 57 Jahre, arbeitete früher als Stuntman, heute als Unternehmer im Erlebnisbereich
"Als größten Erfolg meiner früheren Karriere sehe ich es, dass ich 20 Jahre als Stuntman gesund überstanden habe. Dabei gab es natürlich Situationen, die erhebliche negative Konsequenzen hätten haben können. Ich bin immer an die Grenzen meiner Möglichkeiten gegangen - und tue das noch heute. Aber irgendwann habe ich erkannt: Noch tiefer zu springen bedeutet nicht automatisch mehr Glück.
Meine letzte Stuntman-Rolle war in Willy Bogners Film "White Magic". Besonders durch meinen Bungee-Sprung von der Staumauer in "Feuer, Eis und Dynamit" wurde ich bekannt, obwohl ich als Extrem-Kanute im gleichen Film wesentlich schwierigere Stunts vollbracht habe. Plötzlich wollte jeder Bungee-Springen. Aus dieser Euphorie ist meine eigene Bungeefirma entstanden.
Ich habe mir nie große Sorgen um die Zukunft gemacht, denn ich glaube, dass einem das Leben keine Aufgabe stellt ohne gleichzeitig die Kraft zu geben, diese auch zu meistern. Viele Menschen holen potenzielle Probleme aus der Zukunft in die Gegenwart. Sie machen sich damit das Leben schwer - obwohl sie gar nicht wissen, ob das Problem, vor dem sie Angst haben, je auftreten wird. Das passiert mir auch manchmal und dann frage ich mich: "Was fehlt mir jetzt, in diesem Augenblick?" Darauf richte ich dann meinen Fokus.
Unternehmer haben oft gebrochene Biographien
Abenteurer und Unternehmer sind sich in einem wichtigen Aspekt sehr ähnlich: Sie sind bereit, Unsicherheit in Kauf zu nehmen. Das entspricht auch meinem Naturell. Heute beschäftige ich über 500 Mitarbeiter. Das unternehmerische Wissen dafür habe ich mir selbst angeeignet - indem ich die Dinge tue und aus meinen Fehlern lerne.
Ich stehe meistens um sechs Uhr morgens auf und arbeite oft bis in die Nacht. Es macht mir nichts aus, mich anzustrengen. Ich beklage mich nicht, denn ich habe es selbst so gewählt. Im Sport habe ich gelernt: Wenn ich gewinnen will, muss ich besser trainieren als die anderen. Das ist im Business nicht anders.
Gerade Unternehmer haben oft gebrochene Biographien. Das zeigt: Man kann auch als Quereinsteiger sehr erfolgreich sein, wenn man hartnäckig sein Ziel verfolgt. Ich selbst habe Abitur und dann eine Ausbildung als Logistiker gemacht. Das war's. Den Rest hat mich das Leben gelehrt."
Gudrun Pflüger, 42 Jahre, früher Profisportlerin, heute Biologin und Wildtierforscherin
"Als Biologin profitiere ich von meiner Karriere als Profisportlerin: Beides ist stark auf die Zukunft ausgerichtet. Für den Berglauf im Sommer und den Ski-Langlauf im Winter trainiert man jahrelang bis sich möglicherweise der Erfolg einstellt. Als Biologin arbeite ich für die European Wilderness Society und erwarte, dass sich erst in Jahren oder Jahrzehnten zeigen wird, ob unsere Arbeit für den Erhalt der Natur Erfolg haben wird.
Die mentale Stärke habe ich aus dem Sport mitgenommen. Sie ist für mich wertvoller als die Goldmedaillen und WM-Titel, die ich bei meinen Rennen gewonnen habe. Der Glaube, dass ich die Ziellinie erreichen werde, trägt mich. Auch dank dieser Ausdauer habe ich die schwere Krebserkrankung vor knapp zehn Jahren überstanden: ein aggressiver Gehirntumor. Drei Jahre habe ich gekämpft. Gehirnoperation, Chemotherapie, Bestrahlung.
Europa wieder ein Stück wilder machen
Damals hatte ich meine Karriere im Spitzensport bereits beendet. Der Übergang danach war fließend: Ich beendete mein Biologie-Studium und ging nach Kanada, um als Wildtierforscherin Wölfe zu erforschen. Meine Langlaufski hatte ich im Gepäck. Wölfe sind Ausdauertiere, ich verfolgte sie wochenlang auf meinen Skiern. Oft haderte ich mit mir und fragte mich, ob ich meine Sportkarriere mit 28 Jahren zu früh beendet hatte. Aber das Interesse für die Biologie wurde einfach größer als die Motivation zum intensiven täglichen Training.
Seit 2009 lebe ich nun wieder in Österreich, als alleinerziehende Mutter musste ich zunächst Crash-Skikurse für Touristen anbieten, um überhaupt über die Runden zu kommen. Heute habe ich meine Berufung gefunden: In einem internationalen Team der European Wilderness Society arbeite ich daran, Europa wieder ein Stückchen wilder zu machen.
Dass Wölfe und Luchse in unsere Wälder zurückkehren, verunsichert manche Menschen. Wir versuchen, aufzuklären und sie darauf vorzubereiten, dass die Natur Ruheplätze braucht. Und auch wenn das Ziel nicht gleich hinter der nächsten Kurve wartet, bin ich mir sicher, dass sich diese Arbeit langfristig für meinen Sohn und seine Nachkommen auszahlen wird."
Michael Schuhmacher, 33 Jahre, ehemaliges Model, heute Personalreferent in der Autobranche
"Mein Durchbruch als Model kam, als ich für Giorgio Armani laufen durfte. Das war mein Türöffner. Ich war damals 21 Jahre alt, das Modeln kam mir nach dem Abitur quasi dazwischen. Ich reiste durch die Welt, genoss es, interessante Fotografen, Models und Sportler kennenzulernen. Noch während meines Grundstudiums der Betriebswirtschaftslehre habe ich professionell gemodelt, das war damals mein Hauptberuf. Das Studium lief nebenbei.
Aber ich merkte schnell, dass das eine oberflächliche Branche ist, dass der Erfolg schnelllebig ist und die Auftragslage rasch einbrechen kann. Vor allem während der Wirtschaftskrise 2009 ging die Gage plötzlich runter und ich wurde seltener angefragt. Als Männermodel kann man vergleichsweise lange arbeiten, viele interessante Jobs kommen sogar erst mit 30 Jahren, Tabak- und Alkoholwerbung zum Beispiel.
Heute weiß ich genau, was morgen passiert
Aber ich wollte Familie, ein Privatleben und eine gewisse Sicherheit - all das verträgt sich mit dem Modelberuf nicht besonders gut. Also habe ich mich entschlossen, das Studium durchzuziehen. Meine Leidenschaft für das Modeln verflog zunehmend, die Shootings wurden zur Fließbandarbeit.
Nach dem Studium bin ich direkt in der Personalbranche eingestiegen. Ich arbeite viel, denn ich will auch dort weiterkommen. Der Stellenwert meiner Arbeit ist mir wichtig und ich bekomme jetzt mehr Anerkennung als früher. Modeln als Beruf klingt romantisch - wird aber eben auch nicht besonders ernst genommen.
Zwar hat sich in meinem jetzigen Job ein gewisser Alltag eingestellt, aber das meine ich gar nicht negativ. Früher wusste ich an einem Tag nicht, wo es am nächsten hingeht. Heute weiß ich genau, was morgen passiert. Das finde ich gut."