Ausbildung:Pflegehelfer oder doch Pfleger werden?

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Voll qualifizierte Altenpfleger sind auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragt. Aber mit der Weiterbildung geht viel mehr Verantwortung einher und kaum mehr Geld.

Von Michaela Schwinn

Als Berufssoldat hat sich Norbert Kaeppler versucht und als Postbote. Als Friseur wickelte er Dauerwellen, in einem Biergarten servierte er Brotzeitplatten. Dann verschickte er Kunstkalender. Aber erst jetzt, mit 48 Jahren, sei er angekommen, sagt Kaeppler. Er sitzt am Bett eines Bewohners in einem Münchner Männerwohnheim und gießt dampfenden Tee nach.

Kaeppler macht eine Ausbildung zum Altenpflegefachhelfer und könnte damit eine Stütze der deutschen Pflege werden. Zumindest messen Union und SPD den Helfern eine wichtige Rolle bei. Die angehenden Koalitionäre haben sich diese Woche auf eine Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe geeinigt. Hierzu sollen Pflegehelfer zu Pflegefachkräften weiterqualifiziert werden, so steht es auch im Sondierungspapier. Die Ausbildungsoffensive soll ein Teil des "Sofortprogramms" sein, um die vielen offenen Pflegerstellen zu besetzen.

Doch es bleiben viele Fragen offen. Zum Beispiel, wer mit Pflegehelfern eigentlich gemeint ist. Pflegehelfer arbeiten in Krankenhäusern, in Altenheimen und im ambulanten Dienst. Sie assistieren Fachkräften, waschen Patienten oder bringen ihnen Essen. Allerdings ist Pflegehelfer keine geschützte Berufsbezeichnung.

Auch wenn man sich auf die Altenpflege beschränkt, gibt es unzählige Qualifikationen, die ähnlich heißen, aber für verschiedene Aufgaben in der Pflege vorbereiten. So ist selbst die staatliche Ausbildung zum Altenpflegehelfer nicht einheitlich geregelt: In Bayern und den meisten anderen Bundesländern heißt der Abschluss Altenpflegefachhelfer und dauert zwölf Monate. In Hamburg hat ein Pflegeassistent mindestens zwei Jahre Ausbildung hinter sich. Noch komplizierter wird es, weil Wohlfahrtsverbände wie die Malteser oder Johanniter selbst Zertifikate anbieten. Zum Beispiel einen fünfwöchigen Lehrgang zum Pflegediensthelfer, der vor allem pflegerische Aufgaben übernimmt, oder einen zweimonatigen Kurs zur Betreuungskraft, die Heimbewohnern vorliest und mit ihnen spazieren geht. Am Ende fallen alle unter den Begriff Pflegehelfer.

Welche Pflegehelfer Union und SPD weiterqualifizieren wollen, ist unklar. Fest steht nur, was bei der nun geplanten Weiterqualifizierung herauskommen soll: examinierte Fachkräfte. Altenpfleger, die drei Jahre ausgebildet wurden. Dann dürfen sie Patienten nicht nur waschen, ihnen die Haare kämmen oder beim Anziehen helfen, sondern auch Medikamente verabreichen und Wunden versorgen. Hier ist der Mangel am größten. Mehr als 15 000 Stellen waren im Januar 2018 offen.

Als Fachkraft lernt man zwei Jahre länger, verdient aber kaum mehr

Es ist Montag, und Norbert Kaeppler ist nach der Schicht am Wochenende zurück in der Berufsfachschule. Erste-Hilfe-Kurs: Kopfverband. Wie Witwe Bolte sehen sie aus, die 23 Schülerinnen und Schüler. Die weißen Tücher haben sie über der Stirn zusammengeknotet. Ein paar sind in Kaepplers Alter, Quereinsteiger aus anderen Berufszweigen. Die meisten aber sind deutlich jünger, Berufsanfänger. Einige kommen aus anderen Ländern, ihr Deutsch ist gebrochen.

In ein paar Monaten wird sich entscheiden, wer als ausgebildeter Helfer in eine Einrichtung geht und wer noch zwei Jahre bleibt. Denn in den meisten Fällen dürfen Pflegefachhelfer, die also mindestens zwölf Monate ausgebildet wurden, verkürzen, das heißt, zwei Jahre statt drei. Dann wären sie Fachkräfte, also Altenpfleger, wie es die Politik sich wünscht.

Doch ganz so einfach ist es mit der Weiterqualifizierung nicht. "Die Idee ist ja gut", sagt Stefanie Johnen, die stellvertretende Schulleiterin des Bildungszentrums für Pflege und Gesundheit, in dem Kaeppler ausgebildet wird. Aber nicht alle Schüler können oder wollen die Ausbildung zum Altenpfleger machen. An ihrer Schule seien es etwa 30 Prozent. "Einige Schüler fragen sich, warum sie noch zwei Jahre lernen sollen, wenn sie nicht viel mehr verdienen, dafür aber viel mehr Verantwortung übernehmen sollen", sagt Johnen. Dazu komme, dass viele nur den Hauptschulabschluss haben. "Manche würden die zwei Jahre schlicht und einfach nicht schaffen." Auch seien einige Schüler mit Migrationshintergrund in den Klassen. "Für die Altenpfleger-Ausbildung muss man sprachlich fit sein", sagt sie.

Stefan Görres, Pflegeforscher an der Universität Bremen, stellt zudem die Frage, wer die Helfer weiterqualifizieren soll. "Schon jetzt gibt es nicht genügend Lehrpersonal." Auch sei nicht klar, ob dafür Geld bereitgestellt werde, ob die Auszubildenden finanziell gefördert würden. Nur eines mache die Forderung einer Weiterqualifizierung deutlich: die Hilflosigkeit der Politik.

Norbert Kaeppler ist noch unschlüssig, ob er die zwei Jahre dranhängen soll. Nicht, weil er die Verantwortung scheut. Aber ein Jahr musste er nun mit 800 Euro Ausbildungsgehalt auskommen. Das ist wenig in einer Stadt wie München. Nur wenn ihn sein Arbeitgeber unterstützt, wird er weitermachen können. Auf der Abschlussfeier will er der Schulleitung mitteilen, ob er bleibt.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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