Seehofer bei CSU-Parteitag:"Nummer eins in Deutschland, Top Ten in Europa"

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Von Selbstzweifel und drohendem Machtverlust in Bayern keine Spur: Für CSU-Chef Seehofer bleibt der Freistaat das erfolgreichste Bundesland. Seine Partei sei die Hüterin der sozialen Marktwirtschaft, denn "Markt pur ist Wirtschaft pervers". Scharf attackiert Seehofer Ex-Finanzminister Steinbrück, den "selbsternannten Weltökonom", und Münchens Oberbürgermeister Ude.

Birgit Kruse, Nürnberg

Die Strategie ist schnell klar. Horst Seehofer sieht sich als Parteivorsitzender einer langen Tradition verpflichtet - der Tradition seiner Vorgänger. So betont er in seiner fast zweistündigen Rede immer wieder, dass er sich und seine Politik eben in diese Reihe stelle. Von Theo Waigel als erfolgreichem Finanzminister ist die Rede, natürlich von Franz Josef Strauß, dem Übervater der CSU - und von Edmund Stoiber, dessen Sturz Seehofers Aufstieg vom Außenseiter zum CSU-Chef erst möglich machte.

Nach seiner kämpferischen Rede wurde Horst Seehofer mit 89,9 Prozent in seinem Amt als CSU-Chef bestätigt. (Foto: dpa)

Stoiber habe man, so Seehofers Argumentation, vor allem die Privatisierungsstrategie zu verdanken, die er während seiner fast 15-jährigen Amtszeit verfolgte, indem er Staatseigentum verkaufte und damit die High-Tech-Offensive finanzierte. "Eine x-fache Rendite" habe Bayern dadurch eingefahren, von der der Freistaat und die Menschen bis heute profitiere.

Kein Wunder also, dass Bayern für den 62-Jährigen nach wie vor das attraktivste und erfolgreichste Bundesland ist - ein Hinweis, der in keiner ordentlichen Rede eines Parteichefs fehlen darf. Stolz meldet der Ingolstädter Vollzug: "Auch in den letzten drei Jahren unter meiner Verantwortung ist Bayern die Nummer eins in Deutschland und unter den Top Ten in Europa."

Und für den ausgeglichenen Haushalt dankt Seehofer seinem Vor-Vorgänger im Amt. "Bayern ist der Vorreiter der Stabilitätskultur in Deutschland", ruft er den Delegierten zu. Selbst in Krisenzeiten habe Bayern am ausgeglichenen Haushalt festgehalten. Eine Tradition, die auch er, Seehofer, "entgegen aller Erwartungen", beibehalten habe. Die Selbstironie in diesem Satz kommt nicht bei allen an - dafür aber die Botschaft, dass Bayern wieder einmal Spitze ist.

Bayern ist laut Seehofer nicht nur das schönste Bundesland, sondern auch das erfolgreichste. In jeder Hinsicht. 1,3 Millionen Menschen seien im vergangenen Jahr nach Bayern gekommen und hätten so "mit dem Umzugswagen abgestimmt."

Doch trotz all der Erfolge gibt es etwas, das Seehofer besonders ärgert: den Länderfinanzausgleich. 3,4 Milliarden Euro zahle Bayern jedes Jahr und damit die Hälfte des gesamten Ausgleichs. Seehofers Rechnung: Wenn Bayern die Hälfte in den Länderfinanzausgleich zahle, dann gehöre dem Freistaat auch die Hälfte der Bundesrepublik. Die Zustimmung für seine markigen Worte hält sich jedoch in Grenzen.

Besser kommt es da bei den fast 1000 Delegierten an, dass er die Milliardenzahlungen an ärmere Bundesländer nicht einfach hinnehmen will. Deswegen kündigt er schon mal den Gang vor das Bundesverfassungsgericht an. Nur durch die Bereitschaft der übrigen Ministerpräsidenten, Änderungen an dem Verfahren vorzunehmen, ließe sich die juristische Auseinandersetzung noch verhindern, sagte Seehofer.

"Markt pur ist Wirtschaft pervers"

Und natürlich betont der 62-Jährige die soziale Marktwirtschaft, für die die CSU stehe. Für eine Wirtschaft gegen die Abzocke, aber zum Wohle des Landes. "Markt pur ist Wirtschaft pervers", so seine Devise. So setze Bayern auch künftig nicht nur auf Wirtschaft, sondern auch auf Bildung und Arbeit als die wichtigsten Pfeiler einer nachhaltigen Sozialpolitik.

Doch Lob und Ankündigen alleine reichen Seehofer nicht. Der politische Gegner muss ordentlich gescholten werden. Zunächst einmal geht es gegen die SPD. Am gestrigen Freitag haben die Sozialdemokraten Münchens Oberbürgermeister Christian Ude zu ihrem Spitzenkandidaten gekürt - und damit seit mehr als fünf Jahrzehnten die SPD wieder zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die CSU bei der Landtagswahl 2013 gemacht.

Er ist mit sich zufrieden: CSU-Chef Seehofer während seiner Rede auf dem Nürnberger Parteitag. (Foto: REUTERS)

Doch nicht Ude ist Seehofers Opfer, sondern der mögliche Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, der "selbsternannte Weltökonom", wie er ihn abwertend nennt. In seiner Amtszeit in NRW habe Steinbrück jährlich 6,7 Milliarden Schulden gemacht, drei Jahre lang. Dieser "Schuldenkönig" wolle den Deutschen sagen, wie man aus der Krise kommt. Zu viel für den Sparfuchs Seehofer "Steinbrücks Nordrhein-Westfalen ist Griechenland, nicht Bayern", ruft er den Delegierten zu.

Ebenfalls einen Seitenhieb, wenn auch einen wesentlich harmloseren, bekommen die Grünen ab. Sie seien "das wahre Opfer einer bestimmten Kandidatur in Bayern", bilanziert Seehofer. Doch die Ude-Kandidatur sei nicht ihr einziges Problem. Programmatisch hätte die Ökopartei auch nicht viel zu bieten. Denn gegen die Atomkraft zu sein und dann gleichzeitig auch gegen alle Investitionsvorhaben für erneuerbare Energien, sei nicht besonders überzeugend. Anders die CSU, so Seehofers Tenor: Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich für den Ausstieg aus der Atomenergie und eine nachhaltige Energiepolitik entschieden.

Der Applaus nach Seehofers Rede dauert zwar lange, aber er ist nicht aufbrausend oder euphorisch. Die Delegierten wählen an diesem Wochenende den Parteivorstand neu - und müssen sich nicht nur überlegen, ob sie in der Einzelabstimmung Verkehrsminister Peter Ramsauer oder dem Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler ihre Stimme geben. Sie werden auch Seehofer als Parteichef bestätigen. Vor zwei Jahren kam der Ingolstädter auf etwas mehr als 88 Prozent. Ein maues Ergebnis für einen CSU-Chef. Nun bekommt er 89,9 - und wirkt erleichtert.

Der Vorsitzende selbst gab sich im Vorfeld zurückhaltend: Wenn er das Ergebnis von 2009 halten könnte, wäre er damit schon zufrieden. So bescheiden kann der Chef des Premium-Bundeslandes also auch auftreten.

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