Skandal um Bayern-Ei:Neuer Chef mit dunkler Vorgeschichte

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  • Nach der Festnahme von Stefan Pohlmann hat Bayern-Ei einen neuen Geschäftsführer.
  • Der Mann erhielt schon einmal als Betreiber eines Gefügelhofs einen Strafbefehl, wegen Verstößen gegen Hygiene-Bedingungen.

Von Philipp Grüll und Frederik Obermaier, Aiterhofen

Es sind Bilder, wie man sie von Bayern-Ei kennt: tote Hühner, verrottet und zusammengeschrumpft zu verklumpten Gebilden aus Fleisch und Federn. Hühner-Mumien. Sie sind auf Fotos zu sehen, die laut Timecode im Sommer 2014 aufgenommen wurden.

Allerdings stammen sie diesmal nicht aus den Ställen von Bayerns größtem Eierproduzenten - dessen Eigentümer Stefan Pohlmann sitzt ja in Untersuchungshaft. Nein, sie stammen offenbar ausgerechnet aus dem früheren Betrieb jenes Mannes, der seit Neuestem bei Bayern-Ei die Geschäfte führt.

Sören M. ist laut Handelsregister seit 20. August 2015 Geschäftsführer der Firma Bayern-Ei. Sein Vorgänger Stefan Pohlmann ist in dieser Funktion aus dem Register verschwunden. Er wurde am 18. August "wegen Fluchtgefahr" festgenommen. Er wird verdächtigt, wissentlich verseuchte Eier verkauft und dadurch einen europaweiten Salmonellenausbruch ausgelöst zu haben, in dessen Folge mindestens drei Menschen gestorben sein sollen.

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Wegen Fluchtgefahr: Stefan Pohlmann, bis vor kurzem Chef von Bayern-Ei, sitzt nach dem Salmonellenskandal in Untersuchungshaft. Das Unternehmen ist auch selbst vor Gericht gezogen.

Vesagen der bayerischen Behörden

Trotz etlicher positiver Salmonellenproben haben die bayerischen Behörden Bayern-Ei damals gewähren lassen. Erst ein Jahr nach dem Höhepunkt des Salmonellenausbruchs wurde der Betrieb im August dieses Jahres gesperrt. Bayern-Ei-Eier dürfen seither nicht mehr für Lebensmittel verwendet werden.

Bleibt nur die Kosmetikherstellung, Biogasanlagen, der Müll. Ein Betrieb in den Niederlanden, der die Eier zunächst noch als sogenanntes K-3-Material ("nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt") abgenommen hatte, stoppte jedoch bereits nach wenigen Tagen die Lieferungen.

Das Unternehmen fürchtete offenbar um seinen Ruf. Wer will schon dadurch bekannt werden, dass er womöglich salmonellenverseuchte Eier weiterverarbeitet - und sei es nur zu Katzen- und Hundefutter?

Nach Angaben des Landratsamts Straubing-Bogen hat Bayern-Ei mittlerweile einen neuen Abnehmer gefunden. Es soll sich um ein Unternehmen in Frankreich handeln. Den Namen der Firma will das Landratsamt aber nicht verraten.

Aber zurück zu Sören M., dem neuen Mann an der Spitze von Bayern-Ei: Bislang war er Produktionsleiter, ein Intimus von Stefan Pohlmann - oder wie Mitarbeiter spotten: "sein Fiffi" -, nun ist er plötzlich Geschäftsführer und damit der Mann, der in dem skandalgebeutelten Betrieb alles in Ordnung bringen soll.

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Sören M. besaß nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des BR-Politikmagazins Kontrovers bis vor wenigen Monaten noch selbst einen Geflügelhof. Bei dem Betrieb im schleswig-holsteinischen Bahrenfleth wurden nach Auskunft des dortigen Landesumweltministeriums regelmäßig Hygieneverstöße festgestellt. Im Jahr 2013 leiteten die Behörden dann ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein, mehrere sogenannte lebensmittelrechtliche Ordnungsverfügungen wurden verhängt.

M. wurde schließlich im Jahr 2014 verurteilt, weil er Hühnerfleisch "unter katastrophalen hygienischen Umständen" gelagert hatte und dies beim Verbraucher "Ekel und Widerwillen" auslösen würde, wie es im Strafbefehl hieß. Frisches Fleisch lag demnach neben verdorbenem Fleisch. Von den Eiern war angeblich weit mehr als die Hälfte mit Kot und Federn verunreinigt.

Warum haben die Behörden nie etwas gemerkt?

Der Mann, der dies zu verantworten hatte, soll jetzt also bei Bayern-Ei alles richten. SZ und BR wollten mit Sören M. darüber reden. Eine Anfrage blieb jedoch bis Mittwoch unbeantwortet. Die Regierung von Niederbayern teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, "die Zuverlässigkeit des neuen Geschäftsführers in lebensmittelrechtlicher Hinsicht" werde derzeit geprüft.

Derweil kommen immer neue Details über das Geschäftsgebaren der Firma Bayern-Ei ans Licht. Das Unternehmen soll zurückgegangene Eier neu verpackt und so das Mindesthaltbarkeitsdatum manipuliert haben, begründeten die Behörden im August die Sperrung des Betriebs. Das Ganze war womöglich schon seit Jahren gängige Praxis.

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Personen aus dem Umfeld von Bayern-Ei, die anonym bleiben wollen, berichteten SZ und BR, dass es schon seit mehr als zehn Jahren regelmäßig mehrtägige Umpackaktionen gegeben habe. Aus mehreren Millionen alter Eier seien auf diese Weise "frische" gemacht worden.

Wie geht es mit Bayern-Ei weiter?

"Ich kann nicht verstehen, dass die Behörden nie was gemerkt haben", sagt eine langjährige Mitarbeiterin, "eigentlich hätte das auffallen müssen." Ein Lastwagenfahrer berichtet, er sei angewiesen worden, "in der Öffentlichkeit nicht darüber zu reden, um einen größeren Skandal zu vermeiden".

Für Branchen-Insider ist nach all den Enthüllungen klar: Der Name Bayern-Ei ist ruiniert. Doch weitergehen wird es trotzdem, glauben die meisten. Ein Investor könnte die Ställe aufkaufen, heißt es. Angeblich gibt es bereits einen Interessenten aus Holland. Das ist die eine Möglichkeit.

Die andere: Bayern-Ei bekommt nicht nur einen neuen Geschäftsführer, sondern auch einen neuen Namen. Mehr noch: Das Unternehmen gibt die umstrittene Kleingruppenhaltung in engen Käfigen auf und stellt auf Bodenhaltung um.

Derzeit verlassen in unregelmäßigen Abständen Lastwagen mit Hühnern den Hauptsitz in Aiterhofen. Es ist die letzte Reise der Bayern-Ei-Tiere. Die Hühner, hat der Verein "Soko Tierschutz" herausgefunden, werden in einem Schlachthof im polnischen Strzegom getötet.

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© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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