Sogenannte Gefährder sollen in Bayern künftig unbegrenzt in Präventivhaft genommen werden können. Das neue Anti-Terror-Paket der bayerischen Regierung hebt die zeitliche Begrenzung für den sogenannten Unterbindungsgewahrsam erstmals völlig auf. Der vom Landeskabinett bereits beschlossene Gesetzentwurf würde künftig Richtern die Freiheit lassen, auf Antrag der Polizei beliebig lange Haft anzuordnen, soweit dies "unerlässlich ist", um eine schwere Gefahr für die Allgemeinheit zu bannen.
Die Möglichkeit, Vorbeugehaft zu verhängen, sehen schon heute alle Bundesländer in ihren Polizeigesetzen vor - allerdings strikt beschränkt auf wenige Tage. Einige Länder erlauben nur zwei oder vier Tage, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass gegen den Betroffenen kein Verdacht einer bereits begangenen Straftat vorliegt. Bayern und Baden-Württemberg gehen bislang am weitesten. Sie gestatten Vorbeugehaft von bis zu 14 Tagen. Bayern wäre nun das erste Bundesland, das sich von der Idee einer Höchstfrist ganz löst.
Um dennoch die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu wahren, vertraue man auf den Einzelrichter, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium, welches den Gesetzentwurf ausgearbeitet hat. Schon bei der Anordnung werde der Richter eine regelmäßige Überprüfung der fortbestehenden Gefährlichkeit der Person nach jeweils ein oder zwei Wochen festsetzen.
Ob dies genügt, ist allerdings umstritten. Es sei äußerst schwierig für Betroffene, eine solche Gefahrenvermutung überhaupt aus der Haft heraus zu entkräften, geben Juristen zu bedenken. Der bayerische Gesetzentwurf sei "verfassungsrechtlich bedenklich", sagte der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Vorbeugehaft schlicht perpetuiere, sagte der Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Gesellschaft für Freiheitsrechte, die zuletzt mehrere Verfassungsbeschwerden gegen neue Sicherheitsgesetze auf den Weg gebracht hat, Ulf Buermeyer. Das SPD-geführte Bundesjustizministerium wollte sich nicht zu Landespolitik äußern.
Schon vor zehn Jahren hatte Wolfgang Schäuble (CDU), damals noch Bundesinnenminister, angeregt, islamistische Gefährder ähnlich wie Kombattanten nach dem Kriegsvölkerrecht zu internieren. Im Zuge der Terrorabwehr dürfe der Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht unbedingt gelten, etwa wenn es darum gehe, Gefährder vorsorglich einzusperren.
Was einen Menschen zum "Gefährder" macht, ist in Bayern gesetzlich nur vage umschrieben. Das bayerische Polizeigesetz nennt als Beispiel, dass bei einer Person "Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden werden, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Taten verwendet werden". Von den etwa 570 islamistischen Gefährdern, welche die Polizeibehörden bundesweit zählen, sind etwa 200 auf freiem Fuß in Deutschland, 16 von ihnen in Bayern. Die übrigen halten sich im Ausland auf oder sitzen regulär nach Strafrecht in Haft.