Schreiber-Prozess:Von Dummen und Fleißigen

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Ehemalige Weggefährten zittern vor seiner Zunge: Ex-Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber redet gerne über Geld und bringt so auch sein Idol Franz Josef Strauß in Verruf.

Hans Leyendecker

Franz Josef Strauß teilte die Menschheit gern in vier Gruppen ein: Die "Intelligenten und Faulen" (Feldherren), die "Intelligenten und Fleißigen" (Geneneralstäbler), die "Dummen und Faulen" (Kanonenfutter) und die "Dummen und Fleißigen" - das seien die Schlimmsten, befand einst der CSU-Vorsitzende. Sie machten in ihrem Eifer alles falsch. Ganz gefährlich seien außerdem die "jubeljaulenden Hofhunde".

"Ich möchte nicht, dass Schreiber im Prozess Spinnereien über mich verbreitet": Ex-Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber hat ehemalige Weggefährten mit seinen Einlassungen vor Gericht verunsichert. (Foto: Foto: ddp)

Karlheinz Schreiber, der vor dem Augsburger Landgericht unter anderem wegen Steuerhinterziehung angeklagt ist, gehört bei dieser derben Typologie des früheren bayerischen Ministerpräsidenten vermutlich in die vierte Kategorie. Auch jubelte er einst kräftig bei Hofe.

Konstruierter Abgrund

Dem "selbsternannten großen Strauß-Freund" sei "ein erstaunliches Kunststück gelungen", erklärt ein einstiger Vertrauter des großen Vorsitzenden. Zum einen habe Schreiber in den ersten Prozesstagen eine Verteidigungsstrategie aufgebaut, die, "vorsichtig formuliert, wenig Aussicht auf Erfolg hat". Zum anderen speise er mit seinen Erklärungen alle "notorischen Verdächtiger", die aus der Strauß-Ära einen "einzigen Abgrund an Korruption und Parteispendengeschichten" machen wollten.

Ein Anwalt des 75 Jahre alten Angeklagten hatte am Mittwoch bei Gericht vorgetragen, über Schreiber seien 1991 rund 1,4 Millionen Mark sogenannte Provisionen aus einem Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien als illegale Spenden an die CSU geflossen.

Das Geld habe der Angeklagte teilweise in bar an den einstigen Strauß-Intimus Franz Josef Dannecker übergeben. Zum Teil habe Schreiber Beträge auf ein Schweizer Nummernkonto eingezahlt, das nach seiner Einschätzung ein "inoffizielles Konto der CSU" gewesen sei. Über die Existenz dieses geheimen Kontos hätten sich Dannecker und Strauß früher in seiner Gegenwart unterhalten.

Nur viele tote Zeugen

Dannecker habe derartige Zuwendungen gestückelt, damit die Einzelbeträge unter der meldepflichtigen Schwelle blieben, und Verstorbene zu angeblichen Spendern gemacht. Bei diesen Mauscheleien habe der Treuhänder Enrico Pagani geholfen.

Eine ähnliche Geschichte und auch den Namen Pagani hatte Schreiber bereits 2002 in seinem damaligen kanadischen Exil Mitgliedern eines Untersuchungsausschusses des Bundestags aufgetischt.

Die Geschichte war und ist durch nichts belegt. Es gibt keine Kontoauszüge, keine Überweisungen und nur viele tote Zeugen: Strauß ist 1988 verstorben, Dannecker starb 1992, auch Pagani ist tot.

"Warum soll ein Strauß-Mann drei Jahre nach dem Tod seines Idols mehr als eine Million Mark auf ein angeblich von Strauß initiiertes Konto zahlen", fragt ein Kenner. Auch war der 1992 verstorbene Dannecker, der nicht Schatzmeister, sondern Anwalt und Justitiar war, im Herbst 1991 schon schwer krank und hatte große private Probleme. "Nach dem Tod von Strauß hat Dannecker in der CSU keine Rolle mehr gespielt" sagt der damalige CSU-Generalsekretär Erwin Huber.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Karlheinz Schreiber nicht immer so gesprächig war wie in jüngster Vergangenheit.

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Überdies waren der Anwalt und der Angeklagte seit Mitte der achtziger Jahre spinnefeind, weil Schreiber bei Geschäften in Kanada Millionen der Familie Strauß und viel Geld von Dannecker-Bekannten, wie dem Sänger Hermann Prey, verloren hatte.

Um die angeblich zerstückelten 1,4 Millionen Mark nicht transparenzpflichtig zu machen, wäre es notwendig gewesen, mehr als siebzig vergleichsweise hohe Einzelspenden in die offizielle Parteikasse einzuspeisen, rechnet ein einstiger Kassenmann vor: "So etwas hat es nicht gegeben."

Die Angst ehemaliger Weggefährten

Auch weist die Auswertung der CSU-Rechenschaftsberichte für die Jahre 1989 bis 1994 keine Auffälligkeiten auf. Natürlich findet sich der Name des Milliardärs August Baron von Finck in den Unterlagen: 50.000 Mark hat er 1991 der Partei gespendet.

Warum einige aus der alten Garde im Zusammenhang mit alten Geldgeschichten nur anonym zitiert werden möchten, erklärt ein Gesprächspartner so: "Ich möchte nicht, dass Schreiber im Prozess Spinnereien über mich verbreitet."

Der Blick zurück lohnt sich dennoch. Strauß hat es schon arg getrieben. Zwischen Parteispenden und Gaben für seine Person konnte er nur schwer unterscheiden. Schon in den fünfziger und sechziger Jahren hatte er Sonderkonten eingerichtet, die weder der Fiskus noch die zuständigen Kassenwarte kannten.

Er hantierte großzügig mit Geld, das ihm Großindustrielle beflissen zusteckten. Wenn er dann einmal, wie Anfang der achtziger Jahre im Flick-Untersuchungsausschuss, gefragt wurde, welche Summen er von wem erhalten habe, hatte er "keine konkrete Erinnerung".

Bayern - Dorado der Sünder

Rund 1800 Parteispendenverfahren wurden damals von Bonner Staatsanwälten eingeleitet, weil ein Teil der Elite der Republik durch planmäßig betriebenen Steuerbetrug mit Millionensummen Parteikassen gefüllt und Politiker ausgestattet hatte.

Bayern erwies sich damals als Dorado für die Sünder. In Rekordzeit wurden die meisten der in den Freistaat abgegebenen Verfahren eingestellt, die anderswo mindestens zu Strafbefehlen geführt hätten. Politikern, die zur illegalen Umwegfinanzierung aufgefordert hätten, fehle der "Täterwille" (animus auctoris) befand damals das CSU-regierte Münchner Finanzministerium. Denn die Parteien profitierten nicht von der Steuerverkürzung.

So viel Verständnis blieb nicht unbemerkt. Bei der Commerzbank in Frankfurt fanden damals Ermittler Belege für landesspezifische Vorzüge im Freistaat: "Die Nachbarbanken zahlen über Filiale München, weil sie der Meinung sind, dass im Falle der Steuerprüfung die Steuern nur einem der CDU/CSU freundlich gesinnten Steuerbeamten bekanntwerden."

Vielleicht hat damals Schreiber etwas missverstanden, was in Ordnung ist und was nicht.

© SZ vom 22.01.2010/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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