Contra #DeleteFacebook:Digitale Enthaltsamkeit ist keine Lösung

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Facebook ist oft banal - aber manchmal auch verdammt praktisch, um mit Menschen in Kontakt zu bleiben. (Foto: REUTERS)

Wer sich von Facebook abmeldet, schneidet sich von einem Teil der Wirklichkeit ab. Um konsequent zu sein, müsste man sein Handy vergraben. Der Boykott Einzelner bringt ohnehin nichts, die Politik müsste die Tech-Riesen zähmen.

Kommentar von Karin Janker

Wenn manche Nutzer jetzt ihr Facebook-Profil löschen, ist das zwar menschlich nachzuvollziehen, aber es ist auch eine Kapitulationserklärung. Denn nicht der Einzelne muss sich der Übermacht der Internetkonzerne widersetzen, sondern die Politik muss dies tun.

Digitale Enthaltsamkeit kann nicht die Lösung sein, zumal ja noch sehr viele andere Plattformen im Netz Daten sammeln. Wer konsequent sein will, müsste auch Whatsapp und Instagram boykottieren, die beide zum Facebook-Konzern gehören. Und am besten sein Smartphone vergraben, denn zwei Drittel aller Apps geben private Nutzerdaten an Dritte weiter.

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Von Simon Hurtz

Die Konsequenzen aus dem Datenskandal rund um Facebook müssen weiter reichen als persönlicher Boykott, sie sollten sich im politischen Umgang mit Internetkonzernen niederschlagen. Nur die Politik kann Regeln für einen besseren Datenschutz vorgeben. Und darauf können kritische Nutzer der Plattformen besser dringen als Menschen, die digital abstinent leben. Anstatt sein Profil zu löschen, ist es also sinnvoller, angemeldet und kritisch zu bleiben.

Facebook ist oft belanglos - genau wie das analoge Leben

Facebook macht das Leben weder schöner noch besser, aber es ist einer von mehreren Zugängen zur Welt: Es zeigt einigermaßen interessante Nachrichten und ist zugleich ein praktisches Adressbuch, weil es ein Reservoir von Bekannten aus unterschiedlichen Lebensphasen bereithält. Hin und wieder blättert man in diesem Adressbuch und meldet sich bei jemandem, oft bleibt es beim Austausch von Floskeln, manchmal aber kommt ein interessantes Gespräch zustande.

Natürlich ist vieles auf Facebook belanglos, genau wie im analogen Leben. Ein Grund, sich deswegen zu verabschieden, ist das aber nicht. Und dass einem auf Facebook Kommentare von Nutzern mit völlig anderen politischen Ansichten begegnen, ist eher ein Grund, dabeizubleiben - selbst wenn die Gegenmeinung allzu deutlich formuliert wird. Schließlich kann das Digitale auch eine Möglichkeit sein, die Filterblase des analogen Freundeskreises zu verlassen.

Wer sich von Facebook abmeldet, schneidet sich von einem Teil der Wirklichkeit im 21. Jahrhundert ab. Die Plattform ist schlicht zu relevant, um ignoriert zu werden. Der jüngste Skandal ist absurderweise ein Indiz dafür: Dass Cambridge Analytica mithilfe von Facebook Wahlen beeinflussen kann, liefert Stoff für das größte Sozialexperiment der Gegenwart. Wer bei der Debatte über dieses Experiment mitreden will, sollte wissen, wie Facebook funktioniert.

Man entkommt Facebook so gut wie gar nicht

Angemessen ist deshalb ein reflektierter Umgang: Man sollte keinen Klarnamen nutzen, eine gesonderte E-Mail-Adresse verwenden und Cookies blockieren, die das Surfverhalten überwachen; man sollte aber vor allem nicht dem Bedürfnis nachgeben, die Welt ständig über alles auf dem Laufenden zu halten, und mithin den eigenen Narzissmus begrenzen. Diese Regel gilt im Internet ebenso wie in der analogen Welt.

Wer sich der Hoffnung hingibt, er könne durch einen Klick aus Facebook aussteigen, liegt ohnehin falsch: Gelöschte Daten bleiben auf den Servern, sie sind nur für einen selbst nicht mehr sichtbar, verwendet und ausgewertet werden sie weiterhin. Und Facebook sammelt nicht nur Daten seiner Nutzer, sondern auch die von deren Freunden und Leuten, die auf Webseiten unterwegs sind, welche Facebook-Anwendungen verbaut haben und den weißen Daumen auf blauem Grund nutzen. Wo auch immer so ein Daumen klebt, hat Facebook seine Fangnetze ausgelegt.

So fatalistisch das auch klingt, aber man entkommt Facebook so gut wie nicht. Dem Unternehmen dürfte es zunehmend egal sein, ob man dort noch ein Konto besitzt oder nicht. Für alle anderen legt es Schattenprofile an. Facebook wird sein Geschäftsmodell nur ändern, wenn wichtige Werbekunden das Netzwerk in großer Zahl boykottieren. Und wenn die Politik das Unternehmen besser reguliert und kritische Nutzer dazu ihren politischen Willen artikulieren.

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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