Schwarzgeldaffäre:Der überforderte Sparkassenpräsident

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Ulrich Netzer ist Präsident des Bayerischen Sparkassenverbandes. Hat er seine Kontrollaufgaben vernachlässigt? (Foto: dpa)
  • Mindestens 900 Kunden der Sparkasse Allgäu sollen im Kleinwalsertal Vermögen vor dem Fiskus versteckt haben.
  • Ulrich Netzer ist heute bayerischer Sparkassenpräsident - und war selbst viele Jahre lang einer der wichtigsten Kontrolleure der Allgäuer Bank.
  • Was hat der CSU-Kommunalpolitiker Netzer damals getan, um seine Kontrollaufgaben zu erfüllen?

Von Klaus Ott, München

Der Lebenslauf des bayerischen Sparkassenpräsidenten Ulrich Netzer, der aus dem Allgäu stammt, liest sich eindrucksvoll. Jura-Studium in Regensburg, dann zehn Jahre beim Fiskus tätig gewesen, darunter als Leiter des Präsidialbüros der Oberfinanzdirektion München. Von 1996 von 2014 Oberbürgermeister der Stadt Kempten. Von 2001 bis 2014 erst Vizechef und dann Chef des Verwaltungsrats der Sparkasse Allgäu, also viele Jahre lang einer der wichtigsten Kontrolleure des kommunalen Kreditinstituts. Seit 2014 schließlich Präsident des Sparkassenverbands Bayern. Ein Eintrag fehlt im Lebenslauf des viel beschäftigten Juristen.

Während Netzers Zeit im Verwaltungsrat der Sparkasse Allgäu hat diese nach Erkenntnissen von Ermittlungsbehörden Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet - mit Schwarzgeldkonten in der Filiale Riezlern im österreichischen Kleinwalsertal.

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CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer gehört dem Aufsichtsgremium der Sparkasse Allgäu an. Den Behörden zufolge half die Bank mindestens 900 Kunden, den Fiskus zu hintergehen.

Von Klaus Ott

Bei der Staatsanwaltschaft im westfälischen Münster ist ein großes Verfahren anhängig. Es geht um Beihilfe zur Hinterziehung von Einkommens-, Gewerbe-, Umsatz-, Körperschafts- und Erbschaftssteuer in den Jahren 2004 bis 2015. Das Verfahren richtet sich gegen diverse Beschuldigte aus der Sparkasse. Frühere Fälle wären verjährt. Die westfälischen Fahnder haben Selbstanzeigen von gut betuchten Leuten ausgewertet, die dem Fiskus ihre Steuervergehen gebeichtet haben. Auf diese Weise sind die Ermittler auf die Schwarzgeldkonten in Riezlern gestoßen. Mindestens 900 Kunden der Sparkasse Allgäu sollen im Kleinwalsertal Vermögen vor dem Fiskus versteckt haben. Jenem Fiskus, dem Netzer einst selbst gedient hat.

Die Funde der Fahnder werfen Fragen auf: Was hat der CSU-Kommunalpolitiker Netzer als Vizechef und Chef des Verwaltungsrats der Sparkasse Allgäu getan, um seine Kontrollaufgaben zu erfüllen? Oder besser gesagt: Was hat er möglicherweise unterlassen? Warum hat der Verwaltungsrat nicht dafür gesorgt, dass die 2016 geschlossene Zweigstelle Riezlern in dem als Steueroase bekannten Kleinwalsertal nicht schon früher dicht gemacht wurde? Und ist jemand, in dessen Verantwortungsbereich die Ermittler auf so viele Schwarzgeldkonten gestoßen sind, der richtige Repräsentant für die Sparkassen?

Mit dem Präsidentenamt ist eine Vorbildfunktion verbunden. Die Sparkassen seien "gut für Bayern", schreibt der Verband auf seinen Internetseiten. "Wir zahlen regelmäßig und beständig Steuern, die auch in der Region und bei den Kommunen ankommen." Und: "Wir übernehmen Verantwortung in der Wirtschaftserziehung." Welche Verantwortung aber übernimmt Verbandspräsident Netzer für die Schwarzgeldkonten im Kleinwalsertal, zumindest im Nachhinein? Auf einen umfangreichen Fragenkatalog an Netzer antwortet die Pressestelle des Sparkassenverbands: "Wir bitten um Verständnis, dass wir aufgrund der laufenden Ermittlungsverfahren von der Beantwortung Ihrer Fragen Abstand nehmen möchten."

Der Verband verweist darauf, dass die Sparkasse Allgäu im Jahr 2001 aus der Fusion der Sparkasse Ostallgäu, der Sparkasse Kempten und der Kreis- und Stadtsparkasse Sonthofen-Immenstadt entstanden sei. Die Geschäftsstelle in Riezlern im Kleinwalsertal sei bis dahin eine Filiale der Kreis- und Stadtsparkasse Sonthofen-Immenstadt gewesen. Den Verwaltungsrat der Sparkasse Allgäu habe Ulrich Netzer von Mai 2012 bis Mai 2014 geleitet. Zuvor war er, seit Anfang 2001, zuerst zweiter und dann erster Vizechef des Aufsichtsgremiums.

Mit der Fusion hat sich also die Sparkasse Kempten die Filiale im Kleinwalsertal und damit die Probleme ins Haus geholt. Danach hätte Netzer aber genügend Zeit gehabt, sich zu kümmern. Immerhin mehr als 13 Jahre.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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