Videoplattform:Youtuber fürchten um ihre Existenz

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Youtube ist die größte Videoplattform und insbesondere bei jungen Nutzern eines der wichtigsten sozialen Netzwerke. (Foto: Bloomberg)

Sie erhalten immer öfter kein Geld, weil ihre Videos angeblich extremistisch oder gewalttätig sind. Die Youtuber beklagen Willkür, in Deutschland haben sie sogar eine Gewerkschaft gegründet.

Von Michael Moorstedt

Youtuber werden - unter jungen Menschen ist das inzwischen ein veritables Karriereziel. Und für die meisten so unerreichbar wie früher Astronaut, Profifußballer oder Cowboy. Die wenigen aber, die es schaffen, werden verehrt wie damals Rockstars. Creators nennen sie sich selbst. Kreativarbeiter, die ein globales Publikum bespaßen, sei es mit Comedy- oder Musikvideos, nischigen Hobbys oder in Form einer täglich aktualisierten visuellen Biografie.

Alles prima also. Zumindest bis letzte Woche. Da berichtete die Entertainment-Plattform Polygon, dass die beliebtesten Stars des Videoportals "in Massen ausbrennen und zusammenbrechen" würden, niedergestreckt vom ewigen Zwang, mehr und noch mehr Inhalte zu produzieren und neue Abonnenten heranzuschaffen. Jeder Tag, an dem kein neues Update auf den eigenen Kanal hochgeladen wird, ist ein verlorener. Von Seiten des Publikums gibt es dafür relativ wenig Mitleid. Das habe man nun davon, wenn man keinen anständigen Beruf erlerne, so der Kanon.

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Demonetarisierung lautet das Schreckgespenst unter den Profi-Youtubern. Anfang des Jahres erhöhte das Unternehmen die Hürden, um Teil des Partnerprogramms zu werden und so an den Werbeeinnahmen, die durch die eigenen Videos generiert werden, teilzuhaben. Seitdem benötigt ein Kanal 1000 Abonnenten und muss monatlich mindestens 4000 Stunden angesehen werden, um in Betracht zu kommen.

Der Ursprung des Problems, von Insidern Adpocalypse genannt, datiert schon einige Zeit zurück. Da zogen große Konzerne wie Amazon oder Coca-Cola Anzeigen zurück, weil diese vom automatisierten Platzierungssystem vor Videos mit extremistischen oder gewalttätigen Inhalten geschaltet wurden. Seitdem werden in einer Art Überreaktion sämtliche Videos aus dem Partnerprogramm getilgt, die auch nur ansatzweise Kontroverses zeigen. Das reicht von Stichwörtern wie Rassismus oder Flüchtling über ein salopp dahingesagtes Schimpfwort hin zu Videos mit geistreichen Titeln wie "Gemüse, das wie Genitalien aussieht" reichen.

Im Netz hat sich eine Kaste von Klickarbeitern etabliert

Während die Politik noch immer debattiert, was eigentlich prekäre Arbeit überhaupt ist, hat sich in den letzten Jahren im Netz eine Kaste von Klickarbeitern etabliert, deren Einkommen, ja, die gesamte Karriere, mit einem Flickern des entsprechenden Algorithmus jederzeit zusammenbrechen kann. Die Situation unter den hauptberuflichen Videomachern ist inzwischen so verzweifelt, dass ein deutscher Youtube-Produzent vor einigen Monaten gar eine eigene Gewerkschaft ins Leben gerufen hat. Ganz traditionell erhofft man sich durch die vereinte Stimme ein besseres Kräftegleichgewicht im Kampf gegen das Establishment.

Die automatischen Skripte und Löschprogramme, die Youtube benutzt, um anstößige Inhalte auszusondern, scheinen noch dazu nicht besonders feinfühlig zu sein. Weil die Richtlinien noch dazu auch notorisch intransparent sind, geht inzwischen bei so manchem Youtuber nicht nur die Existenzangst, sondern sogar eine handfeste Paranoia gegenüber dem Konzern um.

Besonders tragisch endete die Adpocalypse im Fall von Nasim Aghdam. Die junge Frau drang Anfang April in das Youtube-Hauptquartier ein, mit einer Pistole bewaffnet. Sie verletzte drei Menschen, bevor sie die Waffe gegen sich selbst richtete. In einem später aufgefundenen Bekenntnis beschuldigte sie Youtube, absichtlich ihre Karriere zu zerstören. Natürlich auf Video.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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