Neuer Musikstreaming-Dienst:Youtube Music soll Spotify und Apple Konkurrenz machen

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Musik der eigenen Wahl zu hören – heute ist das selbstverständlich und via Internet immer und überall möglich.

(Foto: imago/Westend61)
  • Youtubes Musikstreaming-Dienst "Youtube Music" ist ab sofort in Deutschland verfügbar.
  • Der Dienst kombiniert das bisherige Google Play Music mit der Videoplattform: User können in der App Musik hören und Musikvideos schauen.
  • Youtube Music lässt sich kostenlos (dafür mit Werbung) nutzen oder als monatliches Abo "Music Premium" und "Premium" abschließen.
  • "Premium" enthält zusätzlich exklusive Videoproduktionen.

Von Caspar von Au und Helmut Martin-Jung

Wer in das Suchfeld bei Google "Youtube" eingibt, dem schlägt die Autovervollständigung der Suchmaschine Dinge vor, die nicht im Sinne des Unternehmens sein dürften. Downloader, mp3 und Kombinationen der Begriffe, die verdeutlichen, was viele Nutzer wollen: kostenlos Musik von der Videoplattform herunterladen.

Wenn der Plan des Internetunternehmens aufgeht, wird sich das bald ändern - auch wenn das gar nicht das vorderste Ziel von "Youtube Music" ist. In dem neuen Produkt kombiniert der Internetkonzern die Dienste seiner Musikstreaming-App "Google Music" und der überaus erfolgreichen Videoplattform. Nutzer können kostenlos Musik aus dem Netz hören oder, wenn sie auf Werbeunterbrechungen verzichten wollen, ein Abonnement für rund zehn Euro pro Monat abschließen. Die Nutzer des Music-Premium genannten Dienstes können sich die Musik auch herunterladen. Es ist im Prinzip dasselbe Geschäftsmodell, das auch schon Google Music oder Konkurrenten wie Apple Music, Deezer und Marktführer Spotify verfolgen.

Wie wahnsinnig schnell sich die Musikindustrie in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewandelt hat, lässt sich auch daran ablesen, welche Wege die Musikpiraten gefunden haben. Von den 1960er-Jahren bis Mitte der Neunziger war der einfachste Weg, sich kostenlos Musik zu beschaffen, der Kassettenrekorder. Auf Kassetten folgten gebrannte CDs und zahlreiche Online-Plattformen, über die man sich digitale Musikdateien herunterladen konnte. Die Musikindustrie ächzte, schob die Rückgänge im weltweiten Umsatz zwischen 1999 und 2014 unter anderem auf die Piraterie.

Nahtlos zwischen hören, gucken und stöbern wechseln

Angebote zum kostenpflichtigen Download sowie später Musik-Streaming-Dienste wie Spotify änderten den Trend. Der Weltverband der Musikindustrie IFPI meldete in seinem jährlichen Bericht, dass der weltweite Umsatz zum dritten Mal in Folge gestiegen sei, 2017 um etwa acht Prozent, Streaming sogar um mehr als 41 Prozent, die Umsätze mit physischen Tonträgern und Downloads sinken dagegen.

272 Millionen Menschen weltweit nutzen zwar laut IFPI Musikstreaming-Dienste. Trotzdem ist die Videoplattform Youtube die beliebteste Online-Anlaufstelle für Musik auf Abruf. Etwa 85 Prozent der User würden die Videoseite regelmäßig für musikalische Inhalte aufrufen, wie die Studie des Industrieverbands ergab - eine ganze Menge bei 1,8 Milliarden Menschen, die Youtube zufolge die Seite nutzen.

Und nun also steigt dieser Koloss in den Ring zu Spotify, das mit mehr als 75 Millionen zahlenden Abonnenten bisher den größten Marktanteil hat, und zu Apple Music mit 50 Millionen Abonnenten. Alle Anbieter brüsten sich mit Abermillionen von Liedern und Playlists, die dem Nutzer je nach Stimmung und Geschmack die passende Mischung bieten. Für Youtube ist es daher wichtig, außerdem ein Alleinstellungsmerkmal herauszustellen. Im Falle der Videoplattform liegt das auf der Hand: In Youtube Music können Nutzer "nahtlos zwischen hören, gucken und Musik entdecken hin- und herwechseln", sagt T. Jay Fowler, Produkt-Chef der App.

"Youtube Red" wird zu "Youtube Premium"

Die User sollen nicht mehr zwischen verschiedenen Apps hin und her wechseln müssen, wenn sie sich ein Live-Konzert oder ein Musikvideo zu dem Lied anschauen möchten, das sie ohnehin gerade hören. Zudem bietet Youtube eine riesige Sammlung an Cover-Versionen von Liedern, auch diese finden sich in Youtube Music. Oder wie Roman Lochmann, ein Teil des Youtube-Starduos "die Lochis", es ausdrückt: "Das ist der nächste logische Schritt". Darüber hinaus sollen künftig Funktionen, die den Nutzern an Google Play Music besonders gut gefallen haben, in die Youtube-App integriert werden. Zum Beispiel, dass sie ihre eigene Musik in die Sammlung hochladen können.

Auch die anderen Streaming-Anbieter schlafen allerdings nicht. Apple hat erst vergangene Woche angekündigt, mit Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey zu kooperieren. Der Elektronikkonzern produziert also auch eigene Videoformate und versucht so, neben seinem erfolgreichen Musikdienst an dem Geschäft von Video-Streaming-Diensten wie Netflix mitzuverdienen. Youtube hat über sein Abo-Modell "Red" schon 2015 begonnen, exklusive Formate für zahlende Kunden zu produzieren; der Dienst war bisher nicht in Deutschland verfügbar. Nun wird aus Red zudem "Youtube Premium", das zwölf Euro im Monat kostet. Darin enthalten sind neben den von Youtube exklusiv produzierten Serien und Filmen auch Youtube Music, Werbefreiheit und die Möglichkeit, Videos direkt auf der Seite herunterzuladen.

Streaming-Dienste: Universalbibliotheken des menschlichen Musikschaffens

Der Vorstoß Googles ist der bisherige Endpunkt einer Entwicklung, die im 19. Jahrhundert mit den ersten, sehr primitiven Aufzeichnungsgeräten begann. Heute beherrscht die digitale Aufzeichnungs- und Speicherungstechnik alles. Erst sie machte es überhaupt möglich, Musik über das Internet zunächst auf Computer, dann auf eine Vielzahl von Geräten zu übertragen. Zu Bachs oder Mozarts Zeiten war es nicht unüblich, dass ein Stück in einem Konzert ein zweites Mal gespielt werden musste. Es war ja vielleicht das letzte Mal, dass die Zuhörer es zu Ohren bekommen würden. Denn zum einen verlangte der Zeitgeist stetig nach Neuem - die Aufführung alter Musik bürgerte sich erst im 19. Jahrhundert ein.

Zum anderen gab es natürlich keine Aufzeichnungsmöglichkeiten. Und heute? Die Streaming-Dienste, die in ihren Rechenzentren viele Millionen Musikstücke gespeichert haben, kommen einer Universalmediathek des menschlichen Musikschaffens nahe. Es muss sich aber keiner hinbemühen zu dieser Mediathek - ein paar Klicks reichen, und die Musik fließt übers Internet wie Strom aus der Steckdose. Dies geht Hand in Hand mit dem Trend zu vernetzten Abspielgeräten. Die jüngste Generation folgt dabei sogar aufs Wort - lässt sich also per Sprache steuern.

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