Medizin:Keine Angst vor dem Spion im Bauch

Medizin: Eine Packung der neuen Funkpille Abilify MyCite.

Eine Packung der neuen Funkpille Abilify MyCite.

(Foto: AP)

Ein neues Medikament mit Sensor sendet Alarmsignale aus dem Körper der Patienten. Gruselig? Nein, ein schönes Beispiel, wie Menschen von einer digitalisierten Medizin profitieren können.

Kommentar von Felix Hütten

Die Nachricht klingt, zugegeben, nach Satire: Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat ein Medikament mit einem eingebauten Sensor zugelassen. Der sendet aus dem Bauch von Schizophrenie-Patienten Daten, um die regelmäßige Einnahme der Pillen zu kontrollieren. Die Technik soll also ausgerechnet bei Menschen erstmals zum Einsatz kommen, die mitunter Angst vor übermächtigen Kräften haben; Angst davor, überwacht und gesteuert zu werden.

Abilify MyCite heißt das neue Geschöpf, doch es ist keine übermächtige Kraft. Die Sorge um einen biomedizinischen Big Brother, ja mehr noch, das Erwachen von Cyborgs, einer Menschmaschine, geht mit einem Missverständnis einher.

Immerhin sendet die Pille Daten aus dem Magen der Patienten an ein Smartphone

Eine wichtige Säule der Medizin war und ist die Datenerhebung: Blutdruck, Puls, Temperatur - um mal drei einfache Messgrößen zu nennen. Diese Informationen werden zwar, im Unterschied zur neuen Funkpille, manuell erhoben; landen aber schon heute, in der längst zur Gegenwart gewordenen Zukunft der Medizin, in fast jeder Hausarztpraxis in einem Computer, auf einem Server - und sind damit digital verfügbar, immer online. Die neue Funkpille mag Skepsis auslösen, immerhin sendet sie Informationen aus dem Magen der Patienten an ein Smartphone. Nur handelt es sich hierbei um eine neue Art der Datenerhebung und eben nicht der Datenverarbeitung. Letzteres aber betrifft die Debatte um den Schutz sensibler Informationen in einer voranschreitenden Digitalisierung der Medizin - die, um das klar zu sagen, intensiv geführt werden muss. Die Angst vor einem gläsernen Menschen ist berechtigt. Nur: Auch Daten aus einem klassischen Blutdruckmessgerät können in falsche Hände geraten.

Die Vorteile der Innovation hingegen dürfen ruhig auch mal Erwähnung finden, denn der neue Sensor ist ein schönes Beispiel dafür, wie jeder einzelne Patient von der Digitalisierung profitieren kann; das Potenzial ist jedenfalls gegeben. Dass der erste Einsatz der Technologie ausgerechnet in der Psychiatrie passiert, mag unglücklich erscheinen, da diese Patienten ihre Medikamente oftmals gegen den Rat der Ärzte absetzen.

Die Pille darf daher sicher keine Methode der Zwangsbehandlung sein. Denkt man darüber hinaus aber an eine alternde Gesellschaft, die mitunter immer vergesslicher wird, oder an Typ-I-Diabetiker, die sich Unterstützung im täglichen Blutzuckermanagement wünschen, so zeigen sich die Chancen einer digitalen Medizin: größere Therapieerfolge und gesündere Patienten. Danke, liebes Internet.

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