Spitzenkandidat Christian Ude:Ein König, der Nachhilfe in der Viehzucht braucht

Während sich die CSU zum Parteitag trifft, schlägt die bayerische SPD Christian Ude einstimmig als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 vor. Die Stimmung ist euphorisch: Der König von München hat sich aufgemacht, König von Bayern zu werden - und verspricht, an seinen Schwächen zu arbeiten.

Lisa Sonnabend

Der Krönungstermin ist mit Bedacht gewählt. An diesem Freitag ist der Landesvorstand der bayerischen Sozialdemokraten im Münchner Literaturhaus am Salvatorplatz zusammengekommen, obwohl der Vorstand sich normalerweise immer am Wochenende trifft. Das Abweichen von der Norm hat einen Grund: Um 14 Uhr beginnt der CSU-Parteitag in Nürnberg, und so gelingt es der bayerischen SPD, den Schwarzen ein wenig die Show zu stehlen.

Landesvorstand SPD Bayern

"Ein historischer Tag": Die SPD in Bayern hat Christian Ude einstimmig zum Kandidaten für die Landtagswahl 2013 vorgeschlagen.

(Foto: dpa)

Es ist ein kleiner Coup der in der Vergangenheit nicht gerade vom Erfolg verwöhnten Bayern-SPD. Ein erster - großer - Coup ist ihnen bereits vor wenigen Wochen gelungen: Münchens Oberbürgermeister Christian Ude hat bekanntgegeben, als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2013 antreten zu wollen und Ministerpräsident Horst Seehofer herauszufordern. Und nun hat an diesem Freitagvormittag der Landesvorstand Ude einstimmig als Kandidaten vorgeschlagen.

Um kurz nach zwölf Uhr tritt die SPD-Delegation vor die Presse. Ude wippt leicht mit dem Kopf hin und her, das Kinn hat er nach oben geneigt, das breite, selbstzufriedene Lächeln weicht nicht aus seinem Gesicht. Geradeaus blickt er auf die zahlreichen Pressevertreter, die sich wegen ihm hier im dritten Stock versammelt haben. Links blickt er hinaus auf die Theatinerkirche und die Gebäude der Münchner Innenstadt. Auf dem Dach des Innenministeriums weht eine weiß-blaue Fahne im Wind. Der König von München hat sich aufgemacht, König von Bayern zu werden.

Florian Pronold spricht zunächst nicht über Ude, sondern über sich selbst: "Sie erleben vor sich den glücklichsten Landesvorsitzenden, den die bayerische SPD je gehabt hat." Es sei ein historischer Tag. Ude lächelt weiter, das Kinn nach oben gereckt, dann tritt er vors Mikrofon.

Er zeigt seine große Stärke, die Redekunst: Ironisch geht Ude erst einmal auf seine Schwächen ein: "Es ist eine ganz offene Aussprache durchgeführt worden, bei der meine Defizite nicht unangesprochen blieben." Das seien die fehlende Präsenz im ländlichen Raum und in einigen Regierungsbezirken. "Ich habe zu wenig Kenntnisse in Ackerbau und Viehzucht", sagt er. Das Lächeln ist wieder da. "Ich bin eine Großstadtpflanze." Noch.

Umfragen zufolge hat die Kandidatur Udes der SPD einen großen Schub gegeben und sie hätte sogar gemeinsam mit den Grünen und den Freien Wählern die Mehrheit im Landtag. Und das nach mehr als 50 Jahren, in der die SPD in Bayern Opposition ist und jüngst beinahe in die Bedeutungslosigkeit gerutscht war. Natürlich wird der Weg nicht so einfach, wie es auf dieser Krönungsmesse den Anschein hat. Pronold sagt: "Es ist eine historische Chance, aber keine gmahde Wiesn." Ude sagt: "Heute ist der Beginn eines zweijährigen Crescendo, das sich bis zum Wahltermin steigern muss, damit wir alle Menschen mitnehmen, die einen Regierungswechsel in Bayern wollen."

Die Frage bleibt, wie Ude die Euphorie bis 2013 aufrecht erhalten will und wie der 63-Jährige, der zu alt ist, um noch einmal als Münchner Oberbürgermeister zu kandidieren, die SPD zukunftsfähig machen will.

Schwierigkeiten und Streitpunkte auf dem Weg sind bereits programmiert. Die Frage nach der dritten Startbahn am Münchner Flughafen belastet das potentielle Bündnis mit den Grünen schon jetzt. Und Ude hat seinen möglichen Koalitionspartner mehrmals scharf angegriffen. Zuletzt meinte er am Mittwochabend in Anlehnung an die Berliner Autobahn A 100 und die dritte Startbahn: Die Grünen dürften nicht "das Nein zu jedem Verkehrsausbau zum allerobersten Dogma erheben. Es scheint ein Hobby der Grünen zu sein, Verkehrsprojekte fundamentalistisch abzulehnen." Sogar das Wort Religionskrieg nahm er in den Mund.

Im Literaturhaus rudert er nun ein wenig zurück. Aber nur ein wenig. "Der Begriff Religionskrieger ist meiner Formulierungslust entfleucht", sagt der Hobby-Kabarettist. "Natürlich dürfen sich die Koalitionspartner von der SPD unterscheiden."

Ein Regierungsprogramm will Ude an diese Freitag noch nicht vorstellen, dies müsse erst im Dialog entstehen. Dann legt er allerdings doch gleich los: Die SPD wolle mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen, das bayerische Schulsystem verändern, Ganztagsangebote ausweiten und die Studiengebühren nach einem Wahlsieg sofort abschaffen. 2012 soll Ude dann auf einem gesonderten Parteitag offiziell nominiert werden.

Seine erste Rede im Bayerischen Landtag wird Christian Ude nicht erst 2013 halten, sondern bereits in zwei Tagen. Er hält die Laudatio bei der Verleihung des Wilhelm-Hoegner-Preises. Auch dieser Termin ist mit Bedacht gewählt.

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