Politik:Was die Politik gegen den Wohnungswahnsinn tun will

Lesezeit: 3 min

Eigentumswohnungen und Häuser: Überall in Bayern wird gebaut. (Foto: Jakob Berr)
  • Nicht nur in München, sondern auch in Regensburg oder Ingolstadt ist das Wohnen extrem teuer geworden.
  • Neben den Mieten steigen auch die Preise für Bauplätze und Handwerker rasant.
  • Zwar gibt es verschiedene Versuche seitens der Politik, Wohnungen erschwinglich zu machen - doch nicht alle greifen.

Von Lisa Schnell, München

17 Euro pro Quadratmeter, für den, der mieten muss; bis zu 17 000 Euro, für den, der kaufen kann. Der Wohnungswahnsinn in München schraubt sich monatlich in immer absurdere Höhen. Aber auch in anderen Städten wie Regensburg oder Ingolstadt treibt die Menschen kaum etwas so um wie die Suche nach einer erschwinglichen Bleibe.

Es liegt nahe, dass diese Sorgen im Landtagswahlkampf aufgenommen werden. Von der SPD etwa. Wohnungsnot ist eines ihrer Ur-Themen, auch wenn die Sozialdemokraten es bis jetzt nicht allzu prominent spielen. Aber auch von CSU-Spitzenkandidat Markus Söder, der bezahlbaren Wohnraum gerade auffallend oft als die "größte soziale Frage" beschreibt. Nur: Welche Antworten kann die Politik geben? Eine Übersicht.

Wohnen und Kaufen
:Immobilien in München: Wer kann das noch bezahlen?

Mieten und Kaufpreise in München steigen unaufhaltsam. Besonders schlecht ist dran, wer eine kleine Wohnung sucht.

Von Anna Hoben

Verfassungsklage

Ginge es nach der bayerischen Verfassung, dürfte es so etwas wie Wohnungsnot im Freistaat eigentlich gar nicht geben. "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung", heißt es in Artikel 106. Auch Bodenspekulationen sollten eigentlich nicht möglich sein. Artikel 161: "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen."

Das klingt schön und zeigt, dass die CSU, die in der Verfassungsgebenden Landesversammlung 1946 eine Mehrheit hatte, damals sozialistische Inhalte vertrat. Ausrichten allerdings lässt sich mit diesen Sätzen vor Gerichts nichts, sagt Walther Michl vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht der LMU München. Denn Bundesrecht sticht Landesrecht. Und laut Grundgesetz dürfen Eigentümer ihren Besitz so genießen wie sie wollen, inklusive der daraus entstehenden Wertschöpfung. Die bayerische Variante sind nur Programmsätze, oder wie Michl sagt: "Politische Folklore." Sie geben der Staatsregierung einen Hinweis, welche Politik im Geiste der Verfassung wäre, einklagbar aber seien sie nicht.

Bodenpreisbremse

Schon 1993 wurde das Baurecht geändert, um die Allgemeinheit ein wenig an dem Gewinn von Investoren zu beteiligen. Wird aus einem Acker auf einmal Bauland, können die Entwickler verpflichtet werden, einen Teil ihres Mehrwerts für Infrastrukturmaßnahmen auszugeben. Das Problem: "Viele Kommunen trauen sich nicht", weil sie Angst hätten, für Investoren unattraktiv zu werden, sagt Mark Michaeli, Professor für Urbanistik aus München. Und so verschärfen hohe Bodenpreise die Wohnungsnot in doppelter Weise.

Zum einen treiben Bodenspekulationen die Mieten hoch. Zum anderen verzögern sie den Bau von dringend gebrauchten Wohnungen. Warum bauen, wenn der Bodenwert auch so immer weiter steigt? Eine Bodenpreisbremse, wie sie SPD-Landeschefin Natascha Kohnen fordert, soll das verhindern. Es wäre möglich, die Wertsteigerung steuerlich abzuschöpfen ähnlich wie bei Kapitalerträgen. Auch könnte der Staat von dem, der sein Land bebaut, weniger Steuern verlangen, als von dem, der nur wartet, bis die Bodenpreise steigen. Eine rabiate Deckelung allerdings, die nur eine gewisse Wertsteigerung erlaubt und die Bodenpreise einfriert, ist verfassungsrechtlich schwierig durchzusetzen. Und auch die Lösung über die Steuer kann von Bayern nicht umgesetzt werden, denn Steuerrecht ist Bundesrecht.

Mietpreisbremse

Das Gleiche gilt für die Mietpreisbremse, die Michaeli nur die "technische Ausformulierung einer Fehlkonstruktion" nennt. Er glaubt auch nicht daran, dass sie funktioniert, wenn all die Ausnahmeregelungen, die sie jetzt zu einem stumpfen Schwert macht, geändert werden. Zum einen ist die Mietpreisbremse keine Lösung für sozial Schwache, die sich durchschnittliche Mieten ohnehin nicht leisten können.

Zum anderen erhöht sie die bürokratischen Anforderungen, die nicht professionelle Vermieter abschrecken, wie Michaeli sagt. Noch wichtiger aber: Sie bekämpft ähnlich wie die Bodenpreisbremse nur das Symptom, nicht die Ursache. "Steigende Mieten kann sie nicht verhindern, weil die Knappheit bleibt", sagt Tobias Just, Professor am Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft in Regensburg.

Wohnungsnot in Bayern
:Schluss mit dem Einfamilienhaus

Die Staatsregierung kann in der Wohnungspolitik wenig selbst entscheiden - nun rächen sich die Fehler aus der Vergangenheit. Doch für die Zukunft könnte man sich von einigen Klischees verabschieden.

Kommentar von Lisa Schnell

Bauen, bauen, bauen

Wohnungen bauen ist - ganz einfach - das Einzige, was langfristig gegen die Wohnungsnot hilft. Da sind sich die Experten einig. Bei der Frage, wer sie bauen soll, nicht. Tobias Just aus Regensburg hat nichts gegen private Investoren, da die Kommunen ihnen in Konzeptausschreibungen soziale Vorgaben machen könnten. Urbanistik-Professor Michaeli dagegen bevorzugt Staat, Kommunen oder Genossenschaften. In Bayern gibt es keine staatliche Wohnungsbaugesellschaft, auch wenn der Freistaat an Unternehmen beteiligt ist wie der Stadibau, die Wohnungen für Staatsbedienstete baut.

Den Rückzug des Staates aus dem Wohnungsmarkt nennt Michaeli einen "Kardinalfehler". Jetzt wieder einzusteigen, sei bei den hohen Preisen allerdings schwer. Sinnvoll aber schon, denn je mehr Wohnungen der Staat besitze, desto eher beeinflusse er den Markt. Gehe es nicht nur um Profit, könne zudem gesellschaftlich sinnvoll gebaut werden. "Jetzt entstehen Wohnungen, aber die falschen", sagt Michaeli und regt an, mehr Geld in Stadt- und Ortsplanung zu investieren.

Einfacher, schneller, günstiger

Städte wie München haben das Problem, dass es kaum mehr Land zum Bauen gibt. Hier helfen urbane Gebiete, bei denen Gewerbegebiete für den Wohnungsbau geöffnet werden. Allerdings sind die Bundessache. Bayern kann nur das Bauordnungsrecht vereinfachen. Um schneller bauen zu können, fordert Just, das Personal in den Baubehörden stark zu erhöhen.

Und eine Verkehrswende, denn je weniger Menschen mit dem Auto fahren, desto weniger Parkplätze braucht es, womit Platz gewonnen wäre. Günstiger bauen ließe sich durch modulare Techniken. Fertigbau könne durchaus ansehnlich sein. Mit den Plattenbauten wie man sie kennt, habe er nichts zu tun, sagt Just.

© SZ vom 28.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neue Studie
:Nur die Kaufpreise steigen in München noch stärker als die Mieten

Das Problem: Das verfügbare Einkommen der Menschen ist in den vergangenen Jahren nicht annähernd so stark gewachsen.

Von Anna Hoben

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: