Schule:Muslimische Schülerinnen müssen mit Jungen schwimmen

Verbietet der Koran Schwimmunterricht

Eine muslimische Schülerin sitzt in einem Ganzkörper-Badeanzug (Burkini) am Rande eines Schwimmbeckens.

(Foto: Rolf Haid/dpa)
  • Muslimische Eltern in der Schweiz wollten verhindern, dass ihre Töchter am gemischten Schwimmunterricht teilnehmen mussten.
  • Sie zogen bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.
  • Die Straßburger Richter jedoch halten den gemeinsamen Schwimmunterricht für akzeptabel.

Schulpflicht schlägt Religionsfreiheit - so ließe sich ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zusammenfassen. Zwei muslimische Eltern - sie stammen aus der Türkei, haben aber auch die Schweizer Staatsbürgerschaft - aus Basel wehrten sich dagegen, ihre Töchter zum gemischten Schwimmunterricht zu schicken. Ihr Glaube verbiete dies. Die Schweizer Behörden verhängten schließlich Bußgelder, 350 Schweizer Franken pro Elternteil und Kind. Da die Töchter die Pubertät noch nicht erreicht hätten, könnten sich die Eltern nicht auf gesetzliche Ausnahmenberufen.

Nachdem alle Schweizer Instanzen geurteilt hatten, dass die Kinder am gemischten Schwimmunterricht teilnehmen müssten und das verhängte Bußgeld rechtens gewesen sei, wandten sich die Eltern an das Menschenrechtsgericht in Straßburg. Die Richter haben nun jedoch die Urteile aus der Schweiz bestätigt. Es ist den Kindern demnach zuzumuten, mit Schülern des anderen Geschlechts schwimmen zu gehen.

Zwar, so die Richter, würden die muslimischen Familien in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Jedoch habe der Staat in diesem Fall das Recht dazu, da Schulen im Prozess der sozialen Integration eine "herausgehobene Rolle" spielten. Es sei im Interesse der Kinder, an allen Bildungs- und Erziehungsangeboten der Schule teilzunehmen. Dieses gesamtgesellschaftliche Interesse wiege schwerer als die persönlichen religiösen Vorstellungen der Familie.

Ähnliche Fälle in Deutschland

Der Richterspruch passt zu Urteilen in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit. Auch in Deutschland ziehen immer wieder Eltern vor Gericht, die ihre Töchter und Söhne aus religiösen Gründen vom Schwimmunterricht befreien lassen möchten. Einige Beispiele:

2013 lehnt das Bundesverwaltungsgericht die Klage einer Frankfurter Schülerin ab. Leicht bekleidete junge Männer seien in Deutschland im Sommer überall zu sehen. Der Anblick leicht bekleideter männlicher Schüler im Schwimmbad beinträchtige die 13-Jährige somit nur "geringfügig" in ihrer Glaubensfreiheit. Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag überwiege. Im Übrigen sei ein Ganzkörperbadeanzug ("Burkini") ein akzeptabler Kompromiss.

Eine Verfassungsbeschwerde der Frankfurter Schülerin gegen das Urteil wurde 2016 nicht zur Entscheidung angenommen, so dass eine Einschätzung der Karlsruher Richter bislang aussteht.

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hielt 2012 für einen Anspruch auf Befreiung vom Schwimmunterricht das Einsetzen der Pubertät für ausschlaggebend - auf jeden Fall aber die Vollendung des zwölften Lebensjahrs. Die Klage einer muslimischen Drittklässlerin lehnte es damit allerdings ab.

2009 gab das Oberverwaltungsgericht Münster einer Schulleiterin recht, die einen Befreiungsantrag für eine elfjährige Muslimin abgelehnt hatte. Die Mutter hatte bei den Aufnahmegesprächen für das Düsseldorfer Gymnasium unterschrieben, dass sie mit der Teilnahme ihrer Tochter am Schwimmunterricht mit Jungen und auch an mehrtägigen Klassenfahrten einverstanden sei.

In einem anderen Fall sollte nicht die Tochter, sondern der Sohn vom Schwimmunterricht befreit werden. Mit diesem Anliegen scheitern die muslimischen Eltern 2005 vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf jedoch. Sie hatten argumentiert, ihr Sohn solle Schülerinnen in Badeanzügen und Bikinis weder sehen noch berühren.

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