Die Leserfrage
Kürzlich habe ich die Meldung gelesen, wonach sich in der Schweiz zwei Schüler muslimischen Glaubens geweigert hatten, ihrer Lehrerin die Hand zu geben. Seitdem stelle ich mir die Frage: Wie ist das an bayerischen Schulen geregelt? Kommen sie muslimischen Schülern bei der Ausübung ihrer Religion entgegen? Oder müssen sich die Schüler anpassen?
Die Antwort
Religionsfreiheit und ungestörte Religionsausübung sind in Deutschland per Gesetz garantiert, das gilt auch an Schulen. Auch die bayerische Verfassung mahnt zu gegenseitiger Rücksichtnahme: "An allen Schulen sind beim Unterricht die religiösen Empfindungen aller zu achten." Ein Sprecher des zuständigen Kultusministeriums sagt: "Toleranz und die Achtung vor Gott gehören zu den höchsten Bildungszielen in Bayern." Das schließe auch jeden nichtchristlichen Gott ein.
Da der Staat aber zeitgleich seinem Erziehungs- und Bildungsauftrag nachkommen soll, muss gegeneinander abgewogen werden. Heißt: Vieles ist von den örtlichen Gegebenheiten abhängig. Vier Fragen samt Antworten illustrieren Probleme, die immer wieder in der Schulpraxis aufkommen:
Können muslimische Schüler auf eigene Gebetsräume bestehen?
Eine Frage, die zuletzt an den Unis aktuell geworden ist und sich an den Schulen prinzipiell eindeutig beantworten lässt: Nein, auf Gebetsräume bestehen können muslimische Schüler nicht. Allerdings sind sie auch nicht verboten.
Wenn eigens fürs Gebet ein Raum zur Verfügung gestellt wird, dann sollte er aber für Schüler aller Glaubensrichtungen zugänglich sein. "Bei der Ausübung der Religion sollen alle Schüler gleich behandelt werden, daher ist die Einrichtung eines Gebetsraumes für Schüler nur einer Religionsgemeinschaft problematisch", sagt ein Sprecher des Kultusministeriums. Da aber die meisten Schulen ohnehin eher zu wenig als zu viel Platz haben, sollten grundsätzlich die "Räumlichkeiten der Schule aber für den Schulbetrieb genutzt werden".
Religionsfreiheit:Mehrheit der Deutschen will Kopftuchverbot an Schulen
In Deutschland ist Schülerinnen das Tragen eines Kopftuchs generell erlaubt. Viele Bürger sehen das kritisch.
An einem beliebigen ruhigen Ort in der Schule eine Gebet zu sprechen, ist natürlich dennoch erlaubt. Dass der reibungslose Schulbetrieb aber auch wichtiger als die individuelle Religionsfreiheit sein kann, zeigt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2011. Die Schulleitung hatte einem muslimischen Berliner Schüler verboten, im Schulhaus zu beten, da der Schulfrieden dadurch gefährdet sei. Der Junge klagte, das Gericht gab der Schule recht. Dort würden "bereits religiös motivierte Konflikte ausgetragen", diese würden "durch die Verrichtung des Gebets verschärft".
Müssen muslimische Schülerinnen am Schwimmunterricht teilnehmen?
Gerade bezüglich nackter Haut sind die Moralvorstellung der Religions- und kulturellen Gemeinschaften sehr verschieden. Auch hierzu gibt es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das besagt: Für Musliminnen ist Schwimmunterricht, auch mit männlichen Klassenkameraden, zumutbar.
Die Eltern einer Fünftklässlerin hatten geklagt, da sie es nicht akzeptieren wollten, dass ihre Tochter zusammen mit Jungs ins Schwimmbecken steigt. Das Gericht stellte fest, dass der gemeinsame Unterricht nicht nur ein wichtiger Teil der Integration und damit des schulischen Bildungsauftrags sei. Es gebe auch Möglichkeiten für das Mädchen, sich beim Schwimmen den muslimischen Bekleidungsvorschriften entsprechend zu bedecken, zum Beispiel mit einem Burkini.
Was aber passiert, wenn sich eine Muslima dennoch dem schulischen Schwimmunterricht verweigert? "Das wäre an sich ein Verstoß gegen die Schulpflicht", sagt der Sprecher des Kultusministeriums. Insbesondere da Sport aber vor der Oberstufe kein Vorrückungsfach sei, könnten Schulen eigenverantwortlich Ausnahmeregelungen treffen.
Sollen Schulkantinen Rücksicht auf Essgewohnheiten von Muslimen nehmen?
Was in den Mensen auf den Tisch kommt, entscheidet der Sachaufwandsträger, also die Kommune, nach Rücksprache mit der Schulleitung. Auch dabei ist gegenseitige Rücksichtnahme gefragt. Im Endeffekt sind die Schüler zahlende Kundschaft und deren Interessen sollten berücksichtigt werden. Im Klartext: An einer Schule mit vielen muslimischen Kindern wird es nicht täglich Schweinefleisch geben.
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Müssen Lehrer während des Ramadan Rücksicht auf fastende Schüler nehmen?
Wer zu wenig isst, kann sich schlechter konzentrieren. Kein Wunder, dass während des Fastenmonats gläubige Muslime ab und an etwas mit der physischen und psychischen Kondition zu kämpfen haben. Und wieder ist es eine Frage der Sensibilität, dass Lehrkäfte das berücksichtigen.
"Wenn ich während des Ramadan unbedingt Noten im Langstreckenlauf machen möchte, kann ich einen fastenden Schüler durchaus davon befreien und zum Beispiel bitten, die Zeiten zu stoppen", erzählt ein langjähriger Sportlehrer. "So ist er nicht umsonst da, und die Note kann er später nachholen."
Einzig bei der Planung von Klausuren ist ein Entgegenkommen während des Ramadan schwierig bis unmöglich. Da die Terminierung in den vielen Fächern komplex ist, wiegt hier der reibungslos abzuwickelnde Schulbetrieb schwerer als die Rücksichtnahme auf die Ausübung der Religion einzelner Schüler. Dafür sind muslimische Schüler für das traditionelle Fastenbrechen wie auch für das Opferfest jeweils für zwei Tage vom Unterricht befreit.