Rachepornos und Zensur:Facebook muss wegen Racheporno vor Gericht

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Der Chefredakteur der Zeitung Aftenposten, Espen Egil Hansen, beschwerte sich bei Facebook wegen der Löschung eines Fotos. Eine Klägerin in Nordirland wiederum verlangt von dem Konzern ein härteres Durchgreifen. (Foto: Eric Johansen/dpa)

Eine 14-Jährige verklagt den Konzern wegen eines Nacktfotos. Dabei hätte Facebook die Software, immer wiederkehrende Erniedrigung zu verhindern.

Von Jannis Brühl und Björn Finke, München/London

Mal zu viel, mal zu wenig Kontrolle: Facebook-Managerin Sheryl Sandberg entschuldigte sich nun, weil der US-Konzern das berühmte Foto eines nackten Opfers des Vietnamkriegs auf seinen Seiten löschte. Zugleich ließ am Montag ein Richter im nordirischen Belfast eine Schadensersatzklage gegen Facebook zu, bei der es darum geht, dass der Konzern offenbar das Nacktfoto einer Jugendlichen nicht systematisch unterdrückt hat.

Es ist das erste derartige Verfahren im Vereinigten Königreich. Und der Fall in Nordirland und der Trubel um das Kriegsfoto zeigen, wie konfliktträchtig die Kontrollen und die Zensur bei Webkonzernen wie Facebook sind.

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Weltweit steht Facebook unter Druck, Inhalte stärker zu filtern: Deutschland hat dem Unternehmen eine sogenannte Task- force aufgezwungen, eine Arbeitsgruppe, die mithelfen soll, die Flut rassistischer Beiträge auf den Facebook-Seiten einzudämmen. Die Vereinigten Staaten wollen soziale Netzwerke wie Facebook beim Kampf gegen Propagandavideos der Islamisten in die Pflicht nehmen und sie so im Krieg gegen den Terror einspannen. Immer wieder gibt es zudem Streit um die Frage, ob wirklich Unternehmen wie Facebook entscheiden sollen, was veröffentlicht werden darf und was nicht. Was ist geschmacklos, aber legal? Und sollte das von Konzernen beantwortet werden oder von Richtern?

Facebook-Managerin Sandberg schrieb in einem Brief an die norwegische Regierungschefin Erna Solberg, das soziale Netzwerk mache nicht immer alles richtig. Der US-Konzern hatte das Foto eines nackten, vor einem Napalm-Angriff wegrennenden Mädchens von der Facebook-Seite eines norwegischen Autors entfernt. Als Begründung gab das Unternehmen an, das Bild verstoße gegen die Regeln von Facebook zur Darstellung von Nacktheit. Auch von der Facebook-Seite der norwegischen Zeitung Aftenposten wurde das Foto gelöscht. Der Chefredakteur beschwerte sich darüber in einem offenen Brief an Firmenchef Mark Zuckerberg, Regierungschefin Solberg kritisierte das Vorgehen der Amerikaner ebenfalls.

Bei dem Fall in Nordirland hingegen ist das Nacktfoto kein Dokument der Zeitgeschichte, sondern schlicht eine Demütigung für das Opfer. Eine heute 14-Jährige schickte ihrem Freund erotische Fotos, und nach der Trennung veröffentlichte der eines davon auf einer Facebook-Seite. So etwas wird "Rache-Porno" genannt: Der gekränkte Ex-Partner will seine frühere Freundin im Internet bloßstellen.

Mehrmals wurden schon Menschen verklagt, die Nacktbilder anderer gegen deren Willen auf Facebook veröffentlichten. Nun wird vom Konzern selbst Schadensersatz gefordert. In Facebooks Richtlinien heißt es: "Bilder, die aus Rache oder ohne die Zustimmung der darin abgebildeten Person geteilt werden", würden gelöscht. In Belfast sagte ein Anwalt des Unternehmens, Facebook habe das Foto der 14-Jährigen immer gelöscht, sobald eine Beschwerde einging.

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Die norwegische Zeitung teilt das berühmte Bild eines nackten Mädchens. Facebook entfernt das Foto - und alle Kritik an der Entscheidung. Der Chefredakteur geht auf die Barrikaden

Doch die Anwälte des Mädchens argumentieren, das reiche nicht: Facebook hätte nach der ersten Beschwerde verhindern müssen, dass dieses Foto überhaupt noch einmal veröffentlicht werden kann. Denn der Ex lud es zwischen November 2014 und Januar 2016 mehrmals hoch. Die Juristen weisen darauf hin, dass eine solche Blockade technisch möglich sei.

Mit dieser Software kann Facebook Kinderpornos und Propaganda blockieren

Tatsächlich verfügt Facebook über eine der besten Bilderkennungstechnologien auf Basis künstlicher Intelligenz. Für den Konzern arbeiten viele der fähigsten Entwickler, er besitzt einen gigantischen Datenpool von Fotos und Videos. Facebook argumentiert allerdings, bei Löschungen würde am Ende immer ein Mensch entscheiden und kein Algorithmus.

Für den Kampf gegen Kinderpornografie nutzt Facebook ein besonders scharfes Instrument: "Photo-DNA", ein vom US-Technologiekonzern Microsoft entwickeltes Programm. Es blockiert Bilder, die einmal als problematisch identifiziert wurden, anhand eines sogenannten Hash-Wertes, einer Art digitalem Fingerabdruck, den es Bildern zuweist. Lädt jemand das Bild erneut hoch, wird es dank des Fingerabdrucks automatisch identifiziert und gelöscht. Die zentrale Datenbank entsprechender Bilder liegt beim "National Center for Missing and Exploited Children", einer weltweit tätigen Organisation, die gegen Kinderpornografie kämpft.

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Seit Kurzem verwendet Facebook - genau wie die Suchmaschine Google - zudem eine Weiterentwicklung von Photo-DNA. Dieses neue Programm soll dschihadistische Propagandavideos erkennen und löschen. Ursprünglich sollten mit der Technik urheberrechtlich geschützte Filme identifiziert werden.

Die 14-Jährige aus Nordirland jedoch profitierte nicht von all der Technik.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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