CSU-Sprecher Strepp tritt zurück:Opposition spricht von "Fall Seehofer"

Handelte CSU-Sprecher Strepp auf eigene Faust? Er soll versucht haben, beim ZDF einen Bericht über die SPD zu verhindern, nach einer Welle der Empörung trat er zurück. Parteichef Seehofer will davon nichts gewusst haben, die Opposition sieht das anders - und spricht von einer "Auftragsarbeit". Unterdessen berichtet das ZDF: Es gab nicht nur einen Anruf, sondern auch eine SMS.

Lisa Sonnabend, Mike Szymanski und Beate Wild

Als Horst Seehofer an diesem Donnerstagmittag das Foyer des Bayerischen Landtags betritt, ist er in wenigen Sekunden von Journalisten umringt. Mikrofone werden ihm unter die Nase gehalten, Kameras fokussieren sein Gesicht, die Reporter schreien aufgeregt Fragen durcheinander. Dann sagt Seehofer ganz leise: "Der Rücktritt von Herrn Strepp war unvermeidlich, auch wenn es ein schwerer Schritt war."

Die Entscheidung war kurz zuvor gefallen: Nach dem Vorwurf der versuchten Einflussnahme auf das ZDF hat CSU-Sprecher Hans Michael Strepp seinen Posten aufgegeben. Der 44-Jährige habe den Parteichef am Donnerstag gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, teilte die CSU mit. Seehofer habe der Bitte entsprochen.

Es gebe, was den umstrittenen Anruf Strepps in der "heute"-Redaktion betrifft, weiterhin unterschiedliche Bewertungen vom ZDF auf der einen und von Strepp auf der anderen Seite, sagt Seehofer nun im Landtag. Der Rückstritt sei kein Schuldeingeständnis, auf gar keinen Fall. Wegen der schwierigen Gemengelage sei es jedoch nicht möglich, dass Strepp weiterhin das Amt des Pressesprechers ausübe. Er sei beurlaubt und solle jetzt erst einmal mit seiner Familie sprechen. Dann sehe man, wie es mit seiner Anstellung bei der CSU weitergehe.

Dass die Diskussion mit dem Rücktritt seines Pressesprechers beendet ist, glaubt Seehofer indes nicht. "Was die Pressefreiheit betrifft, werden wir uns noch eindeutig positionieren", kündigt der Ministerpräsident an. "Eine Einflussnahme auf die Programmgestaltung ist indiskutabel." Auf die Frage, ob Stepp denn noch bei anderen Medien angerufen habe, gibt Seehofer den Ahnungslosen. Davon wisse er nichts, er habe nur mit dem Pressesprecher über die Causa ZDF gesprochen.

ZDF kündigt Nachspiel an

Strepp soll mit einem Anruf in der ZDF-"heute"-Redaktion am Sonntag versucht haben, einen Fernsehbericht über den bayerischen SPD-Parteitag mit der Kür des Spitzenkandidaten Christian Ude zu verhindern - und hatte damit eine Welle der Empörung ausgelöst. Strepp bestritt dies und erhielt am Mittwoch zunächst Rückendeckung von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, aber auch von Seehofer. Was Strepp schriftlich erkläre, sei für ihn Realität, erklärte der Parteichef zunächst. Nun hat er seine Meinung offenbar geändert.

Bereits am Morgen hatte er im Landtag zu Journalisten gesagt, dass "heute eine Entscheidung über die Zukunft" des Parteisprechers fallen wird. Es seien bereits Gespräche mit Strepp geführt worden. Seehofer selbst stritt jede Verantwortung ab: "Es hat keinen Auftrag gegeben." Strepp habe auf eigene Rechnung gehandelt. Auch Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte zuvor im Deutschlandradio Kultur Aufklärung gefordert.

In einem Schreiben Strepps an das ZDF heißt es, er habe selbstverständlich auf die Berichterstattung weder Einfluss genommen noch habe er dies vorgehabt. ZDF-Intendant Thomas Bellut erklärte am Donnerstag: "Die Intention des Anrufs war eindeutig." Das ZDF lasse keine politische Einflussnahme auf seine Sendungen zu. Bellut kündigte ein Nachspiel an: "Wir werden den Vorgang im für die Chefredaktion zuständigen Ausschuss des Fernsehrats behandeln."

Zudem habe Strepp eine SMS an den ZDF-Landesstudio-Leiter Ulrich Berls geschickt, in der er sich nach dem geplanten Umfang der Berichterstattung über den SPD-Landesparteitag erkundigt habe, teilte der Sender mit. Das ZDF veröffentlichte außerdem eine Stellungnahme des "heute"-Redakteurs, mit dem Strepp dann telefonierte: Er, Strepp, "sei informiert, dass wir einen Beitrag planten. Weit davon entfernt in das Programm reinzureden, wolle er aber doch rechtzeitig zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende", heißt es darin.

Auch die ARD bestätigte, dass Strepp sich über die Berichterstattung zum SPD-Landesparteitag erkundigt habe. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin, Ulrich Deppendorf, sagte, dass einer der drei vom Bayerischen Rundfunk entsandten Hauptstadtkorrespondenten eine SMS vom CSU-Sprecher erhalten habe.

Auf Twitter gibt es Reaktionen zu Strepps Rücktritt zu lesen: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Tauber twittert ein knappes "Gut!". SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann hält Strepps Rücktritt für ein "Bauernopfer" und setzt nach: "Das reicht nicht." Er stellt Seehofer in den Fokus - der habe ein "gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit".

Ähnlich sieht das der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck. Er twittert: "Strepps Rücktritt ist nur ein Bauernopfer und wirkt wie ein Eingeständnis. Macht ein Mitarbeiter so etwas auf eigene Kappe? Wohl kaum." Die Grünen-Abgeordnete und medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, Tabea Rößner, schlägt in die gleiche Kerbe und fragt: "Denkt jemand, der Pressesprecher macht solche Aktionen ohne Rücksprache?"

"In dubio pro Pressefreiheit"

Doch nicht nur im Netz wird der Fall Strepp diskutiert, auch im Landtag ist er am Donnerstag Thema - neben der Debatte um die Abschaffung der Studiengebühren in Bayern. Die Opposition hat einen Dringlichkeitsantrag gestellt. "Pressefreiheit achten. Meinungsvielfalt sichern. Zensurversuche unterbinden", heißt der, konkret geht es um die Causa Strepp. Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionschef, tritt als Erster ans Rednerpult. Strepp habe wohl im Auftrag Seehofers gehandelt, mutmaßt er. Diese Art sei offenbar die Wahlkampftaktik der CSU. Er nennt den Anruf einen "Auftragsarbeit". "Deswegen haben wir es hier nicht nur mit einer Causa Strepp, sondern mit einer Causa Seehofer zu tun", sagt Rinderspacher.

Während Rinderspacher den Sachverhalt referiert, kommen zahlreiche Zwischenrufe aus dem Plenum. "Ist doch nichts bewiesen", ruft jemand. Die Abgeordneten sind sichtlich aufgebracht. Rinderspacher fährt ungerührt fort: "Herr Seehofer, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, auch Sie und die CSU haben die Grundrechte dieses Landes zu beachten." Schon einmal habe die CSU beim Bayerischen Rundfunk wegen der Sendung "Scheibenwischer" interveniert. Unter tosendem Applaus der Opposition verlässt Rinderspacher das Rednerpult. Dann ist Eberhard Sinner von der CSU an der Reihe.

"Jetzt wäre Demut angebracht"

Sinner versucht natürlich, Seehofer und die CSU zu verteidigen. Doch er kann keine zwei Sätze sagen, schon unterbricht Franz Maget, es gibt zahlreiche Zwischenrufe. Ein Abgeordneter brüllt Sinner entgegen: "Jetzt wäre Demut angebracht." Sinner sagt noch einmal wie schon andere CSU-Politiker zuvor: "Es ist nicht aufzuklären, wenn zwei Aussagen gegenüberstehen." Und: "Es war keine andere Lösung möglich in dieser Situation als Rücktritt." In diesem Fall habe gegolten: "In dubio pro Pressefreiheit."

"Ihnen geht es doch nur um eine Verknüpfung des Falls mit dem Ministerpräsidenten", ruft Sinner in Richtung der Abgeordneten von SPD und Grünen. Da ist etwas dran. Es wird deutlich bei der Plenarsitzung im Landtag: Nach dem Rücktritt Strepps hat sich der Fall für die Opposition noch nicht erledigt.

Margarete Bause (Grüne) blickt bei ihrer Rede im Landtag Seehofer direkt an. "Es geht hier nicht um Herrn Strepp, es geht um den Chef. Es geht um Horst Seehofer." Huber Aiwanger (Freie Wähler) sagte, es gehe der CSU nur darum, die Macht zu erhalten und Mitbewerber zu verdrängen. "Vor diesem Hintergrund warne ich die bayerische Bevölkerung, diese Partei sollte wieder zur absoluten Mehrheit zurückkehren", sagt der Chef der Freien Wähler in Bayern. Das Ganze sei eine Lehrstunde nicht nur für die Wähler, sondern auch für die CSU, dass man in einer Demokratie so nicht miteinander umgehen könne.

Anschließend tritt Seehofer ans Rednerpult und wiederholt noch einmal die Sätze, die er an diesem Tag schon mehrfach zu Journaliten gesagt hat: "Wir achten, respektieren diese Pressefreiheit. Jeder Verstoß ist inakzeptabel." Seehofer sagt, es sei nicht Strepps Absicht gewesen, Einfluss aufs ZDF zu nehmen. Ein Abgeordneter ruft rein: "Aber Ihre Absicht!" Seehofer verspricht, die CSU werde sich bemühen, in den nächsten Wochen die unterschiedlichen Bewertungen des Anrufs aufzuklären.

"Wir haben kein Staatsfernsehen"

Die Fraktionschefin der Grünen, Margarete Bause, spricht am Rande der Debatte von einem "Zensurversuch". Der Rücktritt sei ein Eingeständnis, dass versucht worden sei, auf die Pressefreiheit Einfluss zu nehmen. "Wir haben hier nicht nur einen Fall Strepp, sondern auch einen Fall Seehofer", sagt auch Bause - und fordert weitere Konsequenzen. "Wir wollen einen lückenlose Aufklärung, wollen wissen, wer alles in die Sache involviert war", sagte sie.

Am Morgen hatte Beck im ARD-"Morgenmagazin" gesagt, er sei "wirklich schockiert". Wenn dies wahr sei, habe die CSU im Landtag ein Problem mit der Pressefreiheit und der Demokratie. "Wir haben kein Staatsfernsehen in dem Sinne, dass die Staatspartei dem Fernsehen diktiert, was sie berichtet", sagte Beck. Wenn die CSU das anders sehe, "dann ist sie hier falsch, dann sollte sie sich eine Bananenrepublik zum Regieren suchen".

Entwicklungsminister Dirk Niebel vom - sowohl in München als auch in Berlin - Koalitionspartner FDP sagte: "Manche Länder des Südens sind gerade deshalb Entwicklungsländer, weil ihre Regierungen die Pressefreiheit nicht achten." Zeit Online erklärte er: "Ich dachte bislang aber, das Phänomen trete eher außerhalb Mitteleuropas auf."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: