Neue Twitter-Funktion für Nachrichten:Momente mal!

Lesezeit: 3 min

Twitter zeigt auf "Moments" News-Stories, auch Nutzern, die den beteiligten Twitterern gar nicht folgen. (Foto: AP)
  • Twitter droht, den Anschluss zur Social-Media-Elite zu verlieren.
  • Deshalb gibt es nun die Nachrichten-Funktion Moments. Twitter übernimmt damit Erfolgsmodelle unter anderem von Snapchat - und will sein Chaos ordnen.

Eine Analyse von Hakan Tanriverdi, New York

Wer Twitter hat, ist nah dran und weiß schnell Bescheid. Vom Flugzeug, das im Hudson River notlandet, über den Tod von Bin Laden bis hin zu den Protesten im Istanbuler Gezi-Park und den Gedanken der schwarzen Community in den USA. Unmittelbar dabei sein - das war doch eigentlich, was wir uns vom Internet erhofft haben.

Doch wen kümmert's?

Anscheinend nicht genug Menschen. 302 Millionen Personen nutzen Twitter, doch der Dienst wächst seit Jahren nicht mehr besonders schnell. Instagram ist vor ein paar Monaten gleichgezogen und hat nun schon 400 Millionen Nutzer.

Aus diesem Grund hat Twitter in der vergangenen Woche eine neue Funktion vorgestellt. Sie heißt Moments. Zu einem bestimmten Ereignis präsentiert der Dienst Nutzern ausgewählte Tweets, Videos, Bilder oder bloße Texte. Dazu muss er nur auf den neuen "Moments"-Button klicken. Ganz einfach, ganz niedrigschwelig.

Denn als Grund für Twitters Beinahe-Stagnation gilt: Der Dienst ist zu komplex, wirkt zu chaotisch für neue Nutzer. So wirklich wüssten die dann ja doch nicht, was sie sagen sollen oder können. Also sagen sie gar nichts und löschen die App. Außerdem: Wer sich neu bei Twitter anmeldet, bekommt lauter Stars angezeigt, denen er folgen soll. Ja, Bastian Schweinsteiger ist auf Twitter, doch er ist eben auch auf Facebook. Dort hat er mehr Fans und mehr zu sagen. Das ist der Punkt, an dem die App für viele Nutzer nutzlos word.

Die Momente, die Twitter nun auf Moments vorstellt, sind Tages-Zusammenfassungen in fünf Kategorien (Heute, Nachrichten, Sport, Unterhaltung, Spaß). Jeder "Moment" besteht aus zehn bis zwölf Beiträgen. Mitunter sieht das wirklich gut aus. Vor allem aber zeigt der Schritt, wie sehr sich das Internet und die Art, wie wir es nutzen, verändert hat.

Endlich Ende in Sicht

Die Überlegung ist: Es gibt Twitters Haupt-Nachrichtenstrom, und der ist unendlich. Wer will, der kann sich lange in die Vergangenheit zurückscrollen. Moments aber hat ein Ende. Die Methode: App öffnen, ein paar Momente erleben, auf den aktuellen Stand kommen, App schließen. Einziges Bindeglied zwischen Moments und klassischem Twitter-Stream ist eine "Folgen"-Funktion für Live-Events. Solange die Veranstaltung läuft, kriegt man im Hauptfeed Tweets zu diesem Moment eingeblendet.

Noch funktioniert Moments nur in den USA. Doch die Öffnung für andere Länder dürfte folgen. Ebenso ist damit zu rechnen, dass Twitter mit dem Gedanken spielen wird, die "Momente" zu personalisieren. Denn das ist überall sonst zu sehen.

Wer whatsappt, hat Interesse, die App weiterhin zu nutzen. Es wäre ja unhöflich, Freunde mitten im Gespräch zu verlassen. Instagram liefert mitunter tolle Bilder von Freunden. Auf Vine ist jede Art von Talent zu finden, Nutzer folgen jenen Kreativen, die sie spannend finden. Snapchat lässt sie mit der "Stories"-Option am Leben von Menschen teilhaben, die sie interessieren. Pinterest ist eine Ansammlung dessen, was der Nutzer toll findet. Alle diese Apps haben also einen Bezug zu Personen, es geht weniger um reine Informationen. Twitter hingegen blieb bisher stark auf der Sachebene, dort fanden sich meist Links zu Analysen, Nachrichten und Breaking News - und spitzfindige Kommentare zu diesen.

Wer will, verzichtet auf die Hauptfunktion

Moments weicht Twitters Härte auf. Der Weg in das Netzwerk ist einfacher. Wer sich anmeldet, kann locker auf die Hauptfunktion verzichten und nur die "Momente" nutzen. Deshalb gibt es dort die Kategorie Spaß. Wer einmal so etwas hier präsentiert bekommt und den Humor teilt, wird bestimmt öfter vorbeischauen. (Das Video stammt übrigens von Vine, das Twitter gehört.) Twitter hat das Konzept übernommen, das Snapchat so erfolgreich gemacht hat - die "Stories" - und hofft nun, dass die Nutzer es genauso gut annehmen. Twitter hat den Vorteil, dass es Inhalte millionenfach von seinen Nutzern geliefert bekommt - aber vor dem Problem steht, sie sinnvoll zu verarbeiten.

Die neue Funktion von Twitter wird von manchen Analysten durchaus gefeiert. Aber Skepsis ist angebracht. Die Idee ist gut, aber noch ist die Umsetzung schwach. Denn die "Momente" funktionieren momentan nicht so, wie sie es sollten. Gut argumentiert hat das der Unternehmer Josh Dickson. Er schreibt: "Twitter muss herausfinden, welche Inhalte es seinen Nutzern präsentieren will - und diese dann in Echtzeit finden." Einfach wird das nicht.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: