Verbraucherschutz:Viele Versäumnisse im Skandal um Bayern-Ei

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  • Der in der Salmonellen-Affäre um das Unternehmen Bayern-Ei suspendierte Amtstierarzt hat möglicherweise auch eine Probe manipuliert.
  • Umweltministerin Ulrike Scharf muss nun am Dienstag im Kabinett Rapport über die Affäre erstatten.
  • Ministerpräsident Horst Seehofer erwartet einen schriftlichen Bericht, wie er am Freitag in München deutlich machte.

Von Philipp Grüll, Frederik Obermaier und Dietrich Mittler, München

In der Bayern-Ei-Affäre geraten nach der Festnahme eines Mitarbeiters im Landratsamt Straubing-Bogen jetzt weitere Details an die Öffentlichkeit. Dem am Donnerstag festgenommenen Amtstierarzt wirft die Staatsanwaltschaft Regensburg vor, die Firma Bayern-Ei vor Kontrollen gewarnt zu haben. Außerdem soll er nach Salmonellenfunden bei Bayern-Ei nicht reagiert haben. Bei einer schnell einberufenen Pressekonferenz erklärte Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf am Freitag zudem: "Im Dezember 2013 soll eine Probe durch den Mitarbeiter des Landratsamtes manipuliert worden sein, und es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass gerade dieses Fehlverhalten Folgen hatte." Ob zu diesen Folgen auch die drei Todesfälle durch salmonellenverseuchte Eier gehören könnten, die mit Bayern-Ei in Verbindung gebracht werden, ließ sie offen.

Bei dem Festgenommenen handelt es sich um den Leiter des Sachgebiets Lebensmittelüberwachung im Landratsamt Straubing-Bogen. Er habe ein "fehlerhaftes Verhalten" eingeräumt, teilte die Staatsanwaltschaft Regensburg am Freitag mit. Derzeit sitzt er in Untersuchungshaft.

Unklar ist bislang, ob der Amtstierarzt von Bayern-Ei oder dem ebenfalls inhaftierten Eigentümer Stefan Pohlmann für seine Hilfe belohnt wurde. "Sicherlich ist das eine Überlegung", erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Regensburg der SZ. Es werde derzeit in alle Richtungen ermittelt.

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Das Umweltministerium werde die Arbeit der Staatsanwaltschaft voll unterstützen, sagte Scharf am Freitag. Ganz klar sei aber auch: "Kriminelles Handeln wird man nie gänzlich verhindern können. Wenn jemand es darauf anlegt, dann kann jedes Gesetz gebrochen werden." Kurzum: Wenn da einer einen Fehler gemacht habe, sei es ein Einzelner gewesen.

Tatsächlich jedoch lassen sich Versäumnisse im Fall Bayern-Ei nur schwer auf einen einzelnen Mitarbeiter beschränken: So war beispielsweise das bayerische Verbraucherschutzministerium seit 1. August 2014 über Warnmeldungen aus dem Ausland informiert, in denen explizit die Rede war von Eiern des Bayern-Ei-Standortes Aiterhofen. Schon in den Wochen zuvor waren Warnungen bezüglich eines anderen Bayern-Ei-Standortes eingegangen. Bei amtlichen Kontrollen wurden bei Bayern-Ei mehrmals Salmonellen gefunden. Außerdem wurden in Niederbayern auffällig viele Salmonellen-Fälle gemeldet.

Dennoch ließen die Behörden erst Monate nach den ersten Salmonellenfunden Tageschargen zurückrufen - Eier also jenes Tages, an dem die Salmonellen gefunden wurden. Benachrichtigt wurden aber nur Händler. Die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts. Wer die Eier also schon in seinem Kühlschrank stehen hatte, wurde nicht aufgeklärt, dass sie womöglich salmonellenverseucht sind. Um "das europarechtlich gebotene hohe Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten" sei dies nicht ausreichend, urteilte der Hamburger Lebensmittelrechtler Martin Holle in einem diese Woche publik gewordenen Gutachten.

Verbraucherschutzministerin Scharf lässt dennoch keine Kritik an den Aufsichtsbehörden zu. Sie zeigt sich zwar "fassungslos" über die "kriminelle Energie" eines Behördenmitarbeiters, stellt sich aber weiter vor die Dienststellen zur Lebensmittelüberprüfung. Auch jetzt bleibt sie dabei, sie hätten nach "Recht und Gesetz" gehandelt. Das hätten die Experten ihres Hauses im Detail geprüft, und in diesem Sinne habe sich auch die Bundesregierung geäußert.

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Ein Todesfall, der mit mutmaßlich salmonellenverseuchten Eiern des größten bayerischen Eierproduzenten in Verbindung gebracht wird, hätte womöglich verhindert werden können.

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Bayerns Lebensmittel seien zu mehr als 99 Prozent sicher, dafür würden mehr als 150 000 Lebensmittelkontrollen sorgen. Überdies wolle sie nun mit einem Dreisäulenprogramm "noch mehr Sicherheit für den Verbraucher schaffen". So soll es Anlaufstellen für Bürger geben, denen Unregelmäßigkeiten auffallen. Außerdem sollen Geflügelgroßbetriebe stärker durch die Spezialeinheit des Landesamtes für Lebensmittelsicherheit (LGL) überprüft werden - auch unangekündigt. Dazu soll diese Spezialeinheit - gegründet nach vorangegangenen Lebensmittelskandalen - "um 20 Personen verstärkt werden".

Das LGL soll also überprüfen, ob die Kontrolleure vor Ort ihre Arbeit richtig machen. Nun ist es aber so, dass das LGL selbst in den Fall Bayern-Ei, die Versäumnisse und die Verharmlosung der Geschehnisse verwickelt ist. Im August 2014 wusste es beispielsweise längst, dass es im Ausland eine seltsame Häufung von Salmonellenfällen gab und in einigen Fällen Eier der Firma Bayern-Ei gefunden wurden. Die Probe, mit der überprüft werden sollte, ob die Salmonellen von Bayern-Ei und die der Erkrankten vom gleichen Typ sind, wurde allerdings erst mit einem Monat Verzögerung zur Untersuchung an das Robert-Koch-Institut weitergeleitet. In der Zwischenzeit starb ein 75-jähriger Österreicher an Salmonellen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg neben Bayern-Ei-Eigentümer Pohlmann und dem verhafteten Amtstierarzt noch gegen "weitere Beschuldigte" ermittelt. Weitere Festnahmen sind also nicht ausgeschlossen.

Was die Opposition zu Bayern-Ei sagt

"Der Fisch stinkt vom Kopf her", kommentiert Florian Brunn von der Landtags-SPD Scharfs Pläne. Auch die Staatsregierung und übergeordnete Behörden hätten schwere Fehler gemacht. Mit einem verhafteten Mitarbeiter eines Landratsamtes könne Frau Scharf natürlich "ein erstklassiges Bauernopfer präsentieren". Das langt SPD und Grünen aber nicht. Eigenkontrollen funktionierten nicht, sagt Brunn, doch strenge Lebensmittelkontrollen seien von der CSU gar nicht erwünscht. Seit Juni verspreche Scharf, das LGL werde den Kontrolleuren genauer auf die Finger schauen, sagt Rosi Steinberger von den Landtags-Grünen, doch "passiert ist nichts". Die Arbeit hätten alleine Justiz und Medien gemacht.

SZ und das BR-Magazin Kontrovers hatten schon vor Monaten berichtet, dass Bayern-Ei womöglich vorher über eigentlich unangekündigte Kontrollen informiert worden war - die Behörden hatten dies jedoch abgestritten. SPD und Grüne fordern Verbraucherschutzministerin Scharf auf, noch in der kommenden Woche eine Regierungserklärung zum Bayern-Ei-Skandal abzugeben. Ministerpräsident Horst Seehofer erwartet von ihr am kommenden Dienstag im Kabinett einen schriftlichen Bericht. Er sei für "totale Transparenz", sagte er. "Alles muss auf den Tisch." Einen "Anlass, an der ordentlichen Amtsführung von Ulrike Scharf" zu zweifeln, habe er aber nicht.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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