Berufswahl Unternehmensberater:Negatives Image? Mir doch egal

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Erfolgsdruck, wenig Privatleben, immer auf Achse - gerade das reizt manche Studenten am Beraterjob. Vielleicht wollen sie sich aber auch einfach nur nicht richtig für etwas entscheiden.

C. Demmer

Moderne Helden sind solche, die ihren Kopf immer rechtzeitig aus der Schlinge ziehen und am Ende als Gewinner dastehen. Vor und in der zurückliegenden Finanzkrise haben reihenweise Investmentbanker, Bankvorstände und Wertpapierberater falsch gehandelt und darum ihren Hut nehmen müssen. Dieses Schicksal teilte, soweit bekannt geworden, kein einziger Unternehmensberater. Als Folge der Krise wurden zwar viele von ihnen nach Hause geschickt, aber jetzt ist Aufschwung, und darum hat die Branche momentan wieder so reichlich zu tun, dass sie an den Hochschulen lautstark die Werbetrommel rührt.

Kann über das schlechte Image der Unternehmensberater nur lachen: Roland Berger. Für viele Absolventen bleibt Consultant trotz aller Klischees ein Traumberuf. (Foto: dpa)

Studenten folgen den Lockrufen der glamourösen Branche nach der Krise wie vorher nur zu gern. Daran ändern die offensiv angekündigten 60, 70 Stunden Arbeit in der Woche nichts, in denen Anfänger vor allem eintönige Internetrecherchen betreiben und Präsentationen für ihre älteren Kollegen basteln. Daran ändert auch der Ruf der Zunft nichts, junge Menschen in kurzer Zeit auszubrennen. Sogar Nesthocker finden nichts dabei, wochenlang, statt zu Hause, in zweitklassigen Hotelbetten nächtigen zu müssen.

Selbst abfällige Bemerkungen über die Qualität der Beraterarbeit werden eher als Ansporn verstanden. "Ihre Ergebnisse treffen noch nicht mal die Qualität von parlamentarischen Anfragen der Grünen", hatte Christian Wulff einmal über Unternehmensberater gelästert. Damals, als er noch nicht Bundespräsident war. Weil die Empfehlungen von Beratern allerdings kaum jemals einen Nachhall in der Öffentlichkeit finden, regen sich die Jungen darüber nicht auf.

Ganz im Gegenteil: Der Nachwuchs findet das Beraterdasein chic. Erstens kommen einem ehemaligen Bundeskanzler zufolge "nur die Harten in den Garten". Zweitens wird das Ranklotzen mit einem überdurchschnittlichen Einkommen belohnt. Und drittens, so Gerrit Janke, 21 Jahre alt und Student im fünften Semester an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel, "eröffnet das Consulting die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit Verantwortung zu übernehmen und sich zugleich branchenübergreifende Expertise anzueignen".

Besonders für angehende Betriebswirte im Studiengang General Management ist "Consultant" ein reizvolles Berufsziel. Mit den üblichen Klischees - heute New York, morgen Berlin und stets das angesagteste Smartphone am Ohr - hat das allerdings weniger zu tun als mit der in Aussicht gestellten Abwechslung im Beruf. Ansgar Richter, Leiter des Department of Strategy, Organization and Leadership an der EBS: "Ein Einstieg in die Unternehmensberatung bietet interessante Aspekte, zum Beispiel die Lernmöglichkeiten, die wechselnden Aufgaben und die Chance, verschiedene Branchen und Funktionen kennenzulernen."

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Das Interesse zeigt sich früh, und das ist auch gut, weil Praktika in der Beratung den Einstieg als Associate oder Junior Berater erleichtern. Julius Hafer, 22 Jahre alt und im selben Studiengang wie Kommilitone Janke, legte sein Ziel schon in den ersten Wochen des Studiums fest. "Ersten Kontakt zum Traumjob bekam ich durch die studentische Unternehmensberatung an unserer Hochschule und später durch ein Praktikum bei einer großen Beratungsfirma." Was ihm daran besonders gefallen hat, seien "die Vielseitigkeit der Arbeit" und "der Einfluss auf die beratenen Unternehmen".

Verantwortung von Anfang an

Der Reiz, hinter den Kulissen zu stehen, ohne direkte Verantwortung zu haben, und so die Geschicke der Unternehmen beeinflussen zu können, spornt den studentischen Nachwuchs jedes Jahr zu Zehntausenden an. Die Bewerbungen um eine Praktikanten-, Associate- oder Junior-Consultant-Stelle richten sich längst nicht nur auf das Spitzentrio McKinsey, Boston Consulting Group und Roland Berger. Für die zahllosen kleinen und mittelgroßen Strategie-, IT-, Change-Management- und Markenberatungen bleiben noch genug Anwärter übrig, um kräftig sieben zu können.

"Die Karrierechancen in der Beratung sind sehr gut, wenn auch nicht mehr ganz so gut wie noch vor zehn Jahren", sagt Ansgar Richter. "Die Ansprüche an Unternehmensberater sind gestiegen. Viele Unternehmen sind kritischer gegenüber Consultants geworden und schauen ihnen genauer auf die Finger."

Neben der Herausforderung, unter Druck beste Leistungen liefern zu müssen, schätzen Frauen den hohen kommunikativen Anteil am Beraterberuf. Wirtschaftsstudentin Vanessa von Frankenberg ist davon überzeugt. Eine "offene Kommunikation" und das "gemeinsame Streben nach optimierten Strategien" machten den Beruf "spannend", meint die 21-Jährige. Ihr Lehrer Ansgar Richter bestätigt das, hängt aber die Messlatte nicht nur im Hinblick auf die Kommunikationsfreude der Consultants sehr hoch. "Absolventen sollten Leistungsbereitschaft und Flexibilität mitbringen. Sie benötigen analytische und ausgeprägte soziale Kompetenzen. Kontakte in die Branche hinein können hilfreich sein."

Eine Brache ist zu wenig

Die hat Sharon Gneissl, 21, schon weitblickend eingeleitet: "Der Partner einer großen Unternehmensberatung hat mir einmal gesagt, sich für die Unternehmensberatung zu entscheiden, sei, als ob man keine Entscheidung trifft." Wenn man die Aussagen der Studenten darauf durchleuchtet, dann hat der Mann den Nagel auf den Kopf getroffen. Ein großer Reiz des Berufes scheint genau darin zu liegen, dass sich Nachwuchsberater in den ersten Jahren noch nicht für eine Branche oder eine betriebliche Funktion entscheiden müssen.

Heute Reengineering bei einem Maschinenbauer, in drei Monaten geht es um die Optimierung der Supply Chain in einer Warenhauskette und für das im nächsten Jahr beginnende Change Projekt bei der Versicherung ist der Junior Consultant schon eingeteilt. "Mit 21 Jahren bin ich neugierig auf das, was die Berufswelt für mich bereithält", sagt Sharon Gneissl. "Ich kann hier in kurzer Zeit viele Branchen, Menschen und Länder kennenlernen und mich beruflich erst mal treiben lassen, bevor ich mich festlege."

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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