Schlacht bei Höchstädt:Das vergessene Gemetzel von Höchstädt

Schlacht bei Höchstädt: Im Heimatmuseum sind Szenen vom 13. August 1704 mit Zinnfiguren nachgestellt.

Im Heimatmuseum sind Szenen vom 13. August 1704 mit Zinnfiguren nachgestellt.

(Foto: Sebastian Beck/oh)

32 000 Tote und Verwundete in nur acht Stunden - trotz dieser Brutalität weiß kaum mehr jemand von der Schlacht von Höchstädt an der Donau. Dabei veränderte sie den Lauf der Welt.

Von Sebastian Beck

Das Schlachtfeld: Da unten liegt es, so friedlich im Sommerlicht. Sieben Kilometer lang, vier Kilometer breit. Schwäbisches Bauernland mit Feldern und Büschen, dazwischen spitzen die Kirchtürme aus den Dörfern - Lutzingen, Oberglauheim und ganz hinten der Turm von Blindheim. "Da verläuft der Nebelbach", sagt Leo Thomas vom Historischen Verein Höchstädt und deutet auf eine Baumreihe, die sich durch die Fluren zieht.

Manchmal führt Thomas Schulklassen oder Studenten auf den Goldberg herauf, diesen sanften Hügel ein paar Autominuten außerhalb von Höchstädt. Sogar Winston Churchill, der spätere britische Premier, stand Anfang des vergangenen Jahrhunderts zweimal hier, weil er die Taten seines Vorfahren John Churchill, des First Duke of Marlborough, in einer Biografie verherrlichte. "Die Schlachtfelder waren wunderbar..., und ich war in der Lage, sie mit schimmernden Geisterarmeen zu bevölkern", schrieb er.

Am 13. August 1704 um sechs morgens riss der Stallbursche des Grafen von Mérode-Westerloo die Türe der Scheune auf, in der sein Herr übernachtete. Er zog die Bettvorhänge zur Seite und schrie, der Feind sei da. Von seinem Nachtlager aus konnte der Kommandeur einer französischen Kavalleriebrigade ein gewaltiges Schauspiel mit ansehen: "Das Tor gab den Blick frei auf die schöne, sonnenbeschienene Ebene in der Ferne - das ganze Areal schien bedeckt zu sein mit feindlichen Eskadrons." Mérode-Westerloo ließ seine Pferde satteln und ritt in die Schlacht.

Vom Goldberg aus betrachtet, lag das Lager des Kavalleristen irgendwo auf der rechten Seite des Nebelbachs, der die feindlichen Parteien voneinander trennte. Heute ist der Nebelbach eine begradigte Wasserrinne inmitten der Maisfelder, damals markierte er eine sumpfige Senke, die sich nur schwer überqueren ließ. Rechts davon also die Franzosen und Bayern, links die englischen Truppen Marlboroughs und die mit ihnen verbündeten Kaiserlichen unter dem Befehl von Prinz Eugen.

Insgesamt 106 000 Mann, Abertausende Pferde und 142 Geschütze. "Es dürfte unmöglich sein, sich ein großartigeres Schauspiel vorzustellen", schrieb Mérode-Westerloo. "Die hellste Sonne, die sich vorstellen lässt, strahlte auf die beiden in der Ebene aufmarschierten Armeen." Dann brach das Inferno los und eine der blutigsten Schlachten der Neuzeit nahm ihren Lauf.

Es sollte ein Wendepunkt der europäischen Geschichte werden, die Geburtsstunde der Großmacht England. Zur Verteilung stand das Erbe des spanischen Königs Karl II., des Herrschers über ein riesiges Reich in Europa und Amerika. Karl II. war am 1. November 1700 gestorben - ohne Nachkommen. Sowohl Franzosen als auch Österreicher machten Ansprüche auf den Thron geltend.

Schlacht bei Höchstädt: Leo Thomas vom Historischen Verein Höchstädt führt Schulklassen und Studenten ans Schlachtfeld bei Unterglaubheim und Blindheim.

Leo Thomas vom Historischen Verein Höchstädt führt Schulklassen und Studenten ans Schlachtfeld bei Unterglaubheim und Blindheim.

(Foto: Sebastian Beck/oh)

Doch Engländer und Kaiserliche wollten die Entstehung einer neuen Supermacht auf dem Kontinent um jeden Preis verhindern - so kam es zum Spanischen Erbfolgekrieg mit dem bayerischen Kurfürsten Max Emanuel in einer Schlüsselrolle. Der größenwahnsinnige Wittelsbacher diente sich den Franzosen als Verbündeter an, in der Hoffnung, er könnte sich danach zum König krönen lassen. Obwohl Bayern damals gerade einmal 1,1 Millionen Einwohner hatte, unterhielt Max Emanuel eine Armee von 27 000 Mann, die er zunächst mit Erfolg einsetzte.

Nach einigen Vorgefechten kam es am 13. August 1704 zur entscheidenden Schlacht. Sie dauerte kaum mehr als acht Stunden. Anfangs sah alles nach einem Triumph der Bayern und Franzosen aus, doch dann überrannte Marlboroughs Kavallerie um 18 Uhr die französischen Linien.

Ohne Höchstädt keine Mordnacht von Sendling

Als zwei Stunden später in Blindheim die letzten Franzosen kapitulierten, lagen 32 000 Tote und Verwundete auf den Feldern. Ein anonymer Augenzeuge schrieb: "Es ist nichts entsetzlicheres zu sehen als das Dorf von Blindheim, in dem solches mit Toten und halb abgebrannten Körpern angefüllet, welches das greulichste Spektakulum der Welt ist, ohne zu reden von dem Kreischen und Heulen der Sterbenden... "

Die Dörfer brannten, Kurfürst Max Emanuel zog sich mit den Resten der Armee in Richtung Dillingen und schließlich ins Exil nach Brüssel zurück. Bayern aber wurde dem brutalen Besatzungsregime durch die Österreicher preisgegeben - der Bauernaufstand von 1705 und die Sendlinger Mordnacht haben ihre Ursprung in der verlorenen Schlacht von Höchstädt.

Ausstellungen

Mit der Schlacht beschäftigt sich eine Dauerausstellung in Schloss Höchstädt. Darin wird auch der geschichtliche Hintergrund des spanischen Erbfolgekrieges genau erläutert. Die aufwendig und verständlich aufbereitete Schau ist für historisch Interessierte eine Reise wert. Im Heimatmuseum von Höchstädt sind überdies zwei Dioramen mit insgesamt 9000 Zinnfiguren zu sehen, die detailgetreu das Schlachtfeld zeigen. Die Öffnungszeiten des Heimatmuseums erfährt man unter der Telefonnummer 09074/5262. Das Schloss ist bis 8. Oktober täglich außer Montag von neun bis 18 Uhr geöffnet. bas

Ein Jahr nach dem Gemetzel besuchte der niederländische Diplomat J. de Blainville am 2. Juli 1705 das Schlachtfeld und war schockiert vom Anblick: Er fand "Stücke von halbbegrabenen Körpern, Füße, Arme, Hirnschädel, ganze Gerippe von Menschen und Pferden, mit Flintenkolben, Degentrümmern und Lumpen vermischt..."

Auch heute noch geben die Äcker immer wieder die Relikte des großen Mordens frei. Johann Mengele aus Blindheim hat Tausende Artefakte bei sich am Hof gesammelt. Manchmal legen ihm die Bauern ungefragt wieder ein neues Trumm vor die Tür: Kanonenkugeln, Schädel, rostiges Metall.

Die Schlacht von Höchstädt bestimmt Mengeles Leben, seit er vor Jahren sein Elternhaus in Blindheim umgebaut hat. Als er die Wand des Taubenschlags einriss, stieß er auf eine Art Schatzkammer: ein Säbel, ein Sattel, eine Trommel, Musketen und anderes mehr hatten darin die Jahrhunderte wie in einer Zeitkapsel überstanden. Mengele vermutet, dass ein französischer Offizier die Ausrüstungsgegenstände eingemauert hatte. Inzwischen ist seine Sammlung in ganz Europa zu sehen - gerade erst ist sie aus dem wehrgeschichtlichen Museum in Rastatt heimgekehrt.

In Großbritannien wird die Erinnerung an die Schlacht von "Blenheim", wie der Ortsname "Blindheim" fälschlich übersetzt wurde, lebendig gehalten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Marlborough als Geschenk für seinen Sieg ein Schloss erhielt, Blenheim Palace. In Bayern hingegen ist die "Schlacht von Höchstädt" in all den anderen Kriegen und Tragödien der Folgezeit untergegangen.

Schlacht bei Höchstädt: Ab und an tauchen hier im Boden Relikte des großen Mordens von 1704 auf.

Ab und an tauchen hier im Boden Relikte des großen Mordens von 1704 auf.

(Foto: Sebastian Beck/oh)

Leo Thomas wundert sich manchmal, wie wenig selbst Geschichtsstudenten von den Ereignissen am 13. August 1704 wissen. Kein einziges Grabmal erinnert an die Toten. Nur wenn die Friedhofsmauer von Lutzingen wieder Risse bekommt, dann wissen die Einheimischen: Das Massengrab darunter hat sich wieder gesenkt. Erst zum 300. Jahrestag der Schlacht wurden Stätten der Erinnerung errichtet. Eine davon auf dem Kirchplatz von Blindheim, wo sich Engländer und Franzosen niedermetzelten.

Und was ist nun die Lehre aus alldem? "Man sieht, wie sinnlos das war", sagt Thomas vor dem Denkmal der Versöhnung. "Doch es geht bis heute so weiter." Zu einem ähnlichen Schluss kam der Diplomat J. de Blainville bereits bei seinem Besuch 1705, als er schrieb: "Elende Opfer für den unmenschlichen Ehrgeiz der Fürsten."

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