Streit um die Gemeinschaftswährung:"Der Euro wird zusammenbrechen"

Früher gab es in Deutschland die geräuschlose Kriegsfinanzierung durch die Notenpresse, heute die geräuschlose Friedensfinanzierung, die Milliarden in die Finanzindustrie umlenkt - sagt Finanzexperte Stefan Homburg. Würden Parallelen zur Geschichte gezogen, sei klar, dass der Euro ein böse Ende nehmen werde.

Catherine Hoffmann

Stefan Homburg zählt zu den herausragenden Ökonomen in Deutschland. In der Finanzkrise stand er mit seinen Ansichten bisweilen recht einsam da. Doch inzwischen gibt es mehr und mehr Wissenschaftler, die wie Homburg davor warnen, dass sich eine Schuldenkrise nicht mit noch mehr Schulden lösen lässt.

Ray Egan

Wird der Euro zerbrechen?

(Foto: AP)

SZ: Professor Homburg, ist der Euro noch zu retten?

Stefan Homburg: Zieht man historische Parallelen heran, wird der Euro ein böses Ende nehmen. Ein Kollaps der Währungsunion erscheint kaum noch abwendbar.

SZ: Ist das Ihr Ernst?

Homburg: Leider ja, allein Deutschland hat im vergangenen Jahrhundert zwei Währungsreformen erlebt. Global und historisch betrachtet ist die Zahl von Staatspleiten und Währungszusammenbrüchen Legion.

SZ: Kanzlerin Angel Merkel sagt: "Die Situation ist ernst." Aber die gemeinsame Währung lohne jede Anstrengung. Da kann man doch nicht widersprechen!

Homburg: Man muss sogar widersprechen, denn die Bundeskanzlerin schürt lediglich Illusionen. Dies entspricht ebenfalls einem bekannten Muster. Der große Finanzpsychologe Günter Schmölders hat einmal geschrieben, es sei erstaunlich, wie lange Regierungen die Bevölkerung im Glauben wiegen können, es werde alles gut. Noch im März 1948 glaubten die meisten Deutschen, ihre Sparguthaben seien sicher, da war die neue D-Mark längst gedruckt. Nüchtern betrachtet ist nicht erkennbar, warum diesmal ein Wunder geschehen sollte.

SZ: Vielleicht, weil wir keinen Weltkrieg hinter uns haben?

Homburg: Der Krieg selbst war nicht das Problem, sondern vielmehr die geräuschlose Kriegsfinanzierung durch die Notenpresse. Heute sind wir Zeugen einer geräuschlosen Friedensfinanzierung, die Milliarden in Richtung der Finanzindustrie umleitet und dies durch immer neue Kürzel wie EFSM, EFSF oder ESM verschleiert.

SZ: Muss es deshalb gleich zu Ende gehen mit dem Euro?

Homburg: Die Regierungschefs und die Europäische Zentralbank (EZB) werden das Ende des Euro durch ihre Manöver so lange wie möglich hinauszögern. Sie haben jedoch sämtliche Stabilitätsregeln des Vertrags von Maastricht gebrochen. Nichts spricht dafür, dass diese Regeln in Zukunft eingehalten werden, vielmehr spricht die inzwischen errichtete Haftungsgemeinschaft dagegen.

SZ: Warum soll man jetzt nicht nach vorne blicken und die Konstruktionsfehler der Währungsunion heilen?

Homburg: Solche Heilungsversuche offenbaren einen Mangel an Urteilsvermögen. Deshalb noch einmal: Die Regierungschefs der Euro-Zone und die EZB haben alle geltenden Stabilitätsregeln gebrochen, seien es Schuldenobergrenzen, das Schuldenankaufsverbot oder das Beistandsverbot. Hier gelten keine rechtsstaatlichen Regeln, sondern es herrscht Faustrecht. Warum sollten neue Regeln einen Fortschritt bewirken? Regeln zudem, die einstimmig beschlossen werden müssten, also auch von den Problemstaaten? Eine solche Entwicklung halte ich für extrem unwahrscheinlich.

Eigentlich geht es um die Gläubiger

SZ: Heißt das, wir sollten Griechenland und andere verschuldete Staaten in die Insolvenz schicken?

Homburg: Für die überschuldeten Mitgliedstaaten der Euro-Zone wären Insolvenzen die beste Lösung. Im Kern geht es aber nicht um diese Krisenländer, sondern um die Gläubiger. Der deutsche Steuerzahler alimentiert hauptsächlich diejenigen, die Griechenland und anderen Geld geliehen und dafür Zinsen kassiert haben. Diese Gläubiger kämpfen nun darum, die Verluste den Steuerzahlern, also hauptsächlich den Arbeitnehmern, aufzubürden. Der Verteilungskampf zwischen Finanzindustrie und Steuerzahlern bildet den ökonomischen Kern des Problems, er wird aber verdeckt geführt und verschleiert.

SZ: Die Schulden wandern von der privaten in die öffentliche Hand ...

Homburg: ... richtig, vor zwei Jahren befanden sich fast alle griechischen Staatsanleihen in privater Hand, inzwischen ist rund die Hälfte beim Steuerzahler angekommen. Es ist absehbar, dass in wenigen Jahren auch die andere Hälfte verschoben wird.

SZ: Ist die Übernahme von Haftungsrisiken der Grund dafür, dass das deutsche AAA-Rating zu wanken beginnt?

Homburg: Schon jetzt leidet die Bonität Deutschlands massiv unter den Garantien, die wir für andere Staaten übernommen haben. An den Versicherungsprämien für deutsche Staatsanleihen kann man ablesen, dass die Investoren einer Insolvenz Deutschlands inzwischen eine Wahrscheinlichkeit von zwölf Prozent zumessen.

SZ: Dennoch gibt es neue Planspiele, den Rettungsfonds aufzustocken. Wie soll das gehen?

Homburg: Der EFSF soll nicht nur die Mittel ausschöpfen, die ihm von den Parlamenten zugebilligt wurden. Sondern er soll die erworbenen Schrottanleihen bei der EZB verpfänden und dafür von der EZB frisches Geld erhalten. Durch diesen Trick entsteht eine Hebelwirkung: Der EFSF kann ein Vielfaches der demokratisch gebilligten Gelder verleihen, dabei vervielfachen sich natürlich auch die Risiken der Garantiegeber. Auf diese Weise werden die Parlamentsbeschlüsse ausgehebelt.

Schreckgespenst Inflation

SZ: Müssen wir als Konsequenz Inflation fürchten?

Homburg: Im Moment ist die Inflationsrate nicht hoch. Aber die Metapher der Ketchup-Inflation warnt: Wie bei einer Ketchupflasche, die man schüttelt, kommt zuerst nichts heraus, und dann ein ganzer Schwall, den man nicht aufhalten kann. Mit der Inflation verhält es sich ähnlich. Wenn sie erst kommt, wird die EZB sie kaum über Verkauf von Staatsanleihen oder über massive Zinserhöhungen aufhalten können. Die von den Regierungschefs geschürte Illusion, man könne der einen Seite helfen, ohne dass es die andere Seite etwas kostet, wird dann platzen.

SZ: Was wird passieren, wenn die Illusion verpufft?

Homburg: Das würde vor allem Vermögensbesitzer hart treffen - wie schon in der Vergangenheit. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg sind die Ersparnisse der Bürger in den Kauf von Kriegsgerät gegangen, dieses Scheinvermögen wurde dann durch die Währungsreformen 1923 und 1948 aufgedeckt. Jetzt sind europaweit Billionen in Staatskonsum geflossen, dieses Geld ist volkswirtschaftlich verloren. Bezahlt werden muss, und es fragt sich nur, wer bezahlt.

SZ: Was sollen Verbraucher tun, um sich zu schützen?

Homburg: Als normaler Bürger kann man wenig machen. Die Geschichte zeigt, dass Regierungen, wenn es ernst wird, zu radikalen Mitteln greifen wie Enteignungen, Vermögensabgaben oder Goldbesitzverbot. Auch der normale Eigenheimbesitzer, Riester-Rentner oder Lebensversicherte wird sein Fett wegbekommen. Ist der Staatsnotstand erst erreicht, sind auch die Grundrechte außer Kraft.

SZ: Gibt es gar keine Hoffnung?

Homburg: Hoffnung haben diejenigen, die nichts besitzen, denn ihnen kann auch nichts genommen werden. Hoffnung haben auch jene ehrenwerten Mitglieder der Finanzindustrie, die jetzt noch ein oder zwei Jahre mit Steuerzahlers Hilfe Kasse machen, um sich dann mit dem eigenen Flugzeug auf die eigene Insel zu verabschieden und aus der Ferne zuzusehen, wie die übrigen hier klarkommen. Hoffnung hat schließlich, wer zu einer buddhistischen Lebensweise findet und materiellen Werten ganz entsagt. Für die anderen sehe ich schwarz.

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